Karl Bosl - Feuchtwangen und Walther von der Vogelweide |
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FEUCHTWANGEN UND WALTHER VON DER VOGELWEIDE
Von KARL BOSL
I.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Feuchtwangen ist, wie Sie sehen, in dieser Eheabrede namentlich nicht genannt und doch ist der dort genannte Reichsgutkatalog rnit salisch-staufischem Haus- und Reichsgut - denn dieses Reichsgut stammt schon aus der Salierzeit - ein Indiz für die Zugehörigkeit des Vogelweidhofes zu diesem Komplex. In Zeiten Barbarossas und vorher schon reichte die Nordgrenze des Bistums Augsburg bis zur Marcha Francorum et Alemannorum3 d. h. zur schwäbisch-fränkischen Siedlungsgrenze um den Hesselberg herum; und hier grenzt es dann an das Bistum Würzburg.
Das Kloster Feuchtwangen soll von Karl dem Großen gegründet sein. Es erscheint 817 mit Ellwangen als Reichsabtei in der bekannten Reichsabteiliste, die die Leistungen dieser Abteien des Reiches für den König verzeichnet. Im 10. Jahrhundert war Feuchtwangen dann bischöflich augsburgisches Eigen- und Tegernseer Filialkloster4; die Vogtei über das Stift Feuchtwangen muß also wohl - oder kann wenigstens - in den Händen des Augsburger Hochstiftsvogtes gewesen sein, wenn es nicht an irgendeinen Untervogt weiter belehnt war. Aber im Jahre 1167/68 kam die Augsburger Hochstiftsvogtei beim Aussterben der Inhaber, nämlich der edelfreien Herren von Schwabeck, in die Hände Friedrich Barbarossas. Und damit kam meiner Meinung nach ohne Zweifel auch die Vogtei über dieses "Kanonikerstift" in die Hände der Staufer und die Staufer haben dann über das Gut dieses Reichsvogteistiftes ganz bestimmt nicht anders verfügt, als sie über das Gut von Reichsvogteiklöstern und anderer Reichsstifter verfügt haben, z. B. über die Güter des Stiftes St. Gumbertus in Ansbach, dessen Vogtei sie auch im Jahre 1157 in ihre Hände bekamen und die sie so ausnutzten, daß Ansbach, die spätere große Markgrafenstadt, im 13. Jahrhundert zweifellos auf dem Wege war, eine Reichsstadt wie Nürnberg, Dinkelsbühl, Rothenburg und Nördlingen auch zu werden. Zwar erscheint - und jetzt nochmals an sich ein Indiz dagegen - Feuchtwangen nicht unter den staufertreuen Städten, die im Jahre 1240 vom päpstlichen Legaten Albert Beheim mit dem päpstlichen Bann belegt wurden, weil sie Kaiser Friedrich II. die Treue hielten als seine Vogteistädte und als seine königlichen grundherrlichen Städte. Diese Städte, die mit dem Bann belegt werden, sind Donauwörth, Lauingen, Nördlingen, das jetzt 1215 auch auf Reichskirchenboden, nämlich des Hochstiftes Regensburg, begründet wurde; daneben Dinkelsbühl, Ansbach, Hall, Nürnberg, Lentersheim, Weißenburg wiederum und Greding als der östlichste Punkt dieses Reichsgutkomplexes um Würzburg, Rothenburg und östlich Feuchtwangens. Aber trotzdem ist Feuchtwangen fast gleichzeitig im Reichssteuerverzeichnis von 1241/42 mit 20 Mark Reichssteuerleistung veranschlagt, eine Reichssteuerleistung, die es zweifellos zu zahlen hatte aufgrund der Reichsvogtei, die die Staufer über dieses Stift und die Siedlung ringsherum hatten. Das burgum Bopfingen, das ich vorhin nannte, hatte damals 50 Mark Reichssteuer zu zahlen.
Im Jahre 1290 unterstand die Stadt einem Reichsvogt, deutliches Zeichen für die Wahrnehmung der Reichsvogtei und für den reichtsvogteilichen Charakter dieses Stiftes und dieser Stadt. Die Funktionen dieses Reichsvog-ts müssen verfassungsgeschichtlich aufgebaut gewesen sein auf der Augsburgischen Vogtei über das augsburgische Eigenstift Feuchtwangen, das 1167/68 mit der Vogtei in die Hände der Staufer kam und seitdem eben dabei blieb; niemand hat so energisch einen Königsstaat in ganz Deutschland aufzubauen versucht, wie gerade die Staufer, und sie haben jeden Zollbreit Boden, der sich ihnen bot, ergriffen, um ihn zu einem Reichslandterritorium - zu einer terra imperii, wie die Quellen sagen - zusammenzufügen. Feuchtwangen ist nicht, wie Nördlingen oder Dinkelsbühl eine Reichsstadt geblieben, die es damals war, sondern infolge langandauernder Verpfändungen am Schluß erst zu einer markgräflichen Territorialstadt geworden, was seine Würde und seinen Rang nicht schändet. Im 12. und 13. Jahrhundert aber gehörte es zum Reichsgutsblock der Staufer im westlichen Franken, dessen Zentralpunkte, wie schon gesagt, in dem Ehekontrakt von 1188 erscheinen.
Daß sich in diesem Raum und um die zentralen Orte auch auf Reichskirchenboden unter den Staufern Dienstmannensitze mit Bauhöfen und Hufen finden lassen, das ist ganz und gar nicht ungewöhnlich und darum ist der Vogelweideansitz in der Nähe Feuchtwangens, selbst wenn er sich auf Reichskirchengut befindet, als eine Reichsministerialenburg und ein Reichsministerialensitz ohne weiteres anzusprechen und es ist sehr wohl möglich, daß die Familie der Vogelweider schon darauf saß oder daß Walther diesen Hof aus Reichskirchengut Feuchtwangens als Lehen am Ende seines Lebens um 1220 verliehen bekam.
