14.
Kirche und Schule in Feuchtwangen von 1791 bis zur Gegenwart.
Dekan Nikolaus Höppl
wurde mit dem Übergang Feuchtwangens an das neugeschaffene Königreich
Bayern Untertan des dritten Herrscherhauses seit seiner Anstellung in unserer
Stadt. Seine zunehmende Schwachheit veranlaßte ihn, nachdem er 1810
bei der Neueinteilung der Dekanatsbezirke als Dekan der bei Feuchtwangen
verbliebenen elf Pfarreien bestätigt worden war, die Amtsgeschäfte
mehr und mehr Stellvertretern zu überlassen. Am 20 Januar 1813 ist
er im 87. Lebensjahr gestorben. Sein Bild und das seiner Frau hängen
im Kapitelssaal des Dekanatshauses. Die Stiftskirche wurde 1812 instand
gesetzt, wobei die Wandmalereien verständnislos abgerieben, das Kircheninnere
mit weißer Tünche und das herrliche Chorgestühl mit weißer
Ölfarbe gestrichen wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der nördliche,
an die Kirche anschließende Teil des romanischen Kreuzgangs abgebrochen,
die wohl siebenhundert Jahre alten Säulen in den Schutt geworfen und
durch Backsteinpfeiler ersetzt. Vor dem Amtsantritt des neuernannten Dekans
Ernst Prinzing ging man daran, den weitausgedehnten Pfarrsprengel zu verkleinern,
nachdem schon hundert Jahre früher Argshofen, Neidlingen, Lochhof
und Bechhof zur Pfarrei Dorfgütingen gekommen waren. Kaierberg, Sinzelhof,
Kleinohrenbrunn wurden der Pfarrei Dentlein zugeteilt, sowie auch die sechs
Häuser von Schwaighausen. Sperbersbach wurde nach Breitenau eingepfarrt.
Dekan Prinzing, von dem es heißt, er sei "der erste Liebling" des
berüchtigten Stephani, des Erfinders des Lautier-Leseunterrichts,
gewesen. (Chrn. Thomasius, das Wiedererwachen des evangelischen Glaubenslebens,
S. 63), war ein Anhänger des Rationalismus. Der "Vernunftglaube" stand
nun dahier in voller Blüte. Das war auch unter seinem Nachfolger Leonhard
Tretzel der Fall, der zwar als vorzüglicher Obstbaumkenner im Dekanatsgarten
eine Birne züchtete, die heute noch als Feuchtwanger oder Dechantsbirne
bekannt ist, der aber so wenig kirchlichen Sinn hatte, daß er die
bußwürdige St. Johanniskirche zum Unterricht der Jugend der
Stadt übergeben und deren Orgel nach Wieseth verkaufen wollte. Indes
besannen sich die Feuchtwanger doch eines Besseren. Die Kirche wurde hergestellt
und 1827 wieder in Gebrauch genommen. Unter Tretzels Nachfolger, dem geschäftstüchtigen
Dekan Heinrich Friedrich Esper, einem grundgelehrten Manne, der wieder
im Geiste Höppls waltete, kam am 10. Februar 1835 der Vertrag zustand,
demzufolge die St. Johanniskirche, die bis dahin Eigentum der Stadt war,
in den Besitz der Gesamtgemeinde überging, zu der seit 18. Mai 1827
auch die Protestanten der nach Aurach gepfarrten Orte Westheim und Windshofen
nebst der Schutzmühle gehören.
