4. Dorf-Kemnaten. Patr.
Der Deutsche Orden (Commenthurei Öttingen).
Dorf-Kemnaten
oder Unter-Kemnaten, ein Dorf mit 434 S., im Bezirks-Amte Dinkelsbühel,
liegt am rechten Sulzach-Ufer, 1 ¼ St. oberhalb Wittelshofen, am
Abhange der den Fluß begleitenden Anhöhe.
Ueber
das Dorf Kemnaten entbehren wir bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhund.
jeder verlässigen Kunde; denn das schon im 13. Jahrhunderte auftretende
Geschlecht der milites de Kemenaten gehört, wie oben S. 439 ff. gezeigt
wurde, nicht unserm Orte, sondern dem etwas weiter nach Norden gelegenen
Ober-Kemnaten an.
Die
früheste uns bekannte Nachricht über Kemnaten knüpft sich
sogleich an das Bestehen einer Kirche und einer Pfarrei im Orte. In ersten
Viertel des 14. Jahrhunderts erscheint nämlich Heinrich von Hornburg
im Besitze des halben Kirchensatzes (Patronat-Rechtes) von Kemnaten. Heinrich’s
Wittwe Adelheid verkaufte nun mit ihren Söhnen Heinrich und Friedrich
am 29. Okt. 1324 den halben Kirchensatz von Kemnaten und den reichslehenbaren
halben Kirchensatz von Aufkirchen, welchen sie gleichfalls besaßen,
mit allen ihren Zugehörungen für neun und zwanzig Pfund Heller
an Sifrid von Buerberg (Beuerberg)1).
Näheres über Herkommen und Natur dieses Kemnater Kirchensatzes
ist nicht bekannt. In den Jahren zwischen 1324 und 1330 gelangte aber derselbe
in seinen beiden Hälften, auf eine uns gleichfalls nicht bekannte
Weise, an das Haus des Deutschen Ordens zu Öttingen; denn am 25. Okt.
1330, nachdem der Pfarrer Friedrich Tetenanger von Kemnaten in denselben
Orden getreten war, erklärte Bischof Friedrich von Augsburg, das Deutsche
Haus zu Öttingen, welches das Patronat-Recht von Kemnaten besitze,
trete nun in den Genuß der dortigen Pfarrkirche mit allen ihren Rechten
und Einkünften2).
Kemnaten,
unter mehrern Grundherrschaften getheilt, stand unter der Landeshoheit
der Markgrafen von Brandenburg-Onoldsbach; daher wurde auch hier die protestantische
Brandenburg-Nürnbergische Kirchen-Ord-nung eingeführt und die
katholische Pfarrei in eine protestantische umgewandelt, deren Besetzungsrecht
dem Deutschordens-Commenthur zu Öttingen verblieb.
Dorf-Kemnaten
besitzt heute noch in seiner schönen gothischen Pfarrkirche und den
in ihr bewahrten, aus katholischer Zeit stammenden Kirchengeräthschaften
herrliche Denkmale und Zeugnisse, wie für religiöses Wesen und
Leben die christliche Kunst hier einst thätig war.
Die
Pfarrkirche von Kemnaten steht, vom Gottesacker umgeben, auf der Höhe
über dem Dorfe. Sie war der heil. Jungfrau Maria geweiht und scheint
in katholischer Zeit eine angesehene Wallfahrtsstätte gewesen zu sein;
daher der Ort selbst in Urkunden jener Zeit manchmal auch unter dem Namen
Maria-Kemnaten vorkommt. Die Länge der Kirche mit Chor beträgt
98‘, die Breite 51‘, die Höhe bis zur Firstspitze 58‘. In das Kirchenschiff
führt von der Südseite her ein Portal mit gewölbter gothischer
Vorhalle, von der Nordseite ein einfacheres Portal ohne Vorhalle. Jede
Längenseite des Schiffes hat ein gothisches Fenster; Fries-Verzierungen
an den Wänden unter dem Dache fehlen, aber um das ganze Langhaus und
um den Chor läuft ein einfaches Kaff-Gesimse, welches sich über
die Portale erhebt und unter die Fenster herabsenkt. Am Chore steigen starke
Strebepfeiler, durch Wasserschlag-Gesimse sich verjüngend, auf; seine
gothischen Fenster zheigen schon etwas gedrückte Bogen; ihre äußere
Umrahmung aber ist durch breite Hohlkehlen, Stäbe und Rundsäulen
gut belebt. Gewölbe im Innern fehlen, kamen vermuthlich nicht mehr
zur Ausführung; Schiff und Chor schließen mit Flachdecken. Der
Bau dieser ganz aus Hausteinen aufgeführten Kirche wurde wahrscheinlich
im J. 1508 vollendet; wenigstens trägt ein Stein außen an der
Südwand des Chores diese Jahreszahl.
