Wilhelm Funk - Feuchtwangen - Werden und Wachsen einer fränkischen Stadt
Inhaltsverzeichnis
 <<  blättern  >>

Der fränkische Königshof Feuchtwangen.

 
Die Staatskolonisation der -weiler-Orte, der bislang fehlende Etappenort zwischen den umliegenden Königshöfen und im Waldland zwischen Wörnitz und Altmühl und schließlich die strategische Lage als Sperre des Sulzachtales und der Sulzachstraße im Vorfeld des schwäbisch besiedelten Rieses und im Aufmarschgebiet gegen Baiern ließen uns bisher in Feuchtwangen einen fränkischen Königshof als Vorgänger des Reichsklosters vermuten.
 
Aus anderen Gründen äußerte sich im ähnlichen Sinne schon der Aufsatz von E. Frhr. v. Guttenberg und W. Kraft über den "Gau Sualafeld und die Grafschaft Graisbach". Wir lesen dort: Da unser Urkundenbestand aus dem früheren Mittelalter sehr lückenhaft ist, wissen wir von vielen Orten nicht, daß sie früher einmal ein Königsgut waren: Es gibt aber gewisse Anzeichen, mit denen sich ein solches erschließen läßt, wenn sonstige Urkunden fehlen. Dazu gehört im besonderen das alte Patrozinium des fränkischen Reichsheiligen St. Martin.
 
Die Forschung hat nämlich herausgefunden, daß bei sehr vielen Königshöfen die zugehörigen Pfarrkirchen dem Hl. Martin geweiht waren. Sie schließt daraus, daß eine alte Martinskirche mit ziemlicher Sicherheit auf einen fränkischen Königshof hinweist. Dies gilt vor allem dann, wenn nahe oder gar neben dieser Martinskirche noch eine weitere stand, die Johannes den Täufer als Kirchenpatron hatte und ursprünglich die Taufkapelle der Martinspfarrkirche war.
 
Nun wurden aber die alten Kirchen im Laufe der Zeit zumeist umgebaut oder durch neue ersetzt. In solchen Fällen wurde die neue Kirche sehr oft auf einen anderen Titelheiligen umgeweiht. Dem ursprünglichen Kirchenpatron wurde dann doch meist ein Nebenaltar der neuen Kirche geweiht oder sonst eine Erinnerung an ihn aufgestellt, etwa eine Figur. Der Wechsel der Titelheiligen ist uns von vielen Kirchen im Frankenland bekannt.
 
Um das Jahr 1000 nennt uns ein Brief Wigos St. Salvator, also den Erlöser, als Patron des Feuchtwanger Klosters. Nach einer Aufschreibung vom 2. Januar 150025 bestand aber in der Klosterkirche ein Altar des hl. Martin, zu dem auch eine Vikarie gehörte. Da nun neben der Klosterkirche noch die alte St. Johanniskirche steht, können wir also ungefähr den folgenden Werdegang vermuten:
 
Vielleicht noch im 7. Jahrhundert wurde Feuchtwangen zunächst als fränkischer Königshof gegründet, und zwar als Etappenort an der Sulzachstraße. Dieser Königshof hatte als Pfarrkirche eine St. Martinskirche und eine Taufkapelle St. Johannis.
 
Nach der Mitte des 8. Jahrhunderts wurde dieser Königshof als Ausstattungsgut für das 817 bezeugte Reichskloster verwendet. Bis dieses eingerichtet und erbaut war, benutzten die Mönche die Martinskirche als Klosterkirche. Damit deckt sich auch die Angabe des Kirchenhistorikers Hauck "Feuchtwangen 768 St. Salvator" für das Gründungsjahr und den Titelheiligen des Klosters.
 
Zu unbekannter Zeit, aber noch vor dem Jahre 1000, wurde die Martinskirche zur Mönchskirche umgebaut oder durch einen völligen Neubau ersetzt. Diese neue Klosterkirche war dem Erlöser geweiht.
 
Als im 12. Jahrhundert die Klosterkirche St. Martin durch die noch erhaltene romanische Stiftskirche ersetzt wurde, wurde dieser Neubau der Gottesmutter Maria geweiht. Vermutlich hängt dieses Marienpatrozinium mit der jüngeren Eigenschaft des Klosters als bischöflich augsburgisches Eigenkloster zusammen; auch der Dom zu Augsburg ist Maria geweiht.
 
