Band 1
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Übersicht Briefe
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Lateinischer Originaltext

Brief 12

Wigo versucht, gegenüber einem Grafen E. eine dem Kloster Feuchtwangen entfremdete Salzquelle zurückzuerhalten. Es entsteht der Eindruck, als habe sich das Kloster beim Bau übernommen und versuche nun, seine materielle Basis zu sichern und sich auch um umstrittene Objekte zu bemühen.
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Dem E. 51, der durch sein Grafenamt und durch seine vielberedte, ihm eigene Tapferkeit seine beiderseits ruhmvolle Abkunft weit und breit bekanntmacht, entbietet Wigo, der im Ort, 52 genannt Feuchtwangen, bestellte Hüter, zusammen mit der Schar seiner Brüder gehorsamen Gruß.
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Es erfreut das Gewissen aller Rechtschaffenen, wenn die den heiligen Stätten übergebenen Besitztümer von vielen Getreuen ertragreich verwaltet werden. Sie zweifeln nicht daran, daß das irdische Erbe dem himmlischen gleichkommt. Wie wir von Erzählenden gehört haben, haben Euere Vorfahren, durch die Liebe auf diese Hoffnung hingeleitet, einen Teil einer Quelle dem Kloster unseres Erlösers übergeben; sie läßt in kräftigem Sprudel Salz hervorfließen. 53 Wir setzen nun alles in seinen vorigen Stand am besten mit Eurer Kenntnis darüber, was gegeben wurde und welches Recht dazu geeignet ist, das Verlorene wieder als Eigentum in Besitz zu nehmen. Wir haben uns beratschlagt, wie dies rechtmäßig bekanntgemacht werde 54 und wurden uns mit dem Einverständnis unseres Vogtes 55 dahingehend einig, daß wir all das, was durch die Wohltat Euerer Vorfahren dem Kloster eigentlich gehört, Euerem Schutz übergeben. Es wird uns nämlich berichtet, daß uns mißgünstig gesinnte Leute sich eher um ihren eigenen Gewinn als um gerechte Nutzung bemühen. Da wir in all unseren Geschäften Euere Hilfe wünschen, wenn Ihr uns dessen würdigt, haben wir diesen Bruder geschickt und empfehlen ihn Eurer Gnade. Er soll sich in unserem Auftrag um diese Angelegenheiten kümmern, damit wir durch ihn immer gleich anschließend eine Widerspruchsmöglichkeit haben, wie Ihr das als festgesetztes Recht seiner Klosterfamilie kennt, damit diese nicht irgend jemand durch ungerechte Dienstleistungen unterdrückt oder es versäumt, die Abgabe einzusammeln und zurückzugeben, wie diese zugunsten des Gotteshauses zu erkunden und zurückzuerstatten ist. Obgleich sicherlich einige Leute, welche überaus an menschlichen und hinfälligen Dingen hängen, 56 über solcherart durch Schenkung geschmälertes Erbgut innerlich Bedauern empfinden, so wird doch den frommen Nachkommen die angesehene und ausgezeichnete Vergeltung ihrer Erbschaft nicht getilgt sein, wenn sie sich zum Gelöbnis ihrer Vorfahren bekennen, zur Zierde und als Gabe für den Dienst an Gott, damit das, was auf Erden dem Menschen mangelte, die Seele in Zukunft als Erbe und Belohnung in Besitz nehmen kann. Lebt wohl. 57

