Ungefähr mitten in
der Stadt Dinkelsbühel steht die katholische Pfarrkirche S. Georgii,
ein herrliches gothisches Bauwerk, welches massenhaft über alle Gebäude
der Stadt emporragt und Dinkelsbühel’s größter Schmuck
ist. An ihrer Stelle stand gewiß schon in der vorgothischen Zeit
eine stattliche Kirche. Davon zeugt noch ein großartiger Ueberrest,
nämlich der im romanischen Style gebaute massive, feste Thurm, welcher
sammt dem schönen romanischen Portale, das, den Thurm durchbrechend,
von Westen her in die Kirche führt, beim gothischen Neubaue am Westgiebel
der Kirche stehen blieb.
Am
Aftermontage nach Mitfasten (16. März) des Jahres 1444 wurde der erste
Stein zur gegenwärtigen St. Georgi-Kirche gelegt. Wer den Entwurf
zum Werke gefertigt und den Bau in der ersten Zeit geleitet habe, steht
mit Sicherheit nicht fest. Aus späterer Zeit kennen wir zwei Meister,
welche am Baue dieser Kirche thätig waren: Nicolaus Esser der alte
und Nicolaus Esser sein Sohn. Sie setzten ihre Namen, als sie die Einwölbung
des Chores vollendet hatten, in das mittelste Gewölbefeld hinter dem
Hoch-Altare mit der Jahreszahl 149233).
Am Freitage nach Gallus (17. Okt.) 1488 consekrirte der Weihbischof von
Augsburg, Ulrich, Bischof von Adramyt, die Pfarrkirche, und am 18. Okt.
1497 weihte der Weihbischof Johannes, Bischof von Adramyt, den Hoch-Altar
in der Ehre der heil. Maria, des heil. Georg und danderer Heiligen34).
Dessenungeachtet war aber die Kirche noch nicht ausgebaut; erst am Tage
des heil. Apostels Matthäus im Jahre 1499 wurde der Bau als vollendet
angesehen35).
Die reiche Stadt, die reichen
Stiftungen, Kloster Hirschau und die mit Indulgenzen begabten Opfer der
Gläubigen von nah und fern boten wahrscheinlich zusammen die Mittel
zu diesem Gottesbaue. Besonders war es die Bruderschaft SS.mi Corporis
Christi, welche aus ihrem Vermögen reichlich zum Baue beisteuerte.
Die
Kirche zu Dinkelsbühel, aus graugrünen Quadern aufgebaut, ist,
abgesehen von dem romanischen Thurme und Portale an der Westseite, ein
Werk aus Einem Gusse. Sie erscheint als eine der großartigsten Hallenkirchen
in Deutschland und ist sicherlich die schönste Kirche im Bisthume
Augsburg. „Die Dimensionen“, sagt Sighart (Gesch. der bildenden Künste
in Bayern, 472), „sind ebenso bedeutend, als die schlanken Verhältnisse
schön und Wohlthuend. Hochstrebend, solid, einfach und doch elegant,
ist diese Kirche ein Bau, dem wenige der Zeit vorzuziehen sind“. Im Einzelnen
möge über dieses herrliche Bauwerk theils nach der genauen technischen
B eschreibung von Adalb. Grimm (Augsb. Postzeitung 1855, Beil. 92 ff.),
theils nach meiner eigenen Anschauung das Folgende angeführt werden.
Dieselbe schöne Gliederung,
welche im Innern der Kirche die Pfeiler, Dienste und Fenster hervorbringen,
wird in gleich gelungener Weise im Aeußern an den beiden Langseiten
und der Ostung bewirkt durch die Fenster, deren tiefe Wangen durch Stäbe
und Kehlen gegliedert sind, durch die sieben und zwanzig Strebepfeiler,
durch den profilirten Sockel mit seinem Wasserschlag-Gesimse in der Höhe
der Fensterbank, durch die Absätze der Pfeiler, indem diese sich durch
je zwei Schräg-Gesimse verjüngen und unter dem Dache mit einem
schön geformten Giebel, zierlich abschließen, endlich durch
das Kranzgesims, das längs des Daches den ganzen Bau umläuft.
An jeder der beiden Langseiten sind zwei Portale angebracht, welche immer
eine zwischen zwei Strebepfeilern eingesprengte Vorhalle vor sich haben,
die sich bald in Rund-, bald in Spitzbogenform nach außen öffnet,
ein Gurtengewölbe über sich hat und an den Wandungen mit Stabwerk
und Kehlungen schön profilirt ist. Im südwestlichen Portale,
dem Haupt-Eingange von der Stadt her, bilden zwei durch einen Pfeiler getrennte
Spitzbogen die beiden Eingangsthüren. Ueber diese beiden Bogen spannt
sich ein dritter größere, dessen Bogenfeld (Tympanon) von einem
Bildwerke mit der Legende St. Georg'’, des Drachentödters, geziert
wird, einer schönen Arbeit von gebranntem Thone, wahrscheinlich aus
dem Anfange des 16. Jahr. Vom Giebelfelde des südöstlichen Portales
blickt auf die Eintretenden eine schöne heil. Maria. An der Nordseite
scheint eine der Vorhallen nicht ganz zur Ausführung gekommen zu sein;
die Giebelfelder der beiden nördlichen Portale sind leer.
