Nachtrag
zur Protestantisirungs-Geschichte Dinkelsbühel’s.
Nachdem die oben S. 258
– 260 dargelegte Protestantisirungs-Geschichte Dinkelsbühel’s schon
gedruckt und ausgegeben war, fand ich im bischöflichen Archive noch
einen Schriftwechsel des Bischofs Christoph von Stadion mit dem Rathe von
Dinkelsbühel und mit dem Propste von (Mönchs-) Roth aus dem Jahren
1530 und 1531, welcher die an geführte Darstellung im Wesentlichen
bestätigt, zugleich aber die sonst dürftigen Nachrichten über
jene Vorgänge in willkommener Weise ergänzt und erweitert.
Aus
dem erwähnten Schriftwechsel entnehmen wir nun, daß der Rath
von Dinkelsbühel schon im J. 1530 allen Ernstes bestrebt war, das
Kloster Rothische Patronat der Stadtpfarrei zu seinen Handen zu gewinnen;
daß Zänkereien zwischen dem Rathe und dem Propste von Roth über
Bestellung eines Pfarrers und der übrigen Seelsorge-Priester bestanden,
welche Bischof Christoph mit einer Dinkelsbühler Botschaft bei Gelegenheit
des Augsburger Reichstages beizulegen suchte, ohne den gewünschten
Erfolg erzielen zu können; daß Kloster Roth dem Rathe Nichts
mehr recht thun konnte, und daß dieser in kurzer Zeit drei Pfarrer
(vicarii perpetui), welche der Propst präsentirt und der Bischof investirt
hatte, abwies und zum Theile sogar aus der Stadt vertrieb, weil sie in
altkatholischer Richtung predigten und handelten; daher eine Hand in der
bsichöflichen Kanzlei auf eine Beschwerde des Rathes gegen Kloster
Roth am 8. Juli 1531 die Bemerkung setzte: „Man merckhts, das sy Vrsach
suechen, den Lutter einzelassen.“
Der dritte jener von Roth
präsentirten Pfarrer war Hans Brecheisen, ein betagter Priester von
entschieden katholischer Gesinnung. Darum haßte ihn der Rath, stellte
gegen ihn Klage beim Bischofe, weil er rumorisch sei und wider den Rath
geschmäht habe, und verlangte seine Abschaffung. Die Verantwortungsschrift,
welche Pfarrer Hans Brecheisen um die Mitte des Monats Juni 1531 über
diese Klage beim Propste von Roth einreichte, eröffnet einen tiefen
Blick in die religiöse Spannung, welche zu jener Zeit, mehr im Stillen
als offen, die Stadt durchgährte.In der Seelsorge wirkten damals der
Pfarrer und zwei Helfer (Kaplane); der Prediger der Pfarrkirche predigte
an Sonn- und Feiertagen Morgens 6 Uhr, der Pfarrer beim Hoch-Amte. Der
Rath hatte aber, um Brecheisen’s Wirksamkeit zu schwächen und die
des lutherisch gesinnten Predigers zu fördern, eigenmöchtig befohlen,
daß nun dieser beim Amte, jener aber in der Frühe zu predigen
hätte. Der Prediger, welchen Brecheisen nicht mit dem Namen bezeichnet,
ist wahrscheinlich der oben S. 259 genannte Kunrat Abele (Abelius); er
ist Brecheisen’s heftigster Gegner, nennt ihn auf der Kanzel einen Papisten
und Ketzer, schmäht „der Papisten Meß“ eine Gotteslästerung
und spendet das Abendmahl unter beiden Gestalten. Dagegen eifert Brecheisen
auf der Kanzel derselben Kirche für die Communion unter der Einen
Gestalt des Brodes und bezeichnet den Prediger in seiner Schrift, wie er
es wahrscheinlich auch auf der Kanzel that, als einen ausgelaufenen, weineiidgen
Münch, der sein liebes, einfältiges Volk so elendlich verführe.