Als
das Ansbacher Land mit Bayern vereinigt worden war, wurden Stiftugsadministrationen
gebildet, denen das Kirchenvermögen übergeben werden mußte,
mit dem aber manche Administratoren übel hausten. Bei der Wiederaufhebung
dieser Behörden im Jahr 1818 wurde das gesamte Vermögen der Feuchtwanger
Kirchen samt dem der Wohltätigkeitsstiftungen unterschiedslos der
Stadt übergeben, deren Verwaltung es nun ausschließlich unterstand,
sodaß Dekan Prinzing sich 1820 verklagen lassen mußte, weil
er aus den Kirchenstuhlgeldern einige kleine kirchliche Anschaffungen gemacht
hatte. Das revidierte Gemeindeedikt vom 1. Juli 1834 ordnete in den Abschnitten
59 und 94 besondere Kirchenverwaltungen an. Nun trat Dekan Esper für
die Rechte der Kirche ein. Er beantragte die Ausscheidung des Kirchenvermögens
aus der Vereinigten Kirchen- und Almosenstiftung, deren Vermögen 23000
Gulden betrug und die Wiederherstellung der Johannispflege, sowie die Feststellung,
wie und durch wen das Vermögen der Michaeliskirche mit der Almosenstiftung
vereinigt worden sei. Es wurde aber nur soviel erreicht, daß die
Stadt genötigt wurde, jährlich 200 Gulden (342,86 M) für
kirchliche Zwecke abzugeben, die von der St. Michaelspflege verwaltet wurden,
bis die Regierung 1872 die Errichtung einer Stiftskirchenstiftung anordnete,
der man jene Summe überwies. Nach dem Oberappellationserkenntnis vom
30. April 1853 ist das Staatsärar verpflichtet, bei der Stiftskirche
für die großen und kleinen Baufälle an Kirche und Orgel,
für Hostien, Glockenseile u.s.w. aufzukommen, dagegen sind Abendmahlswein,
Beheizung der Sakristei, Kirchengestühl nicht Sache des Aerars. Die
St. Johanniskirche erforderte 1861 unter Dekan Meinel wieder Herstellungsarbeiten,
die auf 2284 Gulden zu stehen kamen. Der Betrag mußte durch Umlagen
aufgebracht werden, was leider lang sich hinziehende Prozesse im Gefolge
hatte, da manche Gemeindeglieder vom Lande die Zahlung verweigerten. Dagegen
konnte die Instandsetzung des Johannisturms im Jahre 1911 mit 1000 Mark
aus dem aufgesammelten Kapital für Erneuerung der Kirche bestritten
werden, dessen Grundstock das Vermächtnis der Bauernwitwe Möbus
und ihres Sohnes im Betrag von 8000 Mark bildete.
Den größten Aufwand
aber, der in Feuchtwangen je für kirchliche Bauten gemacht wurde,
erforderte die Stiftskirche. Sie war im Laufe der Jahrhunderte in bedrohlicher
Weise baufällig geworden. Die südliche Mittelschiffwand war stark
aus dem Lot gewichen, das Mauerwerk des Südturmes war auseinandergetreten,
sodaß die äußere Mauerfläche weit überhing,
und die Dachsparren hatten sich bedeutend nach Westen geneigt und drückten
auf die beiden Türme, was wahrscheinlich auch die Ursache des Einsturzes
der beiden im Jahr 1526 gewesen war. Die Anbringung von Gegenstreben im
Jahr 1887 war nur ein Notbehelf. Zwischen den Türmen über dem
schönen romanischen Mittelbau war ein hoher, roh gearbeiteter Giebel
aufgeführt, um eine Türmerwohnung zu gewinnen. Dieser Giebel
wurde zwar 1887 eingelegt, wobei die Hälfte eines prächtig gezierten
romanischen Rundfensters60 zum Vorschein
kam, aber die anderen Baugebrechen dauerten fort. Außerdem bot die
Kirche nicht genügend Raum für die große Gemeinde und das
Gestühl war teilweise ganz roh. Es bestand z. B. für die männliche
Jugend auch in Balken, die man mit Füßen versehen hatte. Da
wagte es der Verfasser, der wegen Erkrankung des Dekans Matthäus Seßner
die Dekanantsverwesung und den Vorsitz der Kirchenverwaltung hatte übernehmen
müssen, am 25. November 1892 an die Königl. Regierung den Antrag
auf Erweiterung der Stiftskirche zu richten. Es folgte nun ein jahrelanger
Schriftwechsel, bei dem sich die Regierung stets darauf hinauszog, daß
die Gemeinde überhaupt nichts in der Stiftskirche zu tun habe, da
die St. Johanniskirche die Pfarrkirche sei, daß demnach der Staat
auch nicht verpflichtet sei, in der Stiftskirche Raum zu schaffen. Das
währte, bis die Durchforschung der beim Konsistorium Ansbach und im
Kreisarchiv zu Nürnberg befindlichen Akten die Abschrift des Dekrets
zutag förderte, in dem es heißt, daß Markgraf Joachim
Ernst am 19. Dezember 1623 mit Gemahlin und Fräuleinzimmer (Tochter)
hier gewesen sei und sich von dem Platzmangel in der Pfarrkirche überzeugt
habe. Noch am gleichen Tage habe er die Stiftskirche der Gemeinde überwiesen.