Der
Thurm, an die Nordseite der Kirche zwischen Schiff und Chor angebaut, besteht
aus Quadern, ist bis zu seiner Firstspitze 102‘ hoch, und wurde, nach der
außen in der Höhe unter dem Dache sichtbaren Jahreszahl zu schließen,
wahrscheinlich im J. 1522 vollendet. Drei Gesimse über einander theilen
ihn in vier Stockwerke; das Dach läuft in eine vierseitige Spitze
aus. Die beiden Glocken dieses Thurmes bieten in Bezug auf Alterthum und
Kunst besonderes Interesse3).
Das
Innere der Kirche hat zwei kostbare Gegenstände aus katholischer Zeit
bewahrt, einen altdeutschen Flügel-Altar und ein Sakrament-Gehäuse.
Der
Altar-Aufsatz, noch auf dem alten Altarstocke mit dem von vorn geöffneten
Sepulcrum stehend, beginnt von unten mit einer Predella, deren Mittelbild
in Holz-Schnitzwerk die sterbende heil. Maria zeigt. Maria liegt auf dem
Bette, um sie ist der volle Chor der Apostel versammelt; neun derselben,
von denen einer den Weihbrunnkessel, ein anderer das Rauchfaß hält,
umstehen ihr Lager, zwei andere, zu ihren Füßen sitzend, halten
ein offenes Buch, der zwölfte sitzt zu Haupte. An vierter Stelle in
der Reihe der Apostel steht Christus, die drei ersten Finger der rechten
Hand feierlich über Maria erhebend; er trägt auf dem linken Arme
ein sitzendes Kindlein mit herabfallenden, gescheitelten blonden Haaren,
in ein langes blaues Gewand gekleidet, die Rechte gleichfalls gegen Maria
erhebend. Das Kindlein ist die scheidende Seele Maria’s welche der Heiland
abholt und in den Himmel einführt.
Das
Haupt- und Mittelbild des Altares ist ein aus Holz geschnitztes, in den
vertieften Altarschreine stehendes Bild der heil Jungfrau Maria mit dem
Jesus-Kinde auf dem linken Arme, eine edle Gestalt, gut gehalten in Antlitz
und Körperform, wie im Faltenwurfe der Gewandung. Ueber dem Haupte
Maria’s, dessen Goldhaare ein nach räckwärts herabwallender weißer
Schleier bedeckt, halten zwei Engel eine Krone; die heil. Jungfrau selbst
steht auf dem liegenden Mondesbogen. In den vier Ecken der blaugrundigen,
sterngeschmückten Rückwandfläche des Schreines siest du
in erhabenem Schnitzwerke die Symbole der vier Evangelisten; zwischen ihnen
am Rande der Fläche, in halber Gestalt schwebend, acht Engel mit Musik-Geräthen,
an den Seitenwänden in reichen Baum- und Laub-Verästelungen die
Brustbilder von sechs Heiligen, meistens Bischöfen. Reiche und zarte
Arabesken-Zier umrahmt den Schrein, an welchen sich Flügel zum Oeffnen
und Schließen mit Bildern aus dem Leben der heiligen Jungfrau, wie
zur Verherrlichung des Hauptbildes, nach beiden Seiten anfügen; und
zwar zeigt der Seitenflügel rechts vom Hauptbilde, gleichfalls von
Arabesken eingefaßt, in erhabener Schnitzerei zwei Bildergruppen,
oben Maria Verkündigung, unten Christi Beschneidung; der linke Seitenflügel
stellt oben den neugeborenen Heiland dar, vor welchem Maria und Joseph
knieen, unten die anbetenden und Geschenke bringenden Magier.
