Karl Bosl - Feuchtwangen und Walther von der Vogelweide
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FEUCHTWANGEN UND WALTHER VON DER VOGELWEIDE*

Von KARL BOSL
 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich auf Einladung des Herrn Landrat Keim in diesem altehrwürdigen Königsguts- und Reichsort Feuchtwangen nach dem erfolgreichen Bemühen des Herrn Professors Beyschlag, Erlangen, und den sehr intensiven lokalen und regionalen Forschungen des Herrn Oberamtsrats Bayerlein, jetzt Würzburg - früher Feuchtwangen - nocheinmal das Wort zum Thema "Feuchtwangen und Walther von der Vogelweide" ergreife, dann tue ich es nicht als Besserwisser oder, wie es scheinen möchte, als ein Angeber, der sich an sehr erfolgreiche Untersuchungen, die bereits gemacht worden sind, zuguterletzt noch anhängen wollte, sondern weil ich vielleicht der ganzen Sache damit dienen kann und vor allem auch zur Geschichte der Feuchtwangischen Heimat des großen mittelhochdeutschen Minnesängers und politischen Spruchdichters Walther vielleicht noch zwei wesentliche Beobachtungen und Tatsachen beitragen kann, die das Ergebnis vor allem Ihrer Arbeiten, Herr Oberamtsrat, nicht nur absichern, sondern vielleicht auch noch mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit bestätigen.

Um es gleich vorweg zu sagen, ich ziehe erstens Schlüsse aus dem Reichsgutkatalog, der Eheabredung, die Kaiser Friedrich Barbarossa mit dem spanischen König Alfons von Kastilien getroffen hat für die Zuordnung Feuchtwangens zu einem geschlossenen Reichsgutkomplex der Staufferzeit im Reichsland der "terra imperii Franken" und ich bringe zweitens Gründe aus reichsministerialen Rechten, vor allem dieses Raumes, des 11. und 12. Jahrhunderts bei, die meiner Meinung nach zwingend nahelegen, daß Walther von der Vogelweide von Kaiser Friedrich II., dem Enkel Kaiser Friedrich Barbarossas, ein Dienstlehen in dem Raum bekommen habe, wo sein Vater eine Burghut auf einer Reichsburg oder reichsministerialen Burg mit Dienstgut hatte, die er übernahm, als ihm der Kaiser ein Dienstlehen übertrug, oder in deren weiteren Raum er zurückkehren mußte, als er endlich erreicht hatte, daß ihm der Kaiser das gab, worauf er einen Rechtsanspruch hatte. Dass Walther von der Vogelweide solange in der weiten Welt herumreisen konnte und mußte, wie man sich füglich fragt, solange bis er ein Dienstlehen bekam, das ihn personal- und auch güterrechtlich wieder an den Raum band, in dem er geboren wurde, das ist die andere Konsequenz.

Der größte Reichsministeriale der Staufferzeit, Marquard von Anweiler, war mit höchsten Amts- und politischen Aufgaben in Italien unter Kaiser Heinrich VI. und auch unter Philipp von Schwaben betraut und blieb trotzdem mit seinem Amtssitz oder dem Amtssitz und der Stammburg seines Vaters in der Südpfalz verbunden und nannte sich auch in Italien danach.

Meine Schlüsse, die ich Ihnen vortragen darf, stammen aus der allgemeinen deutschen Geschichte und aus der fränkischen Geschichte des Dienstrechts und der stauffischen Reichsguts- und Reichslandpolitik im besonderen.

Ich bitte Sie also für eine gemessene Zeit um Aufmerksamkeit für einige allgemeine Erörterungen, die vielleicht nicht so beschwingt erscheinen, wie Sie das von Walther von der Vogelweide her gewöhnt sind, oder wie man das bei einem Dichter erwarten möchte; Erörterungen, die erst im letzten Teil wieder, nachdem der Kreis der Schlüsse vorgetragen ist, zu Feuchtwangen und Walther von der Vogelweide zurückführen. Diese Ausführungen machen aber dann den Freudenruf Walthers

"Ich han min lehen, al diu werlt, ich han min lehen"

in der besonderen Nuance deutlich und erklären ihn so, daß der Dichter sagen wollte, und so würde ich auch in Zukunft, auch der Germanistik vorschlagen, diese erstere Zeile oder die ersten zwei Zeilen zu interpretieren: "Endlich habe ich, der Sohn eines Reichsministerialen, mein, das heißt, das mir rechtlich zustehende Dienstlehen oder ein Lehen, auf das ich Anwartschaft habe; eine Anwartschaft, die Kaiser Friedrich II. jetzt endlich um das Jahr 1220 realisiert hat.

