Anton Steichele - Das Bisthum Augsburg |
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Der Hesselberg 4). Die Ost- und Südost-Grenze des Kapitels Dinkelsbühel und hiemit des Bisthums Augsburg gegen den Eichstätter Sprengel wird eine Strecke weit durch den Hesselberg gebildet; ja, die südwestliche und westliche Absenkung dieses Berges von Gerolfingen bis gegen Düren hin liegt noch diesseits der Grenze und ist Augsburgischer Boden. Der Hesselberg, im Volksmunde einfach „der Berg“ genannt, als einzeln stehende Steinmasse in dieses niedere Hügelland geworfen, erscheint als eine gewaltige Marke, welche hier das schwäbische vom fränkischen Lande scheidet. Am Zusammenflusse der Werniz und Sulzach sich zu einer Höhe von 2198 Par.-Fuß über den Meeresspiegel erhebend, ragt der Berg 878‘ über die Thalsohle der Werniz bei Wasser-Trüdingen und 755‘ über das an seinem nördlichen Fuße liegende Dorf Ehingen 5). Er dehnt sich von Wittelshofen über eine Stunde weit in allmäliger Abdachung nach Osten, dem Laufe der Werniz entlang. An seinem südwestlichen Ende liegt Wittelshofen, am nordöstlichen Lentersheim, nördlich von des Berges Mitte Ehingen, südwärts an seinem Fuße Gerolfingen und Röckingen; der Berg selbst ist unbewohnt. Von unten bis oben aus geschichtetem Gestein bestehend, ist der Hesselberg das äußerste nach Norden vorgeschobene Glied des Jura-Bergzuges, welcher, von der schwäbischen Alb ausgehend, am linken Donau-Ufer sich weit nach Osten hinzieht.
Über alle Höhen weitum aufragend, bietet der Hesselberg, besonders von der Hochplatte über Gerolfingen eine großartige, nach allen Seiten unbeschreiblich reizvolle Rundschau und eine Fernsicht, welche bei klarem Himmel die Berge um Banz und Staffelstein, die Umrisse des Fichtelgebirges, den wirtembergischen Asberg und selbst die Bläue der bayerischen und tirolischen Alpen erreicht.
Um den Rücken des Berges, dessen steil abfallende Kuppen durch schmale Grate verbunden werden, laufen fast überall bedeutende Wälle, ähnlich den Hünen-Ringen, welche wir auf dem Beixenhart bei Wellheim fanden und Bd. 2. S. 759 beschrieben haben. Auch die einzelnen Kuppen des Berges zeigen Umwallungen. Sicher sind diese Wälle Reste aus uralter Zeit, die weit über die römische Periode hinaufreicht. Ihre Bestimmung ist unklar; vielleicht dienten die Berge mit solchen Werken zu religiösen Zwecken, vielleicht auch waren diese Wälle für die Umwohner Schutzwehren gegen Feinde bei schnellen Überfällen.
Auf der ausgedehnten Hochplatte des Berges über dem Dorfe Röckingen, die Osterwiese genannt, wird seit dem J. 1804, in welchem König Friedrich Wilhelm III. von Preußen als damaliger Landesherr den Hesselberg besucht hatte, jährlich nach Pfingsten acht Tage lang ein Bergmarkt gehalten, ein Freudenfest für die Bewohner der Umgegend, welche während dieser Woche zu vielen Tausenden den Berg besteigen.
Leider wird die Form und Schönheit des Hesselberges von Jahr zu Jahr mehr gefährdet; denn der weiße Jura, aus welchem der obere Theil des Berges besteht, so diensam für die Kalk-Öfen der Umgegend, wie für Bekiesung der Strasse, wird dem Gipfel des Berges jährlich massenhaft entnommen, und an den steilen Seiten eröffnet man förmliche Steinbrüche. Dadurch wird an den alten Wällen auf dem Bergrücken immer mehr gerüttelt und gewühlt, so daß sie allmälig verschwinden, und der Berg selbst geht sichtbar und rasch einer totalen oder doch sehr umfassenden Schleifung und Zerstörung entgegen.
Der Virngrund. Man bezeichnet häufig den von Elwangen nach Osten bis an die Werniz, ja selbst bis Feuchtwangen, laufenden Landstrich mit dem Namen Virngrund, und sagt namentlich, die Stadt Dinkelsbühel liege im Virngrunde. Der Begriff von Virngrund wurde indeß zu verschiedenen Zeiten verschieden gefaßt, und auch heute sind die Annahmen über Ausdehnung und Begrenzung dieses Landstriches schwankend. Wir werden über den Virngrund bei Beschreibung des Kapitels Elwangen ausführlicher handeln; hier besprechen wir denselben nur, insoweit es uns für das Kapitel Dinkelsbühel nöthig erscheint, in Folgendem.