Während
nun in den bisher angeführten Bildern des Altarschreines und der Innenseite
der Hauptflügel die edle Kujnst der Sculptur in Holz vertreten ist,
wie sie sich an allen diesen Gestaltungen in voller Schönheit und
edler Würde meisterhaft ausprägt, offenbart sich auf den Rückwänden
der Hauptflügel und auf den sich ihnen zu beiden Seiten anschließenden
Nebenflügeln in acht weitern Bildern aus dem Leben Maria’s die Malerei
in gleich gelungener Weise. Wir sehen hier auf dem rechten Hauptflügel
zuerst zwei Gestalten, einen Greisen und eine Greisin, sich in den Armen
liegend, Joachim und Anna nämlich, deren reinem Kusse nach einer verbreiteten
Vorstellung früherer Zeiten sündelos die heilige Jungfrau entkeimte4);
ferner Maria’s Gang zum Tempel. Der linke Flügel zeigt die Darbringung
Jesu im Tempel (purificatio) und die Flucht nach Ägypten. Auch die
beiden Nebenflügel enthalten zusammen vier Bildergruppen. Auf dem
rechten erscheint nämlich oben der engel den Hirten, das untere Feld
stellt Maria’s Besuch bei Elisabeth dar. Der linke Flügel zeigt oben
Maria’s Vermählung, unten Christus unter den Lehrern im Tempel. Diese
Gemälde können nur von einem großen Meister stammen.
Wir
kommen nun bei diesem Altar nochmal auf die Schnitzkunst zurück. Ueber
dem Schreine und Hauptbilde, in einer kleinen Nische, erhebt sich nämlich
noch ein Werk dieser Kunst, Christus als Weltenrichter, neben ihm posaunende
engel, unter ihm Maria und eine Schaar anderer Heiligen. Zur Seite unter
diesem Bilde rechts zeigt ein anderes die Einführung der Seligen in
das ewige Leben, während auf dem Bilde links der geöffnete Höllenrachen
die Verdammten verschlingt. Ueber der Nische mit dem Weltenrichter steht
frei der heil. Michael mit Schwret und Wage, ein bedeutungsvoller Abschluß
des ganzen geistvoll und kunstreich durchgeführten Werkes, welches
mit dem Neubaue der Kirche zu Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden sein
mag.
An
der Rückseite des Altares hinter der Predella halten zwei gemalte
Engel das Schweißtuch mit dem Antlitz des Heilandes. Darunter kritzelte
eine Hand die Worte: Jhesu fili Die uivi miscrere nobis. 1515. Osualdi.
Das
Sakrament-Gehäuse ist links vom Altare an der Wand aufgestellt. Ueber
zwei hohen Stufen erhebt sich auf einem dreigetheilten, zierlichen Sockel
ein gewundener Säulenfuß, auf welchem das länglich viereckige,
mit eisernem Gitter verschlossene ehemalige Behältniß des Sakramentes
ruht. Außen über demselben steht in gothischen Formen die Schrift:
15
Hans .. dhvm 09.
Das
Ganze schließt mit einem zierlich gehauenen thurmartigen Aufbaue
mit schöner Fiale; in demselben steht Christus auf einer Säule,
auf dem Haupte eine gewundene Krone tragend.
Laut
obiger Inschrift würde der Meister, welcher dieses Werk fertigte,
hans Dhum [Thum] heißen und die Ausführung beiläufig mit
der Zeit des Kirchenbaues zusammenfallen.
Dorf-Kemnaten
besaß ein Frühmeß-Beneficium, welches im Jahre 1397 durch
die Pfarr-Angehörigen von Kemnaten unter Beihilfe des Ritters Friedrich
von Kemnaten in die Pfarrkirche auf den Altar der heil. Katharina gestiftet
und mit Zinsen, Gilten und Grundstücken daselbst begabt wurde. Bischof
Burkhart von Augsburg confirmirte diese ewige Messe am 6. März 1398
und bestimmte, der Frühmesser habe täglich uf dem genannten Altare
die heil. Messe vor der Pfarrmesse (ante missam publicam) zu lesen, dürfe
dem Pfarrer in seinen Rechten nicht hinderlich sein, habe aber in Nothfällen
ihm auszuhelfen und solle ihm bei den Gottesdiensten und Processionen an
den Sonn- und Festtagen zu Handen sein (tanquam assiduus cooperator et
adiutor plebano intendat diligentius et assistat); das Präsentations-Recht
zu diesem Beneficium habe der Deutschordens-Commenthur von Öttingen
zu üben5).
Nachdem
Dorf-Kemnaten protestantisch geworden, ging die Frühmesse während
des 16. Jahrhunderts ein; ihre Grundstücke und Gefälle wurden
damals der Pfarrpfründe beigegeben unter der Obliegenheit, zur Besoldung
des Schulmeisters einen Beitrag zu leisten.