An
der Nordseite, nahe der Ostung, sollte nach dem Plane des Baumeisters ein
möchtiger Thurmbau sich erheben. Zwei und zwanzig Fuß tief hatte
er den Grund gefestet.36), sieben
und dreißig Fuß mißt der Durchmesser des Thurm-Quadrates,
acht Fuß die Dicke der Mauer. Nur das Erdgeschoß, in welchem
jetzt die Sakristei sich befindet, ist vollendet; über ihm erheben
sich noch Reste des ersten Stockwerkes, welche theilweise bis zum Dache
der Kirche reichen. Man vermochte nicht, diesen großartigen Thurmbau
zu vollenden. Daher wurde der alte romanische Thurm, welchen man an Westgiebel
der Kirche stehen ließ und erhöhte, in seine Rechte wieder eingesetzt
und blieb Glockenthurm auch der neuen Kirche.
Dieser Thurm, der
nur in seinem untern Theile hohes Alter beansprucht und einst ohne Zweifel
in der Giebelmitte der romanischen Kirche stand, theilt, weil mehr nach
Süden gerückt, den Westgiebel des jetzigen gothischen Baues in
zwei ungleiche Hälften. In die Starrheit dieses Giebelbaues wird durch
viele schmale Spitzbogen-Nischen, welche in ihrer Höhe der Steigung
des Giebels folgen, Leben und Bewegung gebracht. Hart am Thurme nach Norden
erhebt sich ein im Achtecke construirter Treppenthurm. Ein reichverziertes
romanisches Portal, das durch seine tiefe Einziehung eine Art Halle bildet,
durchbricht die Westwand des Thurmes und war einst das Eingangsthor in
die alte, offenbar viel kleinere romanische Kirche. Die Rundsäulen
dieses Portales werden durch Capitäle und Friese geschmückt,
welche zu den schönsten Gebilden romanischer Ornamentik gehören.
Das 12. Jahrh. wird nach allen Anzeichen die Erbauungszeit dieses Portales
und somit auch der ehemaligen Kirche gewesen sein. Der romanischen Periode
gehört übrigens nur das Erdgeschoß dieses Thurmes an; nur
ein schön gegliedertes Fenster im nächsten Geschoße ist
auch noch ein Ueberrest aus derselben. Die Mauermasse verjüngt sich
nun um einen Fuß, wie auch bei den folgenden vier Geschoßen
immer um einige Zolle; die Eck-Lesenen, welche den untern Theil kräftigen
und zieren, bleiben ganz weg, die kleinen Fenster erhalten Spitzbogenform.
Im fünften Stockwerke befindet sich die Glockenstube; ein hohes, zweigetheiltes
Spitzbogenfenster bildet auf jeder Seite die Schall-Oeffnungen. Ueber der
Glockenstube umzieht den Thurm eine Gallerie mit steinernen Brüstungen;
über derselben nimmt der stark verjüngte Thurm die Achteckform
an, steigt noch zwei Stockwerke auf und schließt mit einer niedern
Kuppel. Der Aufbau über dem romanischen Unterbaue, immerhin noch solid
aus Quadern aufgeführt, wird aus dem 16. Jahrh. stammen. Die sechs
Glocken des Thurmes bilden ein prächtiges Geläute37).
Leider wird der durch seine großartige Anlage, durch die Einheit
und Harmonie aller seiner Theile und durch seine reiche bauliche Gliederung
so hervorragende Kirchenbau in der Erhabenheit der Erscheinung beeinträchtigt,
weil er eines mit der Kirche einheitlichen und vollendeten Thurmes ermangelt.
Treten
wir nun in das Innere der Kirche zu Dinkelsbühel, so erscheint uns
dieselbe als eine Hallenkirche, das ist, eine dreischiffige Kirche, deren
Seitenschiffe mit dem Mittelschiffe gleiche Höhe haben. Sie mißt
30‘ in der Länge, 80‘ in der Breite und fast eben soviel in der Höhe.