Daß die Tradition Walthers letzten Lebensabschnitt nach Würzburg und in unseren Raum damit, wie ich mit der Eheabredung vor allem beweisen will, verlegt, ist ein fast an höchste Wahrscheinlichkeit reichender Beweis für die Tatsache, daß er von diesem Raum ausging, was ich zeigen möchte aufgrund meiner eigenen Beschäftigung mit der Reichsrninisterialität der Salier und Stauffer, mit der Reichslandpolitik der Staufer in Franken und mit dem ministerialischen Dienstrecht1. Ich stelle zuerst fest, was die rührige Ortsforschung, vor allem Sie, Herr Oberamtsrat Bayerlein, bislang ermitteln und erhärten konnten. Das 1326 genannte Gut "Vogelweide" liegt in einem Raum, für den der Reichsgutcharakter fast sicher ist: neben Probsteilehen des Stiftes Feuchtwangen, die aber auch königlicher Provenienz sind, und die von den Staufern nach einem für ganz Deutschland belegten Muster und Modell sehr wohl als Reichskirchengut für ihre staatspolitischen Zwecke benutzt worden sein können und anderswo auch benutzt worden sind. Ich brauche bloß an die Gründung Nördlingens als Königsstadt hinweisen, was auf Reichskirchengut geschah. Die Zugehörigkeit des Gutes zur späteren Warberger Enklave Dürrwangen und ihre augenscheinliche Verbindung mit dem Reichsgut oder Königsgut Burberg (Beyerberg) Königshofen von 1188 unterstreicht die Reichsgutqualität. Die Bindungen zwischen Würzburg und dem Feuchtwanger Raum sind außerdem gesichert durch Lehenvergabe des Würzburger Stefansklosters in dem benachbarten Utzenweiler um 1100 unter Beteiligung von Ministerialen. Der Ansitz mit zugehörigem Bauhof kann noch heute ausgemacht werden, man kann mit Grund den heute geteilten Hof der Familie Präger, der an Feld und Wald ein Areal von 250 Tagwerk hatte (120 Tagwerk Feld, 130 Tagwerk Wald) als Vogelweidhof ansprechen, denn das Normalmaß eines Reichsdienstmannenlehens waren im fränkischen Reichsland hier 3 Hufen, was auf das Feldareal des Hofes paßt, da Wald als Zubehör oder als Allmende gerechnet zur Hofeinheit oder zur Hufeneinheit kaum gezählt war. Daß es sich um einen Bauhof handelt, ergibt die Tatsache, daß der Rittersitz auf den Hofgründen liegt. Mit ihm war eine große Vogelhege verbunden. Dieses Amtslehen unterstand später dem Reichshof, niemals dem Stift Feuchtwangen. Es spricht außerdem nichts dagegen, daß das Wappen Walthers von der Vogelweide in der Lieder-Handschrift den Feuchtwanger Vogelweiden zuzuweisen wäre, wie eine Untersuchung der Warbergischen und Öttingischen Ministerialwappen ergeben hat. Ich füge dem noch hinzu, daß der Raum Feuchtwangen durch Straßen fest in das System staufischer Reichslandpolitik eingebaut und mit dessen Zentren verbunden war. Eine Straße führte über Ansbach nach Nürnberg von hier. In Ansbach hatten außerdem die Staufer als Vögte ihre Hand auf das Würzburgische Gumbertusstift gelegt. Feuchtwangen liegt weiterhin an der großen staufischen Nord-Süd-Straße von Würzburg, Aub, Reichardsroth - nach Dinkelsbühl, Nördlingen, Donauwörth, Augsburg, Vintschgau, Verona über Finstermünz und Regenscheideckpaß, und es liegt auch unweit der uralten West-Ost-Straße Paris - Reims nach Passau, Wien, Konstantinopel, die in unserem Raum von Wimpfen-Geißlingen über Dinkelsbühl, Aufkirchen, nach dem zentralen Königshof Weißenburg am Sand zog.


* Der Vortrag wurde am Tag der Heimatgeschichte zu Feuchtwangen am 12.Juli 1969 gehalten.
1 K. BOSL, Die Reichsininisterialität der Salier und Staufer. Ein Beitrag zur Geschichte des hochmittelalterlichen deutschen Volkes, Staates und Reiches. 2 Bde (Nachdruck 1967 u. 1969); DERS., Das ius ministerialium. Dienstrecht und Lehenrecht im deutschen Mttelalter, in DERS., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa (1964) 277 - 525; DERS., Die Gesellschaft in der Geschichte des Mittelalters. 1969.
Erstellt am 29.3.1999 durch Hans Ebert