Anton Steichele - Das Bisthum Augsburg |
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2. Die Religionsbewegung in Dinkelsbühel21).
Ueber das Eindringen und
den Verlauf der Glaubensneuerung in der Reichsstadt Dinkelsbühel vor
dem J. 1532 besitzen wir nur dürftige Nachrichten. Die Lehre Luthers
mag daselbst schon früh im Stillen Anklang gefunden haben, ihre Freunde
traten aber mit dem Bekenntnisse derselben nicht offen auf; aus dem Klerus
scheint nur der Prediger Kunrad Abele der neuen Glaubensrichtung zugethan
gewesen zu sein. Aber auch noch im J. 1532 kostete es große Mühe,
bis der Rath und die Mehrzahl der Bürgerschaft sich entschloßen,
öffentlich der Augsburger Confession beizutreten, und es gelang Dieses
nur durch die Regsamkeit und zähe Ausdauer einiger Rathsglieder und
anderer einflußreicher Bürger, welche in Verbindung mit dem
Pfarrer Adam Weiß zu Krailsheim schon seit 1530 für Annahme
der Augsburger Confession in der Stadt Boden zu gewinnen sich bestrebten.
Als solche Förderer der Glaubensänderung werden genannt: die
Bürgermeister Hans Harscher und Math. Röser, der Kirchenpfleger
Mich. Bauer und der Bürger Hans Kipfenberger. Wirklich trat die Stadt
im J. 1532 mit dem Bekenntnisse der Augsburger Confession öffentlich
hervor, indem sie in diesem Jahre auf dem Reichstage zu Regensburg durch
ihren Abgeordneten, den eben genannten Mich. Bauer, ihren Beitritt zu derselben
erklären ließ, wonach sie sich fortan zu den protestantischen
Reichsständen hielt.
Es
wurde schon angeführt, wie der Rath von Dinkelsbühel, um seinen
Protestantisirungsplan leichter durchzuführen zu können, um diese
Zeit bestrebt war, die städtische Pfarrkirche zu St. Georg dem Kloster
Rothischen Patronate zu entwinden und das eigene Verfügungsrecht darüber
zu gewinnen, und wie ihm Dieses schon in den ersten Monaten des Jahres
1532 mittels einer Geld-Entschädigung an das Kloster wirklich gelang.
Nun wurde an der St. Georgs-Kirche der katholische Klerus abgeschafft und
auf Empfehlung von Joh. Brenz zu Schwäbisch-Hall, welcher anfangs
selbst Lust hatte, nach Dinkelsbühel zu ziehen, im J. 1533 Bernh.
Wurzelmann, früher Kanonicus des Stiftes Wimpfen im Thale, als Pfarrer
an dieselbe berufen. Von den Geistlichen, welche sich vor der Berufung
Wurzelmann’s an der Pfarrkirche befunden hatten, werden genannt: Ludwig
Prümelein, Hans Röttinger und ein gewisser Blasius. Ueber die
confessionelle Haltung der beiden Erstern ist Sicheres nicht bekannt; von
Blasius aber wissen wir, daß er dem Protestantismus abgeneigt war
und gegen Wurzelmann arbeitete; daher er im J. 1534 die Stadt verlassen
mußte. Wurzelmann kam im December 1533 mit Weib und Kind in Dinkelsbühel
an, predigte entschieden neugläubig und schaffte am 5. Jan. 1534 die
Messe in der Georgs-Kirche ab22).
In denselben Tagen fiel auch der Prior der Karmeliten von der Kirche ab
und ließ sich vom Rathe als lutherischen Prediger nach Villersbrunn
senden23). Sein Plan, auch das Kloster
dem Rathe in die Hände zu spielen, damit dieser es einziehe, mißlang
jedoch, weil der Bischof von Augsburg mit Erfolg den Fortbestand desselben
zu sichern wußte. Auch in der Spitalkirche wurde lutherisch gepredigt,
und zwar durch den schon genannten Kunrad Abele. Im Jahre 1544, nach Wurzelmann’s
Tode, kam dieser als Pfarrer an die Hauptkirche, an welcher zu gleicher
Zeit auch der in demselben Jahre berufene Dr. Jak. Andreä, der bekannte
Wirtemberger Theologe und Mitverfasser der Concordien-Formel, predigte.
Das Häuflein der treugeliebenen Katholiken hatte seinen Gottesdienst
in der Kirche des Karmeliten-Klosters zu suchen.