Sechs und zwanzig Fenster mit schön geschwungenen Spitzbogen und reichem
Maßwerke, jedes wohl 50‘ hoch und durch drei Pfosten in vier Theile
getheilt, gießen reichliches Licht in diesen gewaltigen Raum. Zwei
und zwanzig Pfeiler und sechs und zwanzig Halbpfeiler stützen die
Gewölbe, welche sich durch Rippen zur Netzform bilden und in ihren
Spiegeln farbige Schlußsteine oder Inschriften zeigen. Die Breite
der mittlern Halle beträge 28‘, die der Seitenhallen je 19‘, 6‘ die
Stärke der 19‘ von einander abstehenden Pfeiler, deren Form das über
Eck gestellte Quadrat ist, welches durch angelegte Rundstäbe und Halbrundstäbe
gegliedert und belebt wird, wie die gegenüber liegenden, die Seitengewölbe
mitstützenden Halbpfeiler.
Ueber sechs Stufen gelangt
man vom Mittelschiffe in den Chor. Er schließt nach Osten, indem
das östlichste Pfeilerpaar etwas näher zusammenrückt, dreiseitig,
jedoch offen; die Seitenhallen laufen um ihn herum, ihre Umfassungsmauer
bildet in der Ostung ein Polygon, das die Hälfte eine Zwölf-Eckes
darstellt. Der Inschriften in den drei östlichen Wölbungen des
Chor-Umganges wurde oben S. 271 schon gedacht. Die Schlußsteine der
Mittelhalle sind mit Figuren bemalt, welche von der Westwand zum
Chorschlusse in folgender Ordnung vorschreiten: St. Vitus im Kessel,
St. Georg der heil. Ritter, St. Bartholomäus mit dem Messer, St. Ursula
mit einem Pfeile (es sind diese die vier Patrone der Kirche); die heil.
Maria mit dem Jesus-Kinde; Gott Vater mit der Weltkugel; Christus als Kind,
in der Rechten die Weltkugel haltend, in der Linken das Kreuz; der heil.
Geist in Taubengestalt; endlich zunächst am Hoch-Altare das Wappen
der Stadt Dinkelsbühel, der einköpfige schwarze Adler in der
Mitte, zu beiden Seiten die drei silbernen Bühel mit den drei goldenen
Dinkel-Aehren im rothen Felde. In den Seitenhallen zeigen sich an vier
Schlußsteinen die Symbole der vier Evangelisten, an den übrigen
nur Rosetten. längs der ganzen Westwand läuft, bis zu ersten
Pfeilerpaare hereinragend, eine Empore, welche als Musik-Chor dient; ein
dritter Pfeiler zwischen diesen beiden, die Empore stützend, trägt
auf seinem Capitäle eine bis in die Brüstung der Empore hinauf
reichende Statue des Ecce home, ein edles Bild mit rührendem Ausdrucke
des tiefsten Schmerzes. Die Brüstungsfelder zu beiden Seiten desselben
werden durch die Brustbilder der zwölf Apostel geschmückt.
Aber
erst seit kurzer Zeit prangt das herrliche Bauwerk dieser Kirche wieder
in seiner vollen Schönheit; denn vom J. 1854 an wurde es mit großen
Kosten im Innern und Aeußern auf’s Gelungenste restaurirt, nachdem
König Ludwig I. von Bayern schon im J. 1845 bei persönlicher
Anwesenheit in Dinkelsbühel die Anregung zur Kirchen-Restauration
gegeben hatte. Keine Tünche befleckt mehr Wände oder Pfeiler;
überall tritt der schöne graugrüne Naturstein zu Tage; nur
die mit Ziegelstein gemauerten Gewälbe haben zwischen den Steinrippen,
wie nothwendig, einen gelblichen Ton. Sowohl in die Pfeiler, als in die
Wände mußten zahlreiche, große Werkstücke neu eingesetzt
werden, weil der Unverstand der beiden letzten Jahrhunderte, der kein Gesetz
von Last und Kraft mehr chtete, beim Ansetzen zahlreicher Altäre an
die Pfeiler, beim Ausdehnen der Emporen und Einlassen von Grab-Monumenten
ganze Stücke ausgehauen und viele Bautheile vertümmelt hatte.
So erscheint nur dieses herrliche Gotteshaus wieder wie neu aus seiner
Meister Händen hervorgegangen.
Der Ungeschmack der bezeichneten
Zeiten hatte aber auch in die innere Einrichtung der Kirche eine gräuliche
Verwilderung gebracht; durch eine Masse von Altären, plump und zopfig,
waren die alten schönen Werke gothischer Plastik und Malerei verdrängt
oder in Winkel gewiesen worden, die Wände und Pfeiler der Kirche hatte
man mit modernen Malereien und Schnitzereien angefüllt. Die Restauration
räumte auch mit diesen Ungehörigkeiten gründlich auf und
führte die innere Einrichtung auf eine wohlthuende Würde und
Einfachheit zurück.