- Auf dieser Grundlage konnten nun die Verhandlungen weiter geführt
werden und sie endeten damit, daß 1911 ein Voranschlag ausgearbeitet
wurde, der für Instandsetzung der Stiftskirche 225000 Mark und für
deren Erweiterung 26000 Mark vorsah. Beide Summen wurden dann auch vom
Landtag genehmigt, wobei nicht vergessen werden soll, welche guten Dienste
der damalige Landtagsabgeordnete des Bezirks, Ökonomierat Friedrich
Soldner vom Georgenhof, der Sache geleistet hat. Im April 1913 nach der
Konfirmation begannen die Arbeiten. Es wurde das Kirchendach abgetragen,
der Kranzturm, die zweigeschossige Vorhalle, die südliche Mittelschiff-
und die nördliche Seitenschiffmauer eingelegt. Für den Turm wurde
ein fester Grund hergestellt, indem 80 Bohrlöcher 7 Meter tief in
die Erde getrieben, mit Eisengerüsten versehen und mit flüssigem
Zement ausgestampft wurden. Darüber kam eine starke Betonplatte, auf
der der Turm genau so, wie er gewesen war, wieder aufgebaut wurde, nur
daß man die schadhaften Steine durch Muschelkalkquader ersetzte.
Die südlichen Mittelschiffsäulen wurden ebenfalls auf gefesteten
Grund gestellt. Am 6. April 1914 wurde feierlich der Grundstein des Turmes
gelegt. Nun aber brach der Krieg aus und die Bautätigkeit mußte
vorerst ganz eingestellt werden. Nachdem sie im Oktober wieder aufgenommen
worden war, gelang es, die Kirche im Rohbau 1916 fertigzustellen. Die zweitgrößte
Glocke kam vom Nordturm zur großen auf dem Kranzturm. Dieser erhielt
eine freitragende Steintreppe. Dann gings über die Ausgestaltung des
Kircheninnern. Durch die Anordnung des Bauleiters Professor Schmitz in
Nürnberg, wodurch die östlichen Seitenschiffenden durch in die
Mauer gebrochene gotische Bogenöffnungen mit dem Mittelschiff verbunden
und durch westlichen Mauerabschluß zu Kapellen gestaltet wurden.,
hat die Kirche ungemein gewonnen. Auf des Verfassers Antrag wurde auf der
Nordseite eine zweite Empore eingebaut und Kathedralglas für die Fenster
des Mittelschiffs verwendet. Zur Herstellung der gemalten Chorfenster,
die auf 7300 Mark kamen, und der herrlichen in den fünf liturgischen
Farben gehaltenen Altarbekleidung, die samt Schrank 5218 Mark kostete,
leistete die Gemeinde gerne freiwillige Beiträge. Die Liebingschen
Eheleute in Banzenweiler spendeten 1000 Mark zu einem in Berlin prachtvoll
in Silber getriebenen und vergoldeten Ciborium und ebensolcher Abendmahlskanne
und die Eheleute Müller in Aichenzell stifteten einen nach dem Vorbilde
des im Dom zu Bremen befindlichen gefertigten Kronleuchter zum Andenken
an ihre beiden im Krieg gefallenen Söhne, der auf 1200 Mark zu stehen
kam. Es war erhebend zu sehen, wie sich fast ausnahmslos alle Gemeindeglieder
mit Gaben an der Ausschmückung der Kirche beteiligten und damit der
Liebe zu ihrem Gotteshause Ausdruck gaben. Die Gemeinde hatte das Kirchengestühl
zu beschaffen, das 19000 Mark kostete. Am 15. August 1920 fand die Einweihung
der Kirche durch Oberkirchenrat Baum statt, wobei der Verfasser über
Psalm 118 Vers 24 die Predigt hielt und die ganze Gemeinde das Glaubensbekenntnis
sprach, wie sie das in den Kriegsgottesdiensten zu tun gelernt hatte. Nachmittags
predigte Pfarrer Schwab in der herrlichen und schön geschmückten
Kirche über 1. Mose 28, Vers 16 und 17. Wegen der noch fehlenden Orgel