Die Verhältnisse änderten
sich aber bald. Kaiser Karl V. verkündete nach seinem Siege über
den Schmalkaldischen Bund, welchem auch Dinkelsbühel beigetreten war,
im J. 1548 auf dem Reichstage zu Augsburg sein Interim; und die Stadt hatte
nun zu wählen zwischen der Acht des Reiches und der Annahme des kaiserlichen
Ediktes. Der Rath entschied sich für Letzteres, ordnete demgemäß
den öffentlichen Gottesdienst nach katholischem Ritus und ließ
am 26. Febr. 1549 das erste Mal wieder in der St. Georgs-Kirche die Messe
feiern. Von den protestantischen Geistlichen der Stadt war nur Einer, Christian
Wilhelm, für das Interim; die übrigen erklärten sich auf
den Kanzeln gegen dasselbe, wurden daher ihres Dienstes entlassen und zogen
aus Dinkelsbühel ab; später mußte ihnen auch Wilhelm folgen,
der unterdessen seine Ansicht geändert hatte. Im J. 1550 kamen zwei
kaiserliche Commissäre, Wilhelm von Velberg und Heinrich Haas, nach
Dinkelsbühel, entfernten die Gegner der katholischen Religion aus
dem Rathe und setzten an deren Stelle katholische Bürger. Im J. 1551
aber erließ Karl V. für die Stadt Dinkelsbühel eine neue
Wahl-Ordnung, in welcher der Kaiser bestimmte, daß zu den Bürgermeister-
und Rathsstellen und zu den Aemtern der Stadt „die, so der alten wahren
christlichen Religion anhängig, oder wo nicht gar, doch derselbigen
am nächsten seyn, Andern in allweg vorgezogen werden sollen“. An diese
kaiserliche Verordnung knüpft sich das Bestehen eines katholischen
Stadt-Regimentes und die Erhaltung katholischen Wesens in Dinkelsbühel,
wenn schon die Bürgerschaft in ihrer weit größern Mehrzahl
protestantisch blieb, welche nun eigener Kirchen und eigener Geistlicher
entbehren mußte.
Das
folgende Jahr, 1552, führte eine, jedoch schnell vorübergehende
Aenderung herbei, als Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach,
welcher als Feld-Oberster der Krone Frankreich mit deutschen Truppen gegen
den deutschen Kaiser zog, in Dinkelsbühel mehrere Tage Quartier nahm.
Markgraf Albrecht setzte während dieser Zeit, ohne hiezu die mindeste
Befugniß zu haben, eilig und gewaltthätig den ganzen katholischen
Rath ab, hob die neue Karolinische Raths-Ordnung auf, ordnete die vorige
wieder an, erklärte das Interim für kraftlos, räumte die
Pfarrkirche den Protestanten ein, rief die entlassenen Prediger zurück
und wies die Katholiken in die Karmeliten-Kirche. Allein kaum hatte der
der Stadt den Rücken gekehrt, so setzte ein Befehl des Kaisers alle
Anordnungen desselben außer Kraft und stellte den vorigen Zustand
wieder her. Jedoch überließ nun der katholische Rath, damit
die Ruhe der Stadt erhalten würde, den Protestanten die Spitalkirche
zum Gebrauche und duldete ihre Geistlichen; aber im J. 1556 mußten
auch diese, weil Kaiser Ferdinand I. auf ihre Abschaffung drang, die Stadt
wieder verlassen. Die Spitalkirche wurde vorerst geschlossen, im J. 1559
aber der katholischen Gemeinde übergeben. Den Protestanten blieb nur
der Besuch der Kirchen in Segringen und Simbrunn und die vom Rathe ihnen
gestattete Privat-Erbauung in der St. Leonharts-Kapelle auf dem Gottesacker.
Ihre Kinder mußten sie, wenn sie nicht Strafe des Rathes befahren
wollten, vom katholischen Pfarrer taufen lassen; ja, auf Befehl des Kaisers
wurde ihnen eröffnet, sie könnten, wenn sie bei der Augsburgischen
Confession verharren wollten, „in Kraft des Religionsfriedens mit Weib
und Kind unverletzt ihrer Ehren gar wohl aus der Stadt und unter andere
Obrigkeit ihrer Religion gemäß ziehen“.