In
Folge dieser Restauration kamen bis jetzt fünf Altäre in die
Kirche. Ganz neu ist unter ihnen nur der Chor-Altar, welchen nebst zwei
Seiten-Altären Bischof Michael v. Deinlein am 13. Mai 1857 consekrirte.
Die vier Seiten-Altäre, an die Wände der Seitenhallen des Schiffes
angelehnt, sind aus Resten gothischer Altäre, wie sie ehemals in der
Kirche standen, in Verbindung mit neuern Werken gebildet und in neue Schreine
gothischen Styles gefaßt. Unter jenen Resten befinden sich kostbare
Bilder von schwäbischen Meistern, Gemälde Scheiffelin’s Sculpturen
Syrlin’s u. A.; die neuen Statuen, durchaus schön und edel gehalten,
gingen sammt dem Schreinwerke dieser Seiten-Altäre aus der Werkstätte
Sickinger’s in München hervor.
Außer jenen Resten
alter Malerei und Plastik an den Seiten-Altären befinden sich in der
Kirche noch fünf bemerkenswerthe Werke altdeutscher Kunst: Der ehemalige
Ciboriums-Altar, das Sakrament-Häuschen, der Taufstein, die Kanzel,
und eine durch Plastik und Malerei gemeinsam gebildete große Tafel.
Jene
Altäre aus mittelalterlicher Zeit, deren Tisch von einer Steinplatte
gebildet wird, über welcher vier freistehende Säulen ein Dach
tragen, von dessen innern Scheitel ein Gefäß mit dem heil. Sakramente
herabhing, während zwischen den Säulen Vorhänge gespannt
waren, nennt man Ciborien-Altäre38).
Einen solchen Altar, den einzigen dieser Art im Bisthume Augsburg, bewahrt
die St. Georgs-Kirche zu Dinkelsbühel. Er stand vor der Kirchen-Restauration
an einem Pfeiler vor dem Chore auf der Südseite, wurde aber bei der
Restauration in den Chor-Umgang versetzt und gerade hinter dem Chor-Altare
und zwischen dem östlichen Pfeilerpaare des Chores aufgestellt. Den
Grundriß des Ciboriums bildet, wie A. Grimm dasselbe beschreibt,
ein regelmäßiges Quadrat von 11‘ Durchmesser, die Höhe
mag gegen 15‘ betragen. Die vier runden Säulen an den Ecken dieses
Quadrates erheben sich aus achteckigen, durch Uebereckstellung und Einziehung
mannigfach wechselnden Sockeln und gehen ohne Capitäl in die Masse
des auf ihnen lastenden quadratisch geformten Baldachins über, der
sich über den vier Spitzbogen, welche die Säulen verbinden, erhebt.
Jede der vier runden Säulen ist von zwei ihr angelegten Dreiviertel-Säulchen
flankirt, deren Körper oben knieförmig ausgebeugt und von einem
Stabstücke, das eine Console trägt, durchkreuzt wird. Die Figürchen
über diesen acht Consolen fehlen indeß. Die acht Bogenzwickel
sind vertieft und mit Fischblasen-Formen gefüllt. Die innere Wölbung
des Ciboriums ist sehr zierlich: Die Rippen sind mit vergoldeten Stäbchen
besetzt, die Wölbungsfelder mit Nasenwerk belebt. Oben schließt
der Baldachin horizontal ab. Die Schlußlinie begleitet abwärts
ein schöner Fries aus Spitzbögchen mit unterspannten Kleeblattbogen,
die Schenkel der Bogen enden in schlisirtes Laubwerk. Nach oben erheben
sich Zinnen und unterbrechen die Monotonie der geraden Linie. Das ganze
Ciborium ist von zierlicher Steinmetz-Arbeit und stammt seinen Formen nach
aus der Bauzeit der Kirche. Als das Ciborium noch an seiner frühern
Stelle stand, befand sich auf demselben eine kleine Orgel. Jetzt schließt
dasselbe einen modernen Altar ein, auf welchem ein Wallfahrtsbild, Maria
mit dem Leichname Jesu im Schoße (Vesperbild), 18“ hoch, sich aufgestellt
findet, wahrscheinlich ein Werk des 14. Jahrh.