Die Umwandlung der ehemaligen Pfarrkirche St. Martin als Mönchskirche verlangte ein Gotteshaus für die Seelsorge der Hintersassen des Klosters. Zu diesem Zweck übertrug man die Pfarrechte auf die Taufkapelle St. Johannis, die damit Pfarrkirche von Feuchtwangen mit Taufstein und Friedhof wurde.
 
Wo wäre nun dieser Königshof in Feuchtwangen zu suchen? Nach den bisherigen Betrachtungen sind zwei Möglichkeiten gegeben. Der eine Platz wäre das Gelände im Südosteck des äußeren Stadtmauerringes zwischen. Museumstraße, Herrengasse, Jahnstraße und Stadtmauer. In diesem Falle hätte die Sala regia, das Königshaus, an der Stelle der vermuteten Turmhügelanlage hinter dem Heimatmuseum gestanden. Der Königshof hätte dann zwar den Altweg nach Herrieden und die Sulzachstraße mit ihrer Fortsetzung über den Schleifenberg nach St. Ulrich, Unterkönigshofen und Ehingen gedeckt, nicht aber die Sulzachfurt.
 
Der andere Platz ist aber besser begründet: nämlich das Klostergelände selbst. Wir haben uns dann vorzustellen, daß der Wirtschaftshof des Königshofes als solcher auch vom neuen Kloster übernommen wurde. Auf der Terrasse des späteren inneren Klosterbezirkes vermuten wir neben der Pfarrkirche St. Martin mit dem Friedhof und der Taufkapelle St. Johannis die Sala regia, das Königshaus für den durchreisenden König. Die Heriberga schloß sich dann wohl auf dem Gelände bis zur Hindenburgstraße und Herrengasse an.
 
In dieser Form konnte der Königshof Feuchtwangen sämtliche Straßen bei ihm und dazu die Furt schützen. Außerdem riegelte er mit seiner ganzen Breitseite das Sulzachtal gegen Süden zu ab gegen die Feindseite. Die nahe Sulzach und das Taubenbrünnlein lieferten ihm das notwendige Wasser.
 
Sicherlich bestand neben dem Königshof auch noch ein kleines Dorf. Wo dies aber zu suchen ist, läßt sich heute aus dem Stadtplan nicht mehr entnehmen.26
 
Für diese Lokalisierung des Königshofes können wir außer der geschilderten gesamten Lage im Gelände und an den Straßen noch zwei weitere Hinweise anführen. Der eine ist das ehemalige Gasthaus zum Adler, heute Haus Nr. 215, an der Ecke der Einmündung der Gasse vom Taubenbrünnlein in die Untere Torstraße. Man hat nämlich schon öfters beobachtet, daß die nach dem Wappentier des Reiches benannten Adlerwirtschaften dicht beim oder gar im Gebiet ehemaliger Königshöfe liegen. Beispiele dafür sind u. a. die Gasthäuser zum Adler bei den ehemaligen Königshöfen Riedfeld (Neustadt an der Aisch) und Langenzenn.
 
Den anderen Hinweis gibt das Taubenbrünnlein und vor allem die Sage, die sich um diese Quelle rankt. Der Kern dieser Sage vermeldet uns, daß ein fränkischer König, der aber nicht Karl der Große gewesen sein muß und es wahrscheinlich auch nicht war, in Feuchtwangen Halt gemacht hatte und hier ein Kloster stiftete. Was die Sage sonst dazu tut, ist schmückendes Beiwerk der Volksphantasie, das auch bei anderen Orten ähnlich zu finden ist. Der Kern der Sage hat aber sicherlich einen geschichtlichen Hintergrund, den aber erst ein Königshof in Feuchtwangen, nahe bei dem Taubenbrünnlein, erhellt.
 
Ein sehr schönes Gegenstück zu der hier geschilderten Entwicklung Feuchtwangens bildet Kitzingen.27 Auch hier bildet ein fränkischer Königshof zum Schutze des wichtigen Mainüberganges die eigentliche Keimzelle. Noch in karolingischer Zeit tritt an seine Stelle das um 750 erstmals benannte Reichskloster Kitzingen, ein Benediktinernonnenkloster, das Kaiser Heinrich I. i. J. 1007 dem von ihm gegründeten Bistum Bamberg schenkte.
 