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BriefX12
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Brief 13
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Lateinischer Originaltext:
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12.
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E. functione comitali famosoque virtutum cultu alterutrius generositatis gloriosum stemma nobilitanti Wigo custos constitutus in loco Phyuhtuvanc nominato cum agmine fraterno devotum salutamen in Christo.
Fructuosis dispensationibus multorum fidelium possessiones ad sancta loca traditas omnium bonorum gaudes conscientia, qui heredidate terrena comparari posse non dubitant superna. Amore huius beaté spei, ut audivimus a narrantibus, ducti parentes vestri partem fontis vivida scaturrigine salem scaturrientis tradiderunt monasterio salvatoris nostri, quod optime vos nosse novimus, quid datum sit et qua lege serviendum sid ad hoc concessis mancipiis. Quare ratum fore consiliati sumus concordi concessione nostri advocati talia commendare vestré defensione, qualia sunt attributa monasterio antecessorum vestrorum beneficio. Alieni namque superducti sua lucra, non iustam emulationem sectari referuntur. Quia in omnibus negotiis ad nos pertinentibus vestrum suffragium, si dignamini, habere disideramus, hunc fratrem mittimus committimusque pietati vestré, quem easdem res feceramus procurare, ut semper reclamationem per eum habeamus secundum quod scitis eiusdem familié legem statutam, ne eos aliquis iniusto premat servitio vel ab eis neglegatur colligi et reddi census domui Dei inquirendus et redendus. Quanquam enim quidam, quibus humané caducéque res nimium adherent, huiusmodi data patrimonia sibi penitus sublata poeniteant, tanen non erit extincta piis posteris clara et insignis remuneration eiusden hereditatis, si eos eadem priorum comitatur devotio in excolendo Deique servitio devote mancipando, ut hoc, quod natura debuit homo, anima possideat in futuro pro premio hereditario. Valete.

51) Bossert (Die Briefe des Feuchtwanger Dekans Wigo. S. 67-72) hält Dietrich für den Adressaten von Brief 2 (Theoderich). Strecker (Die Tegernseer Briefsammlung. S. 15 f.) hält dies für unwahrscheinlich.
52) Mit "locus" wurde um 1150 eine planmäßige Anlage mit stadtähnlichem Charakter bezeichnet, die oft mit Königsgut in Verbindung steht. (Grünenwald: Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen. S. 132, Anm. 676.). Vergleiche Brief 13, Anmerkung 4.
53) Sonstige Nachrichten über eine Salzquelle im Besitz des Feuchtwanger Klosters bzw. Stifts sind nicht bekannt. Die aus Tegernsee gekommenen Mönche waren sicher mit der Salzgewinnung vertraut, da ein Drittel der Reichenhaller Saline, nämlich 22 Salzpfannen, zum Kloster Tegernsee gehörte. Bossert (siehe Anm. 1) meinte im Jahr 1881, daß die Salzquelle Niedernhall und nicht Schwäbisch Hall sei. Schwäbisch Hall und Niedernhall wurden beide erstmals im Jahr 1037 erwähnt, im Jahr 1939 wurde die Salzgewinnung für Schwäbisch Hall jedoch schon für die Zeit von 500 vor bis 100 nach Christus archäologisch nachgewiesen, was Bossert noch nicht wissen konnte.(Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Bd 23. S. 116-126). In Niedernhall befindet sich ein merowingisches Gräberfeld bei den Salzquellen.(ebenda Bd 24. S. 88). Nach dem heutigen Kenntnisstand ist es also möglich, daß jedes der beiden "Hall" im Besitz des Feuchtwanger Klosters gewesen sein kann. In der Nähe von Niedernhall liegt der Ohnrwald, in dem Bossert die Einsiedelei des Abtes Theoderich aus Brief 2 lokalisiert. Siehe Brief 2, Anm. 1.
54) Die Benediktus-Regel bestimmt in Kapitel 3, daß bei wichtigen Angelegenheiten der Abt die ganze Klostergemeinde um Rat fragt. "Er soll den Rat der Brüder anhören, dann die Sache bei sich überlegen und das tun, was er für richtig hält." (S. 69)
55) Die Vogtei lag beim Hochstiftsvogt des Bistums Augsburg und wurde wohl von einem örtlichen Untervogt wahrgenommen. Der Vogt war der Inhaber der weltlichen Schutzherrschaft über das Kloster. Im Lauf des 10. Jahrhunderts waren die Vogteien allgemein im Hochadel erblich geworden.
56) Laut Benediktus-Regel soll der Abt bedenken, daß seine Hauptsorge den ihm anvertrauten Seelen gehören muß und nicht "... den vergänglichen, irdischen und hinfälligen Dingen ..." (Kapitel 2, S. 67).
57) Im Kloster Tegernsee selbst wurden erst um das Jahr 1050 Listen der ehemaligen Besitzungen angelegt, mit dem Bestreben, diese zurückzugewinnen. So geschah das auch im Kloster Feuchtwangen, wie dem Brief entnommen werden kann.
Erstellt: 12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert
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