An einem Pfeiler der nördlichen
Reihe, da, wo Schiff und Chor zusammenstoßen, steigt der gesonderte
Bau für Aufbewahrung der heil. Eucharistie auf, das Sakrament-Haus,
welchen A. Grimm also beschreibt: Auf der Flur des Schiffes noch erhebt
sich über einem achteckigen Sockel, der mit einer Sternform und mannigfachen
Umsetzungen wechselt, als Fuß ein über Eck gestellter Viereck-Pfeiler,
von Stäben umfaßt und mit Vierpässen belebt. Ihm legen
sich vier freie Säulchen vor mit Consolen aus knorrigem Eichenlaub
gebildet, auf welchen die Statuen der vier Evangelisten, je 2‘ 4“ hcoh
stehen. Ueber diesen wölben sich Spitzbogen mit Eichen- und Weinlaub
geziert. Dann folgt die Auskragung des achtseitigen Halfes des Sakrament-Hauses,
auf welchem der achtseitige Tabernakel selbst ruht. Die Flächen dieser
Auskragung sind mit Stäben und Kehlen belebt, aus denen sich sinnreich
acht Hände erheben, deren jede eine Blumenstrauß trägt.
An der Schräge des Gesimses, welches den Tabernakel unten umzieht,
liegen Thiergestalten: Löwen, Hunde u. a. Sechs Seiten des Hauses
sind frei, die beiden andern lehnen sich dem Pfeiler an. Jede Ecke schmücken
zwei Säulchen und zwischen ihnen kragt ein Stab in eine laubverzierte
Console aus, auf welcher ein Engel steht. Diese sechs Engel, je 16“ hoch,
halten Lampen in der Hand, über ihnen spannen sich Baldachine aus,
die in Fialen enden. Der Tabernakel selbst ist beiläufig 6‘ hoch;
schönes vergoldetes Gitterwerk umschlieißt ihn. Eines dieser
Gitter bildet die Thüre, zu welcher vom Chore aus sechs steinerne
Stufen führen. Jede der sechs freien Seiten schließt mit einem
Segment-Bogen, von Stäben umfaßt und mit Blattwerk geschmückt,
ab. Ueber dem Tabernakel erhebt sich ein schlanker achteckiger Bau, durch
zahlreiche Pfeiler, Bögen und Stabwerk gebildet, in dessen Nischen
sechs Statuen stehen, Propheten und Aposten mit Spruchbändern in den
Händen, deren Legenden sich auf das heil. Sakrament beziehen. Die
Pyramide, welche den etwa 40‘ hohen Bau ehemals kränend abschloß,
fehlt jetzt und ist theilweise durch einen modernen hölzernen Aufsatz
ersetzt. Ueber die Erbauungszeit und den Stifter dieses Werkes gibt eine
Inschrift Aufschluß. Hinter dem Fuße des Sakrament-Hauses nämlich,
am Pfeiler, dem es angebaut ist, zeigen sich die Figuren eines Mannes und
einer Frau in knieender Stellung, daneben ein Wappenschild und die Schrift:
Anno
Dni | 1480 jar hat | gestift Conrat | Kvrz das er|wirdig sac|rament ge|häus
dem | Gott ge|nedig seü.
Das ganze Sakrament-Gehäuse,
welches noch gegenwärtig die heil. Eucharistie einschließt,
ist ein herrliches Werk von ausgezeichneter Meisterschaft.
Aus
der Zeit des Kirchenbaues stammen auch der Taufstein und die Kanzel. Ersterer,
in der südlichen Seitenhalle neben dem Chore aufgestellt, von Stein
gehauen, hat die Form eines achtblättrigen Kelches; an dem zierlich
gearbeiteten Fuße sitzen vier Löwen,; reiche Goldfassung erhöhte
einst noch die Zier dieses Kunstwerkes. Die Kanzel, gleichfalls von Stein,
erhebt sich aus achteckigem Fuße und ist geziert mit Relief-Bildern
der vier großen lateinischen Kirchenväter und den Symbolen der
vier Evangelisten.
An der Nordwand der Kirche
hängt eine Tafel, einst, wie man sagt, das Mittelbild des alten gothischen
Hoch-Altares, an welcher wir Sculptur und Malerei harmonisch zur Schöpfung
eines effektvollen Bildes vereint sehen. In Mitte der Tafel erblicken wir
ein Kreuz, an welchem der gekreuzigte Heiland hängt, ein 5‘ hohes,
schönes geschnitztes Bild; die Enden der Kreuzbalken sind geschmückt
durch die plastischen Symbole der Evangelisten; auf beiden Seiten sehen
wir gemalte Gruppen: links Maria, Johannes und noch vier heilige Personen
sammt einem alten betenden Manne mit Bart, wahrscheinlich dem Stifter der
Tafel; rechts sieben männliche Personen: Krieger und Juden. Oberhalb
des Kreuzbalkens, welcher das Gemälde auch der Höhe nach in zwei
Theile sondert, zeigen sich die Gestalten der beiden Schächer, und
vier Engel staunen das große Trauerspiel betend an; ein anderer Engel
nimmt die Seele des guten Schächers auf, während die des bösen
ein Teufel in Empfang nimmt. Nach dem Urtheile von Kennern sollen zwei
große Meister Syrlin der Bildhauer und Schülein der Maler, zur
Schöpfung dieses herrlichen Werkes zusammengewirkt haben.