Zum
Pfarrsprengel gehörten Dorf- (Unter-) Kemnaten, sechs Häuser
in (der Halsbachischen Filiale) Haslach, welche früher drei Höfe
gewesen waren, die Wizels (Witzmanns-) Mühle und der Anger-Hof. Die
ehemalige Zugehörigkeit der beiden letztern Orte zur Pfarrei Dorf-Kemnaten
geht schon daraus hervor, daß sie in der Groß- und Kleinzehentflur
dieser Pfarrei lagen, und daß Katholiken, welche in denselben wohnten,
an den protestantischen Pfarrer von Dorf-Kemnaten die Stolgebühren
entrichten mußten. Gegenwärtig sind die in dieser Pfarrei wohnenden
Katholiken in die katholische Pfarrei Halsbach eingepfarrt (Min.-Reskr.
v. 8. Apr., Ord.-Dekr. v. 19. April 1848); nur die des Anger-Hofes gehören
nach Groß-Orenbrunn (s. ob. S. 406).
Dominikanerinen-Kloster
zu Dorf-Kemnaten.
In
Dorf-Kemnaten bestand von 15. zum 16. Jahrhundert über hundert Jahre
lang ein Frauenklösterlein vom Orden des heiligen Dominikus; es lag
hart an der Kirche, auf der sich nach Westen ausbreitenden Fläche.
Von wem es gegründet wurde, wissen wir eben so wenig, als uns die
Zeit seines Entstehens genau bekannt ist; vermuthlich erwuchs dasselbe
aus einem Beghinen-Hause, nämlich aus einem Vereine reilgiöser
Frauen und Jungfrauen ohne bestimmte Regel, welche, als die Bischöfe
von Augsburg auf Einführung eines geregelten geistlichen Lebens in
solchen Häusern drangen, hier die dritte Regel des heiligen Dominikus
annahmen. Gewiß ist nur, daß der Frauen-Convent zu Dorf-Kemnaten
im J. 1435 die kirchliche Anerkennung und Bestätigung erhielt; denn
in einer noch vorhandenen Urkunde vom 20. April 1474 erklärte der
Convent, das Kloster sei im Anfange seiner Bestätigung und Confirmation
im vergangenen Concilium zu Basel am 20. Juli 1435 vom päpstlichen
Legaten, Cardinal Julian, an Bürgermeister und Rath der Stadt Dinkelsbühel
in Schirms Weise befohrel worden6).
Am 30. Mai 1447 ertheilte Markgraf Albrecht von Brandenburg den geistlichen
Jungfrauen der Klause zu Kemnaten die Befreiung von Entrichtung einer jährlichen
Gilt von sechs böhmischen Groschen an den Kasten zu Truhendingen7).
Am 14. Jan. 1467 verkauft Kunz Widenmann von Dorf-Kemnaten "„en gaistlichen
betschwestern in dem gotzhus zu Kemnaten vnd irem pfleger Lasarius [Lazarus]
Berlin, burger zu Dinkelspüchel,“ sein Holz zu Dorf-Kemnaten für
neunzehn rhein. Gulden8). Auch andere
kleinere Güter und Liegenschaften wurden allmälig für das
Kloster erworben.
Die
Unterordnung unter den Schutz der Reichsstadt Dinkelsbühel erneuerte
Kloster Kemnaten für ewige Zeiten in einer Urkunde vom 20. April 14749).
Der Rath von Dinkelsbühel ließ, so lange das Kloster bestand,
die zeitlichen Angelegenheiten desselben durch eigene Pfleger aus seiner
Mitte verwalten.
Die
Klosterschwestern zu Kemnaten beobachteten, wie gesagt, die dritte Regel
vom Orden des heil. Dominikus; ihre unmittelbare Vorsteherin führte
den Namen Mutter, später Priorin; geistliche Ordens-Aufsicht und Leitung
übte der Prior eines benachbarten Dominikaner-Klosters, über
ihm der Provincial-Minister der oberdeutschen Dominikaner-Provinz. Das
Klösterlein heißt gewöhnlich Klause oder Sammlung zu Kemnaten,
auch Maria-Kemnaten, Prediger-Ordens der dritten Regel. Im Jahre 1474 wohnten
in demselben acht Schwestern.
Von
den Müttern und Priorinen sind uns aus Urkunden nur die folgenden
bekannt:
Margaretha
Sost, Mutter, 1474.