Günstiger gestalteten
sich die Verhältnisse der Protestanten Dinkelsbühel’s nach dem
Tode Kaiser Ferdinand’s I., mit dem Regierungs-Antritte Kaiser Maximilian’s
II., 1564. Nach vielen Bemühungen derselben am Kaiserhofe und auf
Reichsraten, bei welchen sie vom Pfalz-Neuburgischen Kanzler Walther Drechsel,
einem geborenen Dinkelsbühler, berathen und beleitet und von protestantischen
Ständen unterstützt wurden, bevollmächtigte Maximilian am
21. Okt. 1566 den Obersten des fränkischen Kreises, Georg Ludwig von
Seinsheim zu Hohen-Kottenheim, den Protestanten zu Dinkelsbühel die
Kirche des Karmeliten-Klosters, in welchem sich damals nur noch Ein Conventuale
befand, zu Abhaltung ihres Gottesdienstes einzuräumen, und ihnen auf
ihre Kosten die Bestellung eines oder zweier Prediger Augsburgischer Confession,
welche „keiner Calvinisterei oder dergleichen falschen Sekten verwandt
wären“ und streng nach genannter Confession zu lehren hätten,
zu gestatten24). Die Ueberlassung
der Karmeliten-Kirche zerschlug sich nun zwar; dafür räumte aber
Seinsheim am 1. Jan. 1567 den Protestanten die Spitalkirche ein. Pfalzgraf
Wolfgang von Neuburg ließ einen Prädicanten aus Neuburg, Johannes
Knauer, als Pfarrer nach Dinkelsbühel ziehen, welchem bald ein zweiter
Geistlicher als Diaconus beigegeben wurde. Ein Ausschuß von zwölf
Bürgern, die Kirchenpflege genannt, nahm die gesammte Leitung und
Ueberwachung des protestantischen Kirchenwesens in die Hand; für Cultus
und Liturgie wurde die Neuburger Kirchen-Ordnung zu Grunde gelegt. Etwas
später beauftragte ein kaiserliches Dekret den Stadtrath, zur Besoldung
der protestantischen Geistlichen aus gemeiner Stadtkasse jährlich
300 Gulden beizusteuern.
Eine
tiefgehende Zerrissenheit und Zerklüftung in allen politischen und
socialen Verhältnissen der Stadt, eine unaustilgbare Verbitterung
der Gemüther bei Protestanten wie Katholiken mußte nothwendig
diesen vieljährigen Religionskämpfen entwachsen. Die protestantische
Bürgerschaft, der katholischen an Zahl weitaus überlegen, beugte
sich nur mit Widerstreben unter die Herrschaft eines andersgläubigen
Stadtrathes, in welchen ihr der Eintritt gesetzlich gesperrt war, und sah
mit Schmerz die schöne Georgs-Kirche und alles Kirchengut der Stadt
in den Händen der katholischen Minderheit; der Rath, eifersüchtig
seine Befugnisse und die Rechte der katholischen Gemeinde wahrend, lag
mit der protestantischen Einwohnerschaft und ihrer Kirchenpflege in beständigem
Hader. Dazu kam ein fast zwanzigjähriger heftiger Streit über
Einführung des neuen Kalenders, gegen dessen Annahme die Protestanten
mißtrauisch sich sträubten, weil er von einem Papste kam, während
der katholische Rath sich ihm anschloß und nach ihm die kirchlichen
Feste und bürgerlichen Termine regelte. Es bedurfte ernster Anmahnungen
Kaiser Rudolf’s II., um die Protestanten Dinkelsbühel’s zu vermögen,
daß sie endlich mittels Vergleichs vom 15. Juni 1602, vom Kaiser
bestätigt am 23. Dec. 1604, zur Annahme des verbesserten Kalenders
sich entschloßen.
Neue Wechselfälle für
das Religionswesen Dinkelsbühel’s und neue Keime zu gegenseitiger
Feindseligkeit für die beiden Religionsparteien brachte der schwedisch-deutsche
Krieg des 17. Jahrhunderts. Als die Schweden im Frühjahre 1632 gegen
die Donau rückten, wurde Dinkelsbühel von ihnen in Besitz genommen,
König Gustav Adolf ließ sich von der Bürgerschaft den Eid
der Treue schwören und schaltete über die Stadt, wie über
erobertes Gut. Er ließ alsbald den katholischen Rath absetzen und
einen neuen, nur aus Protestanten bestehenden Rath wählen, die St.
Georgs-Kirche den Katholiken nehmen und selbe der protestantischen Gemeinde
einräumen. Am Pfingstfeste 1632 nahm diese von der Kirche Besitz,
nachdem die Katholiken einige Tage zuvor in die Karmeliten-Kirche hatten
ziehen müssen.