Von
den wenigen Grabmälern in der Kirche ist in Bezug auf Kunst nur eines
erwähnenswerth; es stammt aus dem J. 1512 und zeigt ein liebliches
Bild der heil. Maria.
Die Baupflicht an der katholischen
Stadtparrkirche ruht auf dem Kirchenvermögen, jedoch nur in Bezug
auf das Innere der Kirche; denn die Unterhaltung des Baues nach außen
wie der Dachungen hat die Stadtgemeinde zu tragen, wie dieselbe bei der
Kirchen-Restauration die Kosten auf Wiederherstellung des Außenbaues
auch wirklich getragen hat.
In
die Pfarrkirche sind 91 Jahrtage und 1414 Messen gestiftet. Von diesen
gestifteten Gottesdiensten hat der Pfarrer zu besorgen 472, der Beneficiat
von St. Johannes Evang. 309, der erste Kaplan 358, der zweite 366.
Die katholischen Cultus-Stiftungen
von Dinkelsbühel besitzen in ihrer Gesamtheit ein rentierendes Vermögen
von 246.788 fl. 46 6/8 kr.
In der Pfarrkirche bestehen
drei Bruderschaften, nämlich:
1. Die Bruderschaft SS.mi
Corporis Christi, errichtet im J. 1741. Sie begeht ihr Hauptfest am Sonntage
in der Fronleichnams-Octave, feiert an jedem Donnerstage des ganzen Jahres
ein Engel-Amt, in jedem Monate ein St. Sebastiani-Amt und an jeder Quatember
ein Seelen- und ein Lob-Amt für die Lebenden und für die Verstorbenen
der Bruderschaft. Ihr rentierendes Vermögen beträgt 9020 fl.
22 kr.
2. Die Kreuz-Bruderschaft
oder Bruderschaft vom guten Tode, errichtet am 9. Juni 1754. Sie läßt
jährlich für ihre lebenden und verstorbenen Mitglieder zwei Aemter
halten und für jedes verstorbene Mitglied sogleich nach seinem Tode
eine hl. Messe lesen. Sie besitzt 1080 fl. Kap. und ein paar Grundstücke.
3. Die Bruderschaft der
Barmherzigen. Jedes Mitglied bezahlt vierteljährig drei Kreuzer. Davon
wird für jedes Mitglied eine Messe gelesen, der Ueberschuss an die
Armen vertheilt.
Der
Gottesacker für die Stadt befand sich während des ganzen Mittel-Alters
in der Stadft selbst, unmittelbar an der Pfarrkirche. Derselbe wurde aber
für die wachsende Bevölkerung zu klein; daher bewilligte am 29.
Juli 1530 der General-Vikar des Bischofs Christoph, daß bei der Kapelle
S. Leonhardi, welche außerhalb der Stadt an der Nördlinger Strasse
beim Siechenhause stand, ein neuer Gottesacker angelegt werde39).
Dieser Gottesacker ist noch gegenwärtig gemeinsamer Begräbnisplatz
für die Katholiken und Protestanten von Dinkelsbühel und den
eingepfarrten Orten. Nach der Schlacht von Nördlingen, im J. 1634,
ließ der schwedische Commandant von Dinkelsbühel alle vor der
Stadt stehenden Gebäude abbrechen, und damit wurde auch das Siechenhaus
und die St. Leonhards-Kapelle zerstört. Im Vergleichs-Recesse vom
6. Dec. 1654 setzten beide Religionstheile bezüglich dieser Kapelle
fest: „Nachdem in dem Ravensburger Receß versehen worden, daß
die Siechepflege einen katholischen Priester mit 10 fl. besolden solle,
wie es 1624 gewesen, als hat es hiebey sein Verbleiben; zu welchem Ende
zu Erbauung der Kapelle die Praeparatoria ehestens gemahct werden und jeder
Religionstheil sein exercitium wie vor diesem darinn haben und verrichten
solle“. Aber erst um das J. 1666 wurde mit dem Wieder-Aufbaue begonnen,
doch ohne rechten Ernst der Betheiligten. So kam es, daß erst im
J. 1697 das Kirchlein bis zum Dache fertig war. Aber da nun die Katholiken
nicht weiter bauen wollten, ob defectum consensus episcopi, wie es im Dinkelsbühler
Religions-Commissions-Recesse vom 7. Okt. 1697 heißt, so wurde es
Ruine und blieb solche bis in die neueste Zeit. Erst im J. 1844 ließ
die Stadt aus Mitteln der paritätischen Siechenpflege wieder ein Kirchlein
für den Simultan-Gebrauch beider Religionstheile auf dem Gottesacker
bauen, welches katholischer Seits am 30. Jan. 1845 durch Stadtpf. Ulr.