Katharina,
Mutter, 1497.
Cäcilia
Bogner, Priorin, 1516, 1519. 1522.
Katharina
Hilber, Priorin, 1530.
Die
Letzgenannte schloß am 8. Nov. 1530 für sich und ihren Convent
einen Vergleich mit der Gemeinde Dorf-Kemnaten wegen einiger vom Kloster
zu Beund- und Gartenrecht eingefangenen Feldungen10).
Es ist dieses der letzte bekannte Akt, welchen Kloster Kemnaten vollzog;
das Eintreten des Protestantismus in diese Gegend brachte für die
Klostergemeinschaft die Auflösung. Den bestimmten Zeitpunkt und die
nähern Umstände dieser Auflösung kennen wir nicht; vielleicht
fand dieselbe in der Periode vor 1549 Statt, in welcher die Schirmherrin
des Klosters, die Reichsstadt Dinkelsbühel, von einem ganz protestantischen
Magistrate regiert wurde. Später aber finden wir das Klostergut von
Kemnaten wieder im Besitze des Dominikaner-Ordens, und eine im Ordensverbande
lebende Schwester von Kemnate, Frau Maria Binder, wird noch im J. 1561
genannt. Um das J. 1560 verkauften aber die Obern des Dominikaner-Ordens
das Kloster Kemnaten an das Hospital zu Dinkelsbühel. Wir entnehmen
Dieses einer Urkunde vom 26. Mai 1561, laut welcher Bürgermeiste rund
Rath von Dinkelsbühel bekennen, sie seien dem geistlichen Herrn Wilhalm
Brand, Prior Provincial Prediger-Ordens in Ober-Deutschland, hinterstellig
und schuldig worden 1450 Gulden Dinkelsbühler Wärung „an der
Kaufsumma vmb der Clausen oder Klösterlein Mariä Kemnatten, so
sein Erwirden vns vnd vnsern verordneten Pflegern vnd Meistern vnserer
armen Leut Spitals zum heil. Gaist mit Consens Herrn Vincentii Justiniani
Chien., des ganzen Prediger Ordens Maiser und Generals, deßgleichen
auch der würdigen Frauen Maria Binderin, der letzten Schwester der
Clausen Kemnaten, eines rechtmäßigen Kaustituls zu kaufen geben
hat,“ und verpflichten sich zur Bezahlung in bestimmten Fristen11).
Das Spital scheint das Klostergut von Kemnaten bald wieder veräußert
zu haben; Näheres darüber ist aber nicht bekannt.
Als
ehemalige Zugehörungen des Klosters werden in einer Dorf-Kemnater
Anlage-Tabelle vom J. 1733 aufgeführt: an Äckern 36 ½
Morgen, an Wiesen 14 ¼ Tagw., vier Weiherlein, 15 Tagw. Holz und
ein Garten12).
Das
Klösterlein Dorf-Kemnaten ist nun bis auf den letzten Rest von der
Erde verschwunden; nur stehen hinter der Kirche die Gartenmauern noch zum
Theile, und seitwärts die Ökonomie-Gebäude, deren Besitzer
heute noch der Klosterbauer heißt. Links in der westlichen Giebelmauer
der Pfarrkirche zeigt sich in der Form eines Fensters noch die Thüre,
durch welche die Schwestern ehemals aus ihrem Kloster zu Kirche und Chor
gingen.
Abgegangen
bei Dorf-Kemnaten ist:
Hanenberg,
ein Hof.
Ihn
nennt eine Urkunde des Klosters Mönchs-Roth vom 4. Juli 1360, laut
welcher dieses Kloster einen Zins aus einem Viertheile „dez hofes, der
gehaizzen ist der Hanenberg“, bezieht13).
Eine Feldung bei Kemnaten heißt jetzt noch der Hanenberg.
1
– den kirchsatz halben ze Vfkirchen vnd den kirchsatz halben ze Kemeneten
vnd allez das reht daz darzu gehöret in dorfe an velde vnd in holtze.
Urk. vom Montage vor Allerheiligen 1324, in München; s. ob. S. 443.