Aus dem Verlaufe der ursprünglichen Straßenzüge läßt sich feststellen, daß der Königshof an der Stelle des Wirtschaftshofes des Klosters stand. Die Klosterkirche und das Kloster selbst wurden auf dem Gelände der Heriberga errichtet. Südlich davon lag und liegt heute noch der Marktplatz mit dem Rathaus, das auf Klostergrund steht. Marktrecht und Rathaus waren im Besitze des Klosters.
 
In der Stauferzeit wurde südlich vom Marktplatz die 1290 erstmals genannte Altstadt und Burg gegründet, die um 1300 Reichslehen der Grafen von Hohenlohe sind. Die Hohenlohe verkauften ihre Rechte an Kitzingen Stück für Stück an die Bischöfe von Würzburg, die aber die Stadt an die Burggrafen von Nümberg verpfänden mußten.
 
Kaum hatten die Markgrafen 1443 ganz Kitzingen als Pfandbesitz, als sie auch schon die Stadt zu erweitern und neu zu befestigen begannen. Sie mußten aber 1629 Kitzingen wieder herausgeben, da Würzburg überraschend die Pfandschaft auslöste.
Die Gründung und Erweiterung der Stadt, sowie der Bau der steinernen Mainbrücke hatte auch in Kitzingen eine völlige Veränderung der Straßenzüge zur Folge. Die dadurch verursachten mißlichen Verkehrsverhältnisse wurden erst durch den Bau der neuen Mainbrücke behoben.
 
Sicherlich werden sich noch weitere ähnliche Beispiele finden, wenn in der hier beschriebenen Weise auch einmal die anderen fränkischen Städte nach dem Ortsplan und den alten Straßenzügen betrachtet werden.28
 
 
In großen Zügen haben wir versucht, das Entstehen und Werden Feuchtwangens aus der Landschaft und aus dem Stadtplan im Verein mit geschichtlichen Nachrichten abzulesen, vom fränkischen Königshof über das Reichskloster und Stift bis zur Stadt. Diesen großen Rahmen weiter mit Einzelnachweisen aller Art auszufallen und Fehlschlüsse darin zu verbessern, muß nun die Aufgabe der örtlichen Heimatforschung sein.

Jacobi, Geschichte der Stadt und des Stiftes Feuchtwangen 1833 schreibt, daß es in einem Gedenkbuch des Stadtschreibers Jodokus Scholl (Schall?) von 1529 heißt:


25) Schaudig, S. 14
26) Man könnte etwa an das Gelände um den Schweinemarkt denken.
27) Vgl. dazu meine Ausführungen. "Zur Entwicklungsgeschichte der Stadt Kitzingen am Main" 1951.
28) So ergibt z. B. auch Ansbach eine ähnliche Entwicklung, nur mit dem Unterschied, daß das Gumbertuskloster von einem adeligen Grundherren, nämlich dem Grafen Gumbert, gegründet und dann erst durch Schenkung ein Reichskloster wurde. Auch die Stadt Langenzenn liefert einige Parallelen, wenn auch hier das ehemalige Königshofsgelände erst 1409 für die Gründung des Augustiner-Chorherrenstiftes verwendet wurde.
 
Für Stadtentwicklungen aus Königshöfen, jedoch ohne die Zwischenstufe mit einem Kloster oder Stift, siehe meine Aufsätze: "Zur Stadtentwicklung von Fürth" (Fürther Heimatblätter, NF 1952, Nr. 1); "Altstraßen um Herzogenaurach" (in "Herzogenaurach, ein Heimatbuch", 1951) und "Zur Stadtentwicklung von Neustadt a. d. Aisch" (Neustädter Anzeigenblatt, Beilage "Die Heimat", Nr. 14/15, April 1931 ergänzt in "Die Friedhoftskirche zu Neustadt a. d. Aisch", und in "Das ehem. Seckendorff-Schlößchen in Neustadt a. d. Aisch", Windsheimer Zeitung, 1953, 18. und 25. Juli).

Erstellt am 25.3.1999 durch Hans Ebert
<<  blättern  >>