Fuchs zu Dinkelsbühel kirchlich benedicirt und dann vom Ordinariate
mit der licentia celebrandi missae versehen wurde.
Ueber die Kirche des ehemaligen
Kapuziner-Klosters s. unten Kapuziner-Kloster; über die profanirte
Kapelle der heil. Drei Könige unt. Beneficium Trium Regum.
Eine
kleine Stunde südlich von Dinkelsbühel, über dem Weiler
Radwang, ragt auf einer bedeutenden Anhöhe, von gewaltigen Linden
beschattet, die St. Ulrichs-Kirche hoch auf, das Werniz-Thal weithin überschauend
und zierend. Eine Kirche oder Kapelle mag auf dieser Stelle schon frühe
gestanden haben; sie hat, obwohl bei Protestantisirung der Gegend der Grund
und Boden, auf welchem sie steht, in protestantischen Besitz kam, merkwürdiger
Weise doch das katholische Exercitium bewahrt und blieb eine treue Tochter
der St. Georgi-Kirche von Dinkelsbühel, welcher sie heute noch unmittelbar
angehört. Um das Jahr 1700 erschien die alte Kirche als gänzlich
baufällig; daher der Stadtrath von Dinkelsbühel katholischen
Antheile sie aus Mitteln der katholischen Kirchenpflege in der Gestalt
neu bauen ließ, in welcher sie heute noch vor Augen steht. Am St.
Ulrichs-Tage 1700 legte Dekan Ign. Stahl von Dinkelsbühel den Grundstein
zum Neubaue; im J. 1702 wurde in der Kapelle bereits wieder die hl. Messe
gelesen; am 24. Mai 1729 ertheilte ihr der Weihbischof Joh. Jak. von Mayr,
Bischof von Pergamum, die Consekration. Die Kirche steht nicht ferne vom
Weiler Sittling, doch für sich allein; nur ist an die Nordseite des
Chores eine kleine Wohnung angebaut, in welcher ehemals ein Klausner, zugleich
Mesner, wohnte, wie sie auch jetzt noch zur Meßners-Behausung dient.
Für ihre Unterhaltung sorgt, da sie nur geringes Vermögen besitzt,
die katholische Kirchenstiftung von Dinkelsbühel. Jährlich am
St. Ulrichs-Tage (4. Juli) wallt die ganze Pfarrgemeinde Dinkelsbühel,
wie es schon vor Jahrhunderten üblich war, von der Pfarrkirche aus
in Procession zur Ulrichs-Kirche, in welcher dann feierlicher Gottesdienst
mit Predigt und Amt gehalten wird. Während des Jahres werden in ihr
einige Stiftmessen gelesen40).
33)
Die bezeichnete Inschrift in der Höhe hinter dem Chore in deutschen
Schriftzügen lautet:
1492.
Nicolavs Esser der
alt
Niclas Esser sein
sonn.
Unter dieser Schrift
steht ihr Wappen, ein altdeutscher Schlüssel.
Mit denselben Schriftzügen,
wie sie diese Inschrift zeigt, steht im Gewölbe-Spiegel des Chor-Umganges
über dem vordern Pfeiler der Epistel-Seite.
Allmechtiger ewiger
got
Gar billichen wirst
gelobt
Auf der entgegengesetzten
Seite (Evangelien-Seite) steht:
Ewiger got dvnnss
tröst,
Mit gros mart vnss
hast erlöst.
Welches der wahre
und richtige Name der beiden Baumeister der Dinkelsbühler Kirche sei,
stand bisher mit Sicherheit nicht fest; denn derselbe schwankte unter den
Schreibungen Öller (auf der unten Note 35 angeführten Tafel).
Eseler und Eseser (bei Grimm in der Augsb. Pistz. 1858, Beil. 92), Elser
(bei Sighart 472).
Wir halten uns bezüglich
dieses Namens an das älteste und echteste Dinkelsbühler Document
selbst, nämlich an die eben angeführte Inschrift von 1492 in
der Höhe des Chor-Umganges, aus welcher wir hier den Namen in genau
geschnittener Nachbildung geben:
Niclavs esser
Offenbar kann diese
Schrift nicht anders, denn „Niklaus Esser“ gelesen werden. Ob dieser ältere
Esser eine Person sei mit jenem Nikolaus Eseller, welcher im J. 1442 als
Werkmeister an der Nördlinger Kirche aufgenommen wrude (Grimm in der
Augsb. Postz. 1855, Beil. 132), und mit „Niclas Elser von Nördlingen,
Thurmmeister zu Mainz“, welcher am Freitage nach dem hl. Auffarttage 1459
einen Brief an den Rath zu Regensburg „wegen der werkleut von ferren landen
herkommen“ schrieb (bei C. Th. Gemeiner, Regensb. Chronik 3, 311. 312,
vgl. Sighart S. 472), lassen wir dahingestellt.