2
Recognoscimus – ecclesiam parrochialem in Kemnaten nostre dyocesis vacare
ex eo, quod religiosus ac strennuus vir Fr. dictus Tetenanger, quondam
prescripte ecclesie rector, ordinem fratrum Thevtonicorum ingressus est
et professus – et per consequens dictam ecclesiam parrochialem in Kemnaten,
cuius ius patronatus religiosis viris ... commendatori et conuentui fratrum
Thevtonicorum domus in Oetingen nobis in Christo dilectorum pertinet pleno
iure, cum suis iuribus, prouentibus et obuencionibus omnibus et singulis
eisdem commendatori et conuentui ac –per eos eorum mense perpetuo oncorporatam
esse pariter et vnitam auctoritate et vigore priuilegiorum ipsis ac eorum
ordini a sede apostolica indultorum. Urk. Bischof Friedrich’s dat. Auguste
VIII. Kalend. Novembr. 1330, in München.
3
1. Die kleinere hat unter der Krone auf einem von gothischen Ornamenten
begleiteten Bande die Umschrift: Anno Fascicvli mirre commorantis inter
vbera dilecte M°. XXXIJ°. Ivlii xxx°. aptabar eterno.
Die Schrift zeigt gothische
Minuskeln. Zwischen die einzelnen Worte sind allerlei Zeichen gegossen:
zierlich geformte Kreuze, Glocken, Rosen u. A. Zwischen den Worten vbera
und dilecte trägt die Glocke in einer Rahme unter schöner gothischer
Baldachin-Verzierung das Bild der heil. Maria, stehend, mit dem Jesus-Kinde
auf dem linken Arme, auf dem Haupte eine Krone mit Lilien-Zacken. Diesem
Bilde des neugeborenen Heilandes und der erfreuten Mutter entgegengesetzt
steht auf der andern Seite der Glocke zwischen den Worten eterno und anno
in einer Rahme mit ähnlicher Verzierung das Bild des gekreuzigten
Heilandes mit der leidenden Mutter und mit Johannes.
Die Jahreszahl M. XXXIJ
(1032) kann unmöglich richtig, die Glocke unmöglich im 11. Jahrhunderte
gegossen sein; denn Alles an derselben, Form, Schrift, Bild, Ornament,
ist rein gothisch und weist entschieden auf das 15. Jahrhundert. Es muß
daher angenommen wwerden, daß im Gusse bei der Jahreszahl das Zeichen
für 400, CCCC., weggelassen wurde, und daß die vollständige
Zahl heißen solle: M. CCCC. XXXII (1432).
Der Fasciculus mirre commorans
inter ubera dilecte, hergenommen aus der Stelle des Hohenliedes I, 12:
fasciculus myrrhae dilectus meus mihi, inter ubera mea commerabitur, ist
offenbar das durch das beigefügte Bild veranschaulichte Jesus-Kind
an der Brust seiner Mutter, und der Sinn der Inschrift ist hienach: Im
Jahre nach der Geburt Christi 1[4]32 am 30. Juli wurde ich für den
ewigen Gott zubereitet.
3. Auf der größern
steht, gleichfalls in gothischen Minuskeln: Zv gottes lob vnd dinst gehör
ich, Hans glockengiser zv Nvrmberg gos mich.
Zu Anfang dieser Schrift
ist ein Kreuz, in der Mitte und am Ende je eine Lilie eingegossen. Es folgen
dann noch ein paar Worte, deren sichere Lesung, weil ein Balken des Glockenstuhles
sie bedeckt, mir nicht möglich war. Eine Jahreszahl findet sich auf
der Glocke nicht; es weist aber die Form der Schrift und des mit ihr um
die Glocke laufenden schönen gothischen Frieses auf den Ausgang des
15. oder den Anfang des 16. Jahrhunderts als die Zeit ihrer Entstehung.
Auf derselben finden sich erhaben vier Bilder: Christus am Kreuze mit Maria
und Johannes, entgegengesetzt eine Gruppe von zwei (durch den Glockenstuhl
verdeckten und darum nicht recht erkennbaren) Heiligen; St. Laurentius
und gentgegengesetzt St. Appolonia.
4
Ueber derartige Auffassungen der [immaculata] conceptio B. M. V. s. d.
Art St. Anna in Dr. J. E. Stadler’s Heiligen-Lexicon 1, 222.
5
Urkk. in München.
6
S. unt. Not. 9.
7
Hist. u. stat. Beschr. des Rezat-Kreises 2, 20.
8
Spital-Urk. in Dinkelsbühel.