Der
neue protestantische Rath, eng verbündet mit den Schweden und ihr
williges Werkzeug, drückte nun mit gewaltthätiger Härte
auf seine politischen und religiösen Gegner25)
und schaltete rücksichtslos gegen alles katholische Wesen. So veranlaßte
Dr. Jak. Killinger, der neue Bürgermeister, einen Rathsbeschluß,
durch welchen den vor einiger Zeit vom katholischen Rathe zugelassenen
Kapuzinern eröffnet wurde, „sie hätten ihr Kloster aus allerhand
beweglichen Ursachen, und daß es an gemeiner Statt gefährlichem
und sorglichem orth gebauth, in den nächsten acht tagen zu raumen,
und mögen darfür, ob sie wöllen, in den Carmelitter Closter
beysamen sich aufhalten, welliches ihnen noch der Zeit neben dem Carmelitter
münch zu bewohnen vnd darinnen die Uebungen ihrer Religion zu haben
vergonnt sein solle“. Auch von der Pfarrei Wilburgstetten wurde durch den
Rath der katholische Pfarrer abgeschafft, und ein protestantischer Prediger
trat an seine Stelle, dessen Predigten zu besuchen den Dinkelsbühlischen
Unterthanen in der Pfarrei ernstlich befohlen worden war. Weil aber dessenungeachtet
„etliche halsstarrige vfriehrische gesellen sich gelusten ließen,
dem Raths-Dekret schnurstraks entgegen zu handeln“, indem sie, statt zu
Wilburgstetten in die lutherische Predigt zu gehen, den katholischen Gottesdienst
zu Dinkelsbühel besuchten und dort an den Sakramenten Theil nahmen,
so erließ der Rath am 28. April 1634 ein Dekret an die „noch allhie
sich enthaltenden römisch papistischen Priester und Ordensleute“,
durch welches ihnen „ein für alle mal ernstlich und bei unausbleiblichem
empfindlichem einsehen anbefohlen wurde, daß sie bei ihrer angehörigen
Pfarr und aignen Pfarrkindern verbleiben vnd frembder Pfarrkinder sich
nit annemen, sondern alle diejenige Vnderthanen vnd Personen, so sich bei
ihrem vermainten Gottsdienst, Beicht vnd Sacramenten einfinden würden,
zu ihren ordentlichen Pfarren vnd vorgesetzten Pfarrherrn, oder da die
Vnsrige auf beschehene vnd angehörte information nachmalen sich im
Gewissen beschwert zu sein ernstlich vermainen möchten, zuvorderst
an einen ersamen Rath, ferner verordnung zu gewarten, verweisen sollen“26).
Ja, selbst der Gregorianische Kalender wurde durch ein am 7. Febr. 1634
in pleno senatu gefaßtes Raths-Dekret den Katholiken zum Trotz wieder
abgeschafft und der alte Julianische nochmal eingeführt27).
Aber nach der für die
Schweden unglücklichen Schlacht bei Nördlingen, 6. Sept. 1634,
und der bald folgenden Erstürmung Dinkelsbühel’s durch kaiserliche
Truppen unter Piccolomini ändere sich schnell diese Lage der Dinge.
Der protestantische Rath, von den Katholiken der Schweden-Rath genannt,
mußte weichen und wegen der dem Kaiser gebrochenen Treue auf dem
Rathhause knieend Abbitte leisten; an seine Stelle trat der vorige katholische
Rath; die St. Georgs-Kirche wurde den Katholiken zurückgegeben, die
Protestanten erhielten wieder, aber erst im J. 1636, die Spitalkirche.
So blieben die kirchlichen Verhältnisse im Wesentlichen bis zum Ende
des Krieges.
Während
der schweren Drangsale dieses Krieges war M. Christoph Wagner katholischer
Stadtpfarrer zu Dinkelsbühel, welchen Bürgermeister und Rath
schon im J. 1607 präsentirt hatten. Wegen Krankheit wurde er im J.
1642 dienstesunfähig; er starb am 30. Aug. 1650.
Der am 24. Oct. 1648 abgeschlossene
sogenannte westfälische Friede stellte den kirchlichen Stand und Besitz
wieder her, wie er am 1. Jan. 1624 gewesen war, und führte für
Dinkelsbühel rücksichtlich der Rathsstellen und öffentlichen
Aemter Gleichheit und gleiche Anzahl unter den beiderseitigen Religionsverwandten
ein28). Dem Friedensschlusse gemäß
blieb den Katholiken die St. Georgi-Kirche mit all ihrem Vermögen,
weil sie am 1. Jan. 1624 im Besitze derselben gewesen waren, obgleich die
protestantische Gemeinde, welche nur auf die kleine Spitalkirche angewiesen
war, sich viele Mühe gab, dieselbe für sich zu gewinnen29).