folgten noch längere Verhandlungen, die dazu führten, daß
das Werk dem hiesigen Orgelbauer Holländer übertragen und von
ihm in zufriedenstellender Weise hergestellt wurde. Es ist ein Wunder,
daß mit Gottes Hilfe eine so große Sache trotz des schrecklichen
Weltkrieges hatte durchgeführt werden könne. - Nach der Wiederherstellung
der Stiftskirche sollte die der St. Johanniskirche erfolgen, wofür
schon 14000 Mark vorhanden waren. Aber die in den Jahren 1921 bis 1923
bis zu einer in der Weltgeschichte noch nie dagewesenen Höhe sich
steigernden Geldentwertung verhinderte die Ausführung der Absicht.
Was
die im geistlichen Amte Stehenden anlangt, so waren es im letzten Jahrzehnt
vor Abfassung dieser Schrift folgende. Nach der 1900 erfolgten Ruhstandsversetzung
des Dekans Matthäus Seßner kam auf die erste Pfarrstelle Wilhelm
Schaudig, der von 1867 bis 1885 Pfarrer in Dentlein gewesen, dann 1885
dahier dritter, 1889 zweiter Pfarrer, 1891 Senior und Dekanatsverweser,
1896 Dekan und 1901 erster Pfarrer geworden war. Er gehörte von 1901
bis 1918 dem Mittelfränkischen Landrat, von 1900 bis 1907 der Kommission
für die Anstellungsprüfung der Schulamtskandidaten an, war von
1891 bis 1910 Distriksschulinspektor, bekam 1909 den Kirchenratstitel,
am 1. Oktober 1918 das Ehrenkreuz des Ludwigsordens, wurde am 1. Juni 1924
in den Ruhestand versetzt und erhielt am 1. Dezember 1925 das Ehrenbürgerrecht
der Stadt Feuchtwangen. Sein Nachfolger ist der Dekan Johannes Seiler,
der 1893 Pfarrer in Oppertshofen, 1902 in Großsorheim, 1912 in Dillingen
a. D. war und 1924 auf die hiesige erste Stelle ernannt wurde. Die
zweite Pfarrstelle hat seit 1914 Alfred Schwab inne, der 1900 Pfarrer in
Ehringen und 1909 Pfarrer in Segnitz war. Er ist der Vorstand des blühenden
hiesigen Evang. Arbeitervereins. Im Jahre 1908 trat Georg Schnorr die dritte
Pfarrstelle an. Im Jahre 1916 hat er sich mit Genehmigung der kirchlichen
Oberbehörde dem deutschen Generalgouvernement in Warschau zur Versorgung
der ihrer Pfarrer beraubten lutherischen Ansiedler in Polen zur Verfügung
gestellt, eine Hilftat, die ihre Anerkennung durch die Verleihung des Militärverdienstordens
IV. Klasse mit Schwertern und des Preuß. Verdienstordens für
Kriegshilfe fand. Seit Jahren leitet er den Evang. Jünglingsverein
in ersprießlicher Weise. An dem Kriegsbeschädigten Friedrich
Fenn hat die Gemeinde 1915 einen geschickten und zuverlässigen Pfarrmesner
bekommen, dem bei der Trennung der Schule von der Kirche auch die Stiftsmesnerei
übertragen wurde. Das Kantorat versieht seit jenem Zeitpunkt der Oberlehrer
Gallus Heiden, wie schon zuvor. Der Organistendienst ist dem Musikmeister
H. Fürst übertragen. Die Frage des Eigentums an den Schulgebäuden
ist derart gelöst, daß der Kirchenverwaltung schon vor dem Krieg
das notariell verbriefte Recht gesichert wurde, bei Bedarf ihrem Kantor
die Wohnung im ehemaligen Subrektorate anzuweisen. Am 3. April 1924 erfolgte
das Übereinkommen mit der Stadt, daß dieser das neuerbaute Kantorat,
dagegen der Kirchenstiftung das bisherige Organistenhaus von der Stadt
eigentümlich überlassen wurde. Am gleichen Tage trat die Kirchenstiftung
das ihr gehörige Stiftsmesnerhaus (Stadtlandschule) an die Schulgemeinde
Aichenzell um den Preis von 1300 Mark ab.