Meine Damen und Herren, es geht also darum, es als möglich und unbedenklich zu erweisen, daß Walther deswegen in der Würzburger Gegend ein Reichsdienstlehen bekam, weil er, wie ich schon betonte, und wie ich behaupte, aus diesem Reichsland südlich Würzburg im heutigen Franken stammte. Vorweg darf ick sagen, daß wir in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts enge, ja engste Beziehungen der Reichsministerialität dieses Frankenlandes zu Würzburg und zu seiner Hochstiftsministerialität belegen und als totsicher zeigen können. Das erweist vor allem die Verwandtschaft der Würzburger Hochstiftsministerialen z. B. zu den Reichsmarschällen von Pappenheim. Friedrich Barbarossa gewährte 1156 dem Würzburger Hochstiftsministerialen Bodo bei seiner Ehe mit einer Pappenheimerin aus der Ministerialität Friedrichs von Rothenburg, das Privi leg, daß die Kinder dieser Ehe, die nach gültigem adeligem Leibeigenenrecht, das ist das Ministerialenrecht, dem Stand und Eigentum der Mutter folgen, also staufische Ministerialen werden sollten. Das Privileg bestand darin, daß die Kinder dieser Ehe zwischen den beiden Dienstherren, nämlich dem Staufersohn und dem Würzburger Bischof, geteilt werden sollten. Barbarossa gibt dieses Privileg deswegen, damit die Kinder dieser Ehe nicht der reichen Hochstiftslehen des Vaters verlustig gingen. Der Kaiser wollte also die Reichskirchenlehen - auch Würzburg war Reichskirchenlehen - auf diese Weise sehr schön in seine I-Iände bekommen; und wenn er auch nur die Hälfte der Kinder hatte, besaßen sie Würzburger Lehen, dann waren sie ja zum Teil ihm trotzdem verpflichtet. Das war eine besondere Methode dieses Stauferkaisers, die Hochstiftsministerialität und das Reichskirchengut nicht nur an seine Interessen zu binden, sondern mit dem Gut auch die Leute zu entlohnen und in seine Interessenpolitik einzuspannen. Dieser vorgenannte Bodo war außerdem der Sohn des , bei Barbarossa in hoher Gunst stehenden Würzburger Vizedoms Herold, von dem sowohl Beziehungen zu dem Reichsküchenmeister Heinrich von Rothenburg, wie auch zu den Reichsrainisterialen von Stolberg, einer abgegangenen Burg bei Oberschwarzach im Steigerwald, laufen.
Was ich Ihnen sagen will, meine Damen und Herren, ist dies, daß sich ein sehr enger Kontakt unter den Ministerialen dieses ganzen Raumes von Würzburg bis Pappenheim, von Rothenburg bis Weißenburg, überhaupt herausschälen läßt, der eine gesicherte, belegte Tatsache ist. Die Verbindungen von Reichsministerialität und Hochstiftsministerialität im Raum Würzburg, Rothenburg, Weißenburg, Pappenheim im 12. und 13. Jahrhundert sind also sehr dicht und vielschichtig, ja sie sind Teil einer bewußten Politik der Staufer und ihres Bemühens um den Aufbau eines Reichslandes im westlichen Franken. Es hat deswegen Oberhaupt keine Bedenken, daß ein auf dem Vogelweidesitz bei Feuchtwangen geborener Reichsministerialer, das ist die, eine Möglichkeit, u. a. auch in Würzburg zur selben Zeit mit Curtes und Allodia, mit Höfen und Eigengütern des Königs belehnt wird, das schließt außerdem nicht aus, daß Walther der erste war, der mit dem Vogelweidesitz begabt war. Daß Walther aber auch in Würzburg belehnt wurde, das hat man nur aus den Nachrichten über sein dortiges Grabmal beim Stift Neumünster geschlossen und dies berichtet Michael de Leone in seinem Manuale aus dem Jahre 1354, also ca. 120 Jahre nach Walthers Tod; wieder berichtet das auch die große Sammelhandschrift desselben Michael de Leone aus derselben Zeit. In Würzburg gab es 1323 einen urkundlichen Vogelweidhof "curia, dicta zu der Vogelweide", doch ist eine Beziehung dieses Vogelweidhofes in der Stadt zu Walther nicht belegt.
Walther
hatte sich mehrmals an Otto IV. von Braunschweig wie auch an den jungen
Stauferkönig Friedrich II. mit der Bitte um ein Dienstlehen gewandt.
Kurz vor seinem Italienzug im Frühjahr 1220 gab ihm der Herrscher
ein Dienstlehen, für das er sich mit emphatischem Jubel in dem oben
zitierten Spruch bedankt. Freilich klagt er bald darauf schonwieder, daß
ihm davon nichts übrig bleibe, womit er den Zehnten bezahlen könne.
Das nimmt nicht Wunder. Welcher Künstler ist - abgesehen von unseren
Zeiten - schon reich geworden l Erst in unseren Zeiten haben ja die Künstler
entdeckt, wie man als Künstler Millionär werden kann.
2
KG Const. I, Nr. 319, S. 453.
3
Urkunde von 1155. Würzb. UB 2, 95.
4
O. Meyer, ZRG KA 27 (1938) 599 - 638.
Erstellt am 29.3.1999 durch Hans Ebert