9
„Ich Margaretha Sossstin die muter vnd wir die swester all gemainlich der
clausen zu Dorffkempnaten in Augspurger bistum gelegen, mit namen Anna
Wannerin, Susanna Bezlerin, Cristina Gablerin, Anna Chünin, Vlins
tochter, Margaretha Sprenntzin, Walpurga Schererin vnd Margaretha Weigkin,
Brediger ordens, bekennen offenlich fû vnns, vnnser clausen vnd vnnser
nachkomen vnd thvn chunt allermenigklich mit disem brief, als wir vnd vnser
güter im anfang vnnser bestattigung vnd confirmacion in dem vergangen
concili zu Basel durch den hochwirdigsten in gott vatter vnd herren herren
Julian von gottlicher erbermde des titels sancte Sabine der heiligen romischen
kirchen cardinal zu teutsch des heiligen engels genannt, desmals in teutschen
landen des babstlichen stuls legat, den ersamen vnd weisen burgermaister
vnd rate der stat zu Dinckelspühel in schirms weiss beuolhen sein,
nach lautt seiner hochwirdigkait brief an die obgenannten von Dinckelspühel
darumb ausgangen vnd am datum halltende zu Basel am zwainczigsten tag des
monads Jvlii anno domini M° CCCC° xxx quinto. So mu die obgenannten
burgermaister vnd rate zu Dinkelspûhel vnser vorfaren, auch vns vnd
vnser clausen hab vnd gût nach lautt des obgenannten beuelhbriefs
vnd auch vmb vnsser vnd vnser vorfaren vleissiger bett willen bissher in
getrewer beuelhnuss gehabt vnd beschirmt haben, damitt dann solich gutwilligkait
auch der getrew schirm – nit gemyndert, sunder gemert wird – so haben wir
– mit gunst wissen vnd willen des erwirdigen vnd gaistlichen vatters herrn
Egidien Swertmann, prior des gotzhauss zu Eystet Prediger ordens, als vnnser
vnd vnnser clausen oberer, den obgenannten burgermaister vnd rate zu Dinkelspûhel
fûr vns, vnnser clausen vnd alle vnser nachkomen versprochen vnd
verhaissen, versprechen vnd verhaissen in krafft dits briefs, das wir,
vnnser claus vnd all vnser nachkomen, auch alle vnd jeglich vnnser vnd
vnnser clausen hab vnd gûter – hinfûro zv ewigen zeiten in
der obgenannten burgermaister vnd rats zu Dinckelspûchel vnd
irer nachkomen schutz vnd schirm sein vnd beleiben vnd kainen andern herren
noch schirm wider iren willen nicht sûchen noch nehmen sollen noch
wollen“. Wilhelm Schenk von Geyrn zu Geyrn der ellter vnd Dietrich Kempnater
zu Liebeneck sigeln, „wan wir aigens insigels nit haben“; auch der prior
Egidius Swertman sigelt. Urk. vom Mittwoch vor sand Georgen tag 1474, im
Stadt-Archive zu Dinkelsbühel, in welchem sich unter den Spital-Urkunden
einige Briefe der Klause Kemnaten gerettet haben.
Eigene Klostersiegel, und
zwar eines für die Priorin, ein anderes für den Convent, erscheinen
das erste Mal an einer Urkunde vom 4. Sept. 1522 (ib.), laut welcher das
Kloster eine Hofraite mit Grundstücken zu Kemnaten "„en armen sondersiechen
vor der stadt Dinkelspühel nechst bei sant Lienharts capellen“ verkauft.
Das Siegel der Priorin zeigt im Schilde die Monogramme der Namen Jesus
Christus ... und in gothischen Buchstaben die Umschrift: Prior. zv Kematen
S. Dominicus orden; das des Conventes trägt im Wappen die heil. Katharina
von Siena, in ganzer Figur, mit der Rechten ein Herz mit einem Kreuze darüber,
mit der Linken einen nicht kenntlichen Gegenstand haltend; Umschrift: S.
Convent vnd priorin zv Kemnatten prigiger ordens.
10
Urk. im Gemeindeschrein zu Dorf-Kemnaten.
11
Spital-Urk. in Dinkelsbühel.
Nach einer in Dorf-Kemnaten
bestehenden Ueberlieferung sollen die Klosterfrauen bei Aufhebung des Klosters
nach Herrieden gezogen sein.
12
Notiz im Pfarrbuche zu Dorf-Kemnaten.
13
Urk. abschr. in Wallerstein.
Erstellt
am 7. März 2004 durch Hans Ebert