Von den beiden Helfern ist einer dem Pfarrer treu; der andere, Namens Hans
Hesold, steht auf Seite des Predigers und spendet, wie dieser, das Abendmahl
unter beiden Gestalten. Von Laien in der Gemeinde, welche sich der neuen
Glaubensrichtung zugewendet hatten, wird genannt der Stadtschreiber, der
mit seiner Frau unter beiden Gestalten communicire; Melchior Schwarz aus
dem Rathe, der den kaiserlichen Rath des Augsburger Reichstages öffentlich
dem Rathe Caiphä und Herodis verglichen und gesagt habe, es sei verdammlich
und nicht recht, das hechwürdig Sakrament unter Einer Gestalt zu empfahen;
ein gewisser Küpfenhans und Jakob Geiger, genannt Mair, die Dasselbe
gesagt hätten. In der Bürgerschaft zählten Jene, welche
die Communion nicht mehr unter Einer Gestalt empfingen, nach Brecheisen’s
Angabe damals schon nach vielen Hunderten. Gegen Letztern blieb der Rath
unversöhnlich; er schaffte ihn endlich ab und ließ ihn am 3.
Juli 1531 durch den Stadtknecht über die Stadtgrenze wegführen72).
Unterdessen
wurde die Spannung zwischen Dinkelsbühel und Roth immer größer,
das Verlangen der Stadt nach dem Rothischen Kirchen-Patronate immer heftiger,
die Gefahr des Abfalles Dinkelsbühel’s von der katholischen Kirche
immer drohender; daher endlich Bischof Christoph dem Verlangen der Dinkelsbühler
nach dem Patronat-Rechte der Pfarrei, um Ruhe für Kloster Roth und
für die katholische Stadtgemeinde zu gewinnen, selbst nicht mehr widerstand.
So kam es zum Akte vom 28. Febr. 1532, durch welchen Kloster Roth dem Magistrate
von Dinkelsbühel das Patronat der Pfarrkirche und der Kaplanei B.
Mariae V. mit gewißen Zehenten und andern Renten ohne alle Entschädigung
überließ73). Damit war
zu Bestellung der Seelsorge mit protestantisch gesinnten Geistlichen und
zur völligen Protestantisirung der Stadt der Weg frei gemacht, und
es entwickelten sich nun jene Vorgänge und Zustände in Dinkelsbühel,
welche oben S. 250 ff. sich dargestellt finden.
72)
Auch Dek. Joh. Franz Botzenhard zu Dinkelsbühel erzählt in einem
am 25. Jan. 1744 beim Ordinariate vorgelegten Berichte über die alten
Kaplaneien Dinkelsbühel’s diese Wegführung des Pfarrers Brecheisen,
„weil er contra consules, als die zur lutherischen Religion haben Neigung
tragen wollen, übel geredet haben solle.“ Botzenhard spricht in diesem
Berichte überhaupt von Bedrückungen und Verfolgungen, welche
vom Jahre 1526 an, hauptsächlich aus Veranlassung des apostatirten
Stadtschreibers Hans Balthart und seiner Consorten, über die katholischen
Geistlichen der Stadt hereingebrochen seien, und führt außer
obigem Falle Brecheisen’s aus seinen „in Hand habenden Akten und Documenten“
noch Folgendes an:
Im J. 1526 sei M. Martin
Zeitmann capellanus, weil er contra filias Evae zu viel geredet haben solle,
per lictores civitatis zum Rotenburger Thore hinausgeführt worden;
am 6. Sept. 1529 sei dem Kaplan Thomas Heckenmüller durch zwei abgefallene
Rathsherrn, Matthäus Röser und Hans Sänglin, sein Beneficium
aufgesagt und er in den sogenannten grünen Thurm, welcher unter den
dahier stehenden 24 Thürmen der allerhöchste zu sehen, in gleicher
Maas in die Niedere zu einer ohnleidentlichen Gefängnus sich hinabgibt,
an einem Seil hinabgelassen und etliche Tage lang darunten aufbewhalten
worden; im J. 1533 sei Ägydius Fabri, so zwanzig Jahre lang in der
Hospital-Kirche sacellanus gewesen, dermassen bedrangt worden, daß
er sein Beneficium aufgegeben; obiger Mart. zeltmann habe zwar in die Stadt
wieder zurückkehren dürfen, sei aber nach Abschluß des
Vertrages mit Kloster Roth vom J. 1532 über Abtretung der Stadtpfarrkirche,
weil man ihn fälschlich beschuldigt, er habe an der Übergabe
Hinderung gethan, vor dem Glockenhaus durch die Büttel wiederum hinausgeführt
worden.