Genau vierhundert Jahre
ist es her, daß in Feuchtwangen eine deutsche Schule ins Leben gerufen
wurde, und zweihundertundsiebzig Jahre ist sie in der angefangenen Weise
fortgeführt worden, nämlich so, daß nur Ein Lehrer an ihr
wirkte, der Knaben und Mädchen mit einander unterrichtete. Unter der
preußischen Regierung erfolgte 1798 eine Änderung dieser Verhältnisse.
Als der Kantor, der 2. Lateinlehrer, Andreas Mangolt, im März 1798
gestorben war, wurde die Stelle nicht mehr besetzt, sondern in eine deutsche
Landschule verwandelt, die, verbunden mit der Stiftsmesnerei, der Lehrer
J. Friedrich Büttner erhielt. Zugleich damit wurde auch das Infimat
aufgehoben und in eine deutsche Knabenschule umgestaltet, die dem bisherigen
Infimus und Verweser des lateinischen Kantorats Christian Friedrich Riedel
anvertraut wurde mit dem Auftrag, eine Vorschule für die Lateinschule
zu führen. Er hatte seine Wohnung im unteren Stock des Rektorates.
Der bisherige deutsche Lehrer Joh. Ernst Krämer lehrte und wohnte
im Organistenhause am Kirchenplatz. Er bekam die Mädchenschule. Als
Organist und Mädchenschullehrer ist er am 3. April 1804 gestorben.
- Unter der bayerischen Regierung erfolgte der weitere Ausbau der deutschen
schule. Die Landschule wurde 1825 aufgehoben, wobei die Kinder von 18 um
Feuchtwangen gelegenen Dörfern, Weilern, Höfen und Mühlen
der Stadtschule zugeteilt wurden. Im Jahr 1830 bestanden sechs Schulklassen:
1. Obere Knabenklasse, Lehrer Leonhard Käppel, zugleich Kantor. 2.
Obere Mädchenklasse, Lehrer Andreas Weigel, zugleich Organist. 3.
Obere Mittelklasse, gemischt, Lehrer Martin Summa. 4. Untere Mittelklasse,
gemischt, Lehrer Moritz Schmidsiller. 5. Obere Elementarklasse, bemischt,
Lehrer Andr. Hübsch. 6. Untere Elementarklasse, gemischt, Lehrer Johann
Ostertag. Die Klassen waren stark besetzt. Sie hatten alle von 78 bis 98
Schüler, deren es im ganzen 522 waren. Von ihnen waren 491 evangelisch,
4 katholisch und 27 jüdisch. Wegen dieser Überfüllung schritt
die Regierung zur Wiederherstellung der mit der Stiftsmesnerei verbundenen
Landschule. Die Regierung hatte 1797 das auf dem Spitzenberg gelegene Stiftsmesnerhaus
um 2055 Gulden verkauft und den Stiftsmesner in das Haus der auf nur noch
Eine Klasse beschränkten Lateinschule, das ehemalige Reliquiarium,
verwiesen. Es wurde also die Landschule, jetzt Stadtlandschule genannt,
wieder eröffnet, ihr die bisher die Stadtschulen besuchenden Landkinder,
die gewissermaßen als Fremdkörper in ihnen empfunden worden
waren, zugeteilt und mit der Schulstelle die Stiftsmesnerei verbunden.