Am
15. März 1649 erschienen zu Dinkelsbühel als Subdeligirte der
ausschreibenden Fürsten des schwäbischen Kreises, des Bischofs
Franz Johann von Constanz und des Herzogs Eberhart von Wirtemberg, Matthäus
Welser, fürstbischöfl. Constanzischer Rath und Obervogt zu Meersburg,
und die fürstl. wirtembergischen Räthe Joh. Casp. Lerchenfelder
von Napperg und Dr. Heinr. Hatting, um die Bestimmungen des westfälischen
Friedens in Bezug auf die Reichsstadt Dinkelsbühel zum Vollzuge zu
bringen. Es wurde sofort von denselben am 14. Mai 1649 ein Executions-Receß
zu Stande gebracht, welcher die Parität im Bürgermeister-Amte,
im Rathe und in den städtischen Aemtern herstellte und im Einzelnen
Folgendes bestimmte: In das Seel- und armer Leut Häuser u.s.w. sollen
die Bedürftigen, die bisher, ohne Unterschied der Religion eingenommen
werden; „weiters ist abgeredt, daß, wie beeder Religionen Zugethane
einander in dem exercitio jeder Religion keine Hinderung thuen können
oder sollen, also auch in dem Gebrauch der äußerlichen Ceremonien,
vngeachtet etwan eine oder die andere anno 1624 in übung gewest oder
nicht, vnangefochten lassen; dahero die Augspurgischen Confessionsverwandten
die Anederung des Geläutes in dem Gebetzeichen vnd vorhin bei Anstragung
der Todten nicht gebräuchliches Gesang, dargegen die Catholischen
ihr Geläut, Processionen (darzu sie doch die Augspurgische Confessionsverwandte
Burger ihnen aufzuwarten oder beyzuwohnen nicht compelliren sollen) vnd
andere Glaubens-Ceremonien ein thail ohne des andern Einred, frey, sicherlich
vnd ohngehindert gebrauchen mögen“; die Bestimmung der Fest- und Feiertage
bleibe, da sich beide Religionstheile darüber nicht einigen konnten,
ausgesetzt; ebenso die Frage über Errichtung einer protestantischen
lateinischen Schule; den Protestanten solle gestattet sein, in der Folgezeit
eine neue Kirche zu bauen, wogegen die Spitalkirche dem Spitale zu überlassen
sei, und es werde nicht für unbillig gehalten, daß auf solchen
Fall in der Spitalkirche das Exercitium von beeden Religionen für
die Spitaler möge eingeführt und gebraucht werden; endlich, nachdem
unter währenden beträbten Kriegszeiten etliche Juden in die Stadt
eingenommen worden, habe man sich zu befleißen, sie um ihres dargeliehenen
Geldes zu befriedigen und dann ohne fernern Aufenthalt fortzuschaffen.
Im folgenden Jahre, 1650,
trat neuerdings eine kaiserliche subdelegirte Commission in Ravensburg
zusammen, welche noch mehrere zwischen den beiden Religionstheilen der
Stadt Dinkelsbühel strittig gebliebene oder früher offen gelassene
Fragen über politische und kirchliche Gegenstände durch einen
Receß vom 8. Juli 1650, der Ravensburger Receß genannt, beschied
und austrug. Eine letzte allseitige Ausgleichung geschah endlich noch durch
einen zwischen den Bürgermeister und Räthen beider Religionstheile
am 7. Sept. 1651 geschlossenen Pcifications-Receß, welcher namentlich
die Feiertags-Frage zum Abschlusse brachte und bezüglich Errichtung
einer lateinischen protestantischen Schule eine Ausgleichung herbeiführte.
Eine lateinische Schule gestand der katholische Rathstheil den Augsburger
Confessions-Verwandten nicht zu, weil sie eine solche im J. 1624 nicht
gehabt hatten, verglich sich aber mit ihnen dahin, daß einer von
den beiden protestantischen deutschen Schulmeistern neben seiner deutschen
Schule die Jugend auch im lateinischen Lesen, Schreiben, Singen, Dekliniren
und Conjugiren unterweisen möge, wonach sie von ihren Eltern entweder
an andere Orte verschickt, oder in die katholische lateinische Schule zu
Dinkelsbühel verschafft werden sollen30).
Obgleich
aber durch den Friedensschluß und durch obige wegen örtlicher
Verhältnisse veranlaßte besondern Verträge für ein
friedliches Zusammenleben der Katholiken und Protestanten in Dinkelsbühel
ausreichende Grundlagen gegeben schienen, fehlte es doch auch während
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zwischen den beiden Religionstheilen
nicht an Irrungen, Befeindungen, Gehässigkeiten, welche zu beständigen
Beschwerden beim Kaiser und bei den Reichsgerichten führten und noch
weit in das 18. Jahrhundert hineinreichen31).