Die alte und echte Benennung des Landstriches, um welchen es sich hier handelt, ist Virgund, Virgundia, Virigunda, Virgunda. Dieselbe bezeichnet einen großen Wald-Bezirk um Kloster Elwangen, welches schon zu Anfang des 9. Jahrh. im Besitze des Virgund-Waldes erscheint: intra vvaldum cuius vocabulum est Uirgundia, in loco nuncupante Elehenuuang (Urk. Kaiser Ludwigs des Frommen für Elwangen vom 8. April 814, Wirtbg. Urkdbch 1, 79). Kaiser Heinrich II. machte am 5. Febr. 1024 den Virgund-Wald (silvam Virigunda dictam) für Kloster Elwangen zu einen gefreiten Bannforste, wobei vom Kaiser die Umgrenzung des Waldes in sehr genauer Weise beschrieben wird (ib. 1, 256). Aus dieser Umschreibung, wie aus der den Virgund-Wald (silva quae dicitur Virgunda) bestätigenden Urkunde Kaiser Friedrich’s I. vom 24. Okt. 1152 (ib. 2, 65), ergibt sich, daß der Virgund ganz dem ehemaligen Elwangischen Gebiege angehört, indem seine Grenze, wenn wir im Süden bei Hüttlingen ausgehen, östlich an der Jaxt und Sechta hinlief, sich dann an der Roth bis Ellenberg und weiter gegen Hinter-Steinbach und Stettlin, dann der Rothach entlang gegen Mazenbach zog, von da sich westlich nach Gerbertshofen und Stimpfach wendete, von hier an der Jaxt und dem Sulzbache nach Gauchshausen und Hochtänn lief, weiter mittels der Bühler und des Sulzbaches den Kocher erreichte, und zuletzt am Kocher fort bis wieder nach Hüttlingen gelangte. Hienach hat der Wald seinen Hauptstock im Oberamtsbezirke Elwangen, erstreckt sich aber auch in die Oberämter Aalen und Krailsheim. Vom Kapitel Dinkelsbühel berührte er nur die westliche Grenze an der Rothach und einige Neben-Orte der Pfarrei Segringen zwischen Stettlin und Mazenbach. Bis zur Werniz aber lief der alte geschichtliche Virgund in keinem Falle, daher auch Dinkelsbühel schon außerhalb des Virgund im strengen Sinne liegt.
In späterer Zeit wurde der Name Virgund (mit Grimm, deutsche Myth. 1, 156 wohl am richtigsten abzuleiten vom gothischen fairgun, Berg), im Volksmunde verderbt in Virngrund oder Virnegrund, und dem hiedurch bezeichneten Landstriche ein weiterer Umfang beigelegt, als der alte Bannwald in sich gefaßt hatte. Zu Merian’s Zeit (Topographie von Schwaben, Frankf. 1693, S. 57) rechnete man, wie es schon Seb. Münster that (Cosmogr. Basel 1588, S. 821), „die Breite dieses Ländleins von Dinkelspühl bis an den Wald die Host [Forst?] genannt, und die Länge von dem Schloß Baldern bis an das Schloß Tannenberg“; was Zinkernagel (die Grenzen des Riesgaues, Wallerstein 1802, 40) kürzer also faßt: „Der Virngrund fieng am Ursprunge der Jaxt an, zog sich der Breite nach über Baldern und Dinkelsbühel, und der Länge nach bis an Tannenburg bei Obersontheim.“ Bei dieser Ausdehnung fällt allerdings nicht nur Segringen und Dinkelsbühel, sondern auch Mönchs-Roth noch in den Virngrund.
Der Kapitelsbezirk von Dinkelsbühel ist, besonders in seinem nördlichen Theile, stark ausgeprägtes Hügelland, mit den tief einschneidenden Thälern der Werniz, Sulzach und Rothach, mit reicher Bewaldung der Höhen und fruchtbarem Ackerlande in der Ebene und an den sanften Berg-Abhängen. Namentlich eignet sich zum Getreidebaue der südliche, sich mehr verflachende Landstrich von Möchs-Roth bis Gerolfing. Der Reichthum an Wasser, die vielen Senkungen und Einschnitte der Bodenfläche, der träge Lauf der Flüsse gab, besonders um Dinkelsbühel und nördlich davon, Anlaß zur natürlichen und künstlichen Bildung zahlloser Teiche und Weiher, welche früher das Land weitum mit Fischen versorgten, in neuerer Zeit aber zum großen Theile trocken gelegt und der Wiesen- und Acker-Cultur zugewendet wurden 6). Auch geschlossene Dörfer finden sich mehr in der südöstlichen Hälfte, während im bergigen Nordwest das System der kleinern Weiler und Einzelhöfe sich geltend macht.
Der ganzen Länge nach, von Greiselbach bis Dorf-Gütingen, wird der Bezirk von der alten Haupt-Landstrasse, welche ehedem den großen Handelsverkehr von Augsburg über Wirzburg nach Frankfurt vermittelte, durchschnitten, deren frühere Bedeutsamkeit aber nunmehr dahin ist. In Feuchtwangen zweigt von ihr die Landstrasse nach Ansbach ab; aus Dinkelsbühel’s Thoren führen Nebenstrassen nach Krailsheim, nach Elwangen, und zum Bahnhofe der bayerischen Südnordbahn bei Wasser-Trüdingen.
Die Landschaft wird von einer gemischt schwäbisch-fränkischen Bevölkerung bewohnt, bei welcher das schwäbische Element in der südwestlichen Hälfte mit Einschluß von Dinkelsbühel, das fränkische in der nordöstlichen Hälfte des Kapitels überwiegend hervortritt.
In politischer Beziehung gehört der Bezirk vollständig zum Regierungsbezirke Mittelfranken, und seine sechs katholischen Seelsorge-Stellen sind theils dem Bezirks-Amte Dinkelsbühel, theils dem Bezirks-Amte Feuchtwangen zugetheilt.
6)
Münster Cosmogr. S. 821 schreibt: „Die Stadt Dinckelspühl hat
vnder ihr so viel Weyer als tag im jar sind“.