Bisher waren die kirchlichen Betätigungen des Landschullehrers dem
Lehrer Büttner übertragen, während die niederen kirchendienstlichen
ein dazu aufgestellter Mesner versah, der seine Wohnung im Reliquiarium
hatte. Nun wurde dieser daraus entfernt und das Haus war forthin das Stadtlandschulhaus,
ohne seine Eigenschaft als Kultusgebäude verloren zu haben, was hernach
bei der durch die Trennung der Schule von der Kirche veranlaßten
Auseinandersetzung mit der Schulgemeinde der Stadtlandschule von ausschlaggebender
Bedeutung war. Ein Ausfluß der dem Staate an dem Gebäude obliegenden
Baupflicht war es, daß die Schule später um die Hälfte
nach Norden hin erweitert wurde. In dem Neubau wurde ein oberer und ein
unterer Schulraum eingerichtet, sodaß der übrige Teil des Hauses
zur Wohnung für die Lehrersfamilie und für den Hilfslehrer frei
wurde. - Die Stadtschule war nun entlastet. Ihre Schüler waren sieben
Klassen zugeteilt, bei vorhandenen sechs Lehrkräften, sodaß
der mit dem Kantorate betraute Lehrer die Knaben und Mädchen des 6.
Und 7. Jahrgangs zusammen unterrichtete. Da dies sich als nicht recht entsprechend
erwies, legte die Regierung die zweite und dritte Klasse als in ihrer Lehraufgabe
sich näher stehend zusammen, drang aber um 1900 wegen der auch jetzt
noch bestehenden Schwierigkeiten auf Errichtung einer siebenten Lehrstelle.
Infolge dessen hat nunmehr jeder Lehrer bei dem Rückgang der Geburten
30 bis 50 Kinder zu unterrichten.
Was
die Schulräume anlangt, so sind sie mit Ausnahme der Kantoratsschule,
die zuerst im Rektoratsgebäude, sodann in dem von der Regierung errichteten
Neubau untergebracht wurde, alle in dem im 1860 hergestellten Stadtschulhaus
befindlich. Dieses ist in wenig zweckdienlicher Weise an der lärmvollen
oberen Gasse gelegen und hat wegen seiner zu geringen Fensterhöhe
schlechten Lichteinfall. - Die Staatsumwälzung von 1918 äußerte
ihre Folgen auch bald auf dem Gebiet der Schule. Die Lokalschulinspektion
und die Distriktsschulinspektion fielen dahin. Die neuerrichtete Bezirksschulratstelle
wurde dem bisherigen Organisten und Lehrer der sechsten Klasse Schweigert
übertragen, der ohne Lehraufgabe die Schulaufsicht über einen
ausgedehnteren Bezirk in ersprießlichster Tätigkeit führt.
Der Kirchendienst wurde vom Schuldienst in der Weise getrennt, daß
die früher mit ihm beauftragten Lehrer ihn freiwillig übernehmen
konnten, sofern es gottesdienstliche Leistungen betrag. Infolge dessen
wurde die mit der Stadtlandschulstelle verbundene Stiftsmesnerei mit der
Pfarrmesnerei vereinigt und der Organistendienst dem städtischen Musikmeister
Fürst übertragen, während der Lehrer der 7. Klasse, Oberlehrer
Heiden, die Versehung des Kantoratsdienstes beibehielt.
60)
Die Bauleitung ließ nach seinem Vorbild ein neues Rundfenster herstellen,
das in dem damals errichteten Giebel angebracht, aber bei dem neuerlichen
Umbau nicht mehr verwendet wurde. Es liegt jetzt im Garten des Museums.
Erstellt
am 27.3.1999 durch Hans Ebert