73)
Es wurde oben S. 258 angegeben, der Propst von Roth habe im J. 1532 bei
Überlassung seines Dinkelsbühlischen Kirchen-Patronates an die
Stadt seine Dinkelsbühler Zehenten und andere Gefälle für
tausend Goldgulden an dieselbe Stadt verkauft. Diese Angabe gründete
sich zunächst auf die Behauptung in Lang’s Beschr. des Rezatkr. 2,
11: „Dagegen kaufte ihm [dem Propste] die Stadt den auf der städtischen
Markung bisher bezogenen Zehenden um die beträchtliche Summe von 1000
Goldgulden ab“, - welche wie ich annahm, sich auf eine verlässliche
Quelle stützen mußte. Auf Grund der fortgesetzten Forschungen
über die Geschichte Dinkelsbühel’s und der mitlerweile gewonnenen
Documente gelangte ich aber zu der Überzeugung, daß jene Angabe
über den Zehentkauf für tausend Goldgulden unrichtig sei, daß
vielmehr Kloster Roth bei Abtretung seines Kirchen-Patronates auch seine
Zehenten aus einem gewißen Bezirke um Dinkelsbühel unentgeltlich
an die Stadt überlassen habe. Denn: Die oben S. 258 angeführte
Kloster Rothische Cessions-Urkunde vom Mittwochen nach dem Sonntage Reminiscere
(28. Febr.) 1532 sagt einfach, „Propst und Convent habe an Bürgermeister
und Rath der Stadt Dinkelsbühel lauterlich durch Gotteswillen übergeben
ihre Lehenschaft, jus patronatus und Collation der Pfarrkirche zu Dinkelsbühel
mit sammt etlichen Renten, Zinsen und Gilten, dazu die Lehenschaft und
jus patronatus der Kaplanei Unser lieben Frauen Altars in bemelter Pfarrkirche
mit sammt allen Renten, Gilten und Zinsen, auch der zweier Häuser
zu gedachten Pfarrlehen und Kaplanei gehörig“; von einer Geld-Entschädigung
für abgetretene Zehente findet sich in der Urkunde nicht eine Silbe.
Eben so wenig wird einer solchen Entschädigung in dem Reverse gedacht,
welchen Bürgermeister und Rath wegen Ueberlassung der erwähnten
Patronat-Rechte an demselben Tage dem Kloster Roth ausstellten. Eine Urkunde
abe, welche über den angeblichen Verkauf und die Leistung von tausend
Goldgulden ein Zeugnis enthielte, hat sich bisher nirgends gefunden. Es
scheint vielmehr, daß die fragliche Behauptung auf Gru nd sagenhafter
Überlieferung erst in den confessionellen städtischen Streitigkeiten
des vorigen Jahrhunderts von protestantischer Seite geltend gemacht worden
sei, wie es gewiß ist, daß von katholischer Seite damals in
geschriebenen und gedruckten Deduktionen auf das Entschiedenste gegen diese
Behauptung angekämpft wurde.
Es wurde oben S. 257
einer Sage erwähnt, wonach die Pfarrkirche des Dorfes Segringen ehedem
die Mutterkirche von Dinkelsbühel gewesen wäre. Die angeführten
Aktenstücke von 1530 und 1531 sprechen für die Wahrheit dieser
Sage. Denn gegen die Anforderungen der Dinkelsbühler auf Zehente im
Bezirke von Dinkelsbühel machte der Propst von Roth geltend, er sei
befugt, ihnen gar keinen Zehenten zuzugestehen, „dann Segering sey die
Mutterkirch, und Dinkelspühl von Alter ein Filial und Tochter.“ Die
Überlassung von Zehenten, Gilten und Zinsen der Pfarrei an Dinkelsbühel
geschah natürlich mit der Auflage, daß nun die Stadt auch die
Besoldung des Pfarrers übernehme, wofür zu sorgen bisher Kloster
Roht verpflichtet gewesen war.
Erstellt
am 7. Februar 2004 durch Hans Ebert