34)
An einem Chorpfeiler der Epistel-Seite waren ehemals zwei Steintafeln eingemauert.
Auf der einen stand:
Anno domini 1488 vff
freitag nach Galli ist die pfarrkich geweicht worden durch den erwurdigen
in gott vater und herrn Vlrichen suffraganeum zu Augsburg vnd der kirchweihtag
sol alwegen gehalten werden vff den nechsten sonntag nach Petri und Pauli
der zwelfpotten.
Der zweite Stein besagt:
Im J. 1497 habe Joannes episcopus Adrimitanus Friderici episcopi Augustani
suffraganeus konsecrirt hoc altare in honore B. Marie virg., S. Bartholomaei
et aliorum apostolorum, undecim millium virginum, Georgii martyris et aliarum
sanctarum virginum martyrum.
Bericht des Dek. Bozenhard
zu Dinkelsbühel an den General-Vicar dem 17. Nov. 1727. Die beiden
Steintafeln sind jetzt nicht mehr vorhanden.
35)
Im Chor-Umgange auf der Epistel-Seite hängt ein Gemälde mit den
angeblichen Bildnissen der beiden Baumeister. Dem einen ist beigeschrieben:
Nieclaus Össer der Ölter; dem andern: Nicolaus Össer der
Jüger: Unter den Bildnissen steht die sehr uncorrekte Schrift:
Diße hede (l.
bede) wahren die werckhleuth, welche daß lobwürdig Hoch meit
(l. weit) bereumbt Gottshauß zue S. Georgen in deß h. Reichs
Statt Dinckhelspil erbauet. Wurde in anno MCCCCXLIIII Aftermontags nach
mitfasten der erst Stainn gelegt vnd volgents vf Matthaei des XCVIIII jahrs
der Baw volendt.
Die Tafel in ihrer
gegenwärtigen Gestalt stammt aus dem Ende des 16. oder Anfange des
17. Jahrh., ist aber wahrscheinlich Copie eines ältern Bildes. Die
Schreibung des Namens „Össer“ ist verdorfen aus „Eller“, wie man in
Unkenntniß der alten Schriftzüge damals statt „Esser“ gelesen
zu haben scheint.
36)
Ueber dem östlichen Fenster dieses Thurmstrumkes steht außen:
der grunt ist in der erden XXII. schuch.
37)
Sie haben, von der größten zur kleinsten, folgende Inschriften:
1. S. Lucas. S. Matheus.
S. Marcus. S. Joannes. Caspar. Melchior. Balthasar. O rex glorie veni nobis
cum pace. Ave Maria gratia plena dominus tecu. Honoratus Bosier und Joh.
Reichard beide aus Lothringen gossen mich 642.
2. Die Namen der vier
Evangelisten. Gloria in excelsis Deo, et in terra pay hominibus bonae voluntatis.
Laudamus te, o rex gloriae, veni cum pace. 1642. Auf einem Schilde steht
das ganze Ave Maria – mortis nostrae amen
3. Sie hat die Namen
der vier Evangelisten und die Jahreszahl 1642.
4. F..sa Maria vocor,
per me mala pellitur aura, Laudo Deum verum, santanum fugo, convoco plebem.
Dinckelsbyhl anno 1652.
5. Die glock genant
Sebastian | Zum gottsdienst rufet iedermann. | Wans rufft laufe du schnell
behendt, | Ehe dir der todt den weeg abrenth. 1786.
6. (Sterbeglocke),
Pro beata agoula LegaVI Ioannes FrauCIsVUs BozenharDt paroChVs aC DeCanVs
LoCIO [d. i. 1725].
38)
S. Studien über die Geschichte des christl. Altars, von F. Laib und
Dr. F. J. Schwarz, Stuttg. 1857, S. 12 – 26.
39)
Cum communitas oppidi Dinkelspuhel successu temporis in tanto augmentata
fuit et quottidie augmentari non cessat, adeo quod corpora mortuorum in
cimiterio eorum in oppido constituto propter eius restrictum viterius absque
magna jactura sepeliri non possunt, concedimus, ut novum cimiterium extra
muros dicti oppidi apud capellam sancti Leonhardi constructur et editicetur.
Orig. in der kath. Pfarr-Registr. zu Dinkelsb.
40)
Noch im vorigen Jahrh. hatte die Ulrichs-Kirche an jedem Dienstage eine
Messe, und außer dem Ulrichs-Feste auch an St. Appolonia, St. Patritius
und an der Kirchweihe (Sonntag vonr Pfingsten) Predigt und einige Messen.
Erstellt am 7. Februar
2004 durch Hans Ebert