Friedrich Jacobi - Geschichte der Stadt ... 
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Zweite Periode.

Feuchtwangen unter Burggräflich Nürnbergischer und Markgräflich Ansabachischer Landeshoheit.
1376 - 1791.

X. Abschnitt.

Die Zeit nach dem dreißigjährigen Kriege bis zu Ende des 17ten Jahrhunderts.
1648 - 1700.

Das trauervolle Bild, welches Teutschland nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges im Großen darstellte, spiegelte sich auch in Feuchtwangen und seiner Umgegend im Kleinen ab. Alles war zertrümmert und verheert, daß die Sonne nur Wüsten beschien, und der Regen nur Öden benetzte; und selbst des Menschen Wohnungen waren Brandstätten oder leeres Gemäuer, von den Hilfsmitteln des Lebens entblößt und von Menschen verlassen. Die Zahl der Bewohner, welche während des Krieges Feuchtwangen verloren hatte, läßt sich zwar nicht angeben; aber sie muß bedeutend gewesen seyn, wenn man bedenkt, daß in Wassertrüdingen kaum noch zwanzig Häuser bewohnt wurden, Kadolzburg sechs Familien zählte, und Hohentrüdingen ganz leer stand. Auch heißt es in den alten Feuchtwanger Gedenkbüchern: "Nach dem Abzug der Franzosen war der Hunger so groß, daß er nicht größer seyn könnte; denn sie sahen sich aller Habseligkeit beraubt, litten Mangel an der Speis, Kleidung und andern Nothdürftigkeiten; wie es sich denn in der Wahrheit also verhalten, daß in allen Bürgershäusern nach dem Abzug der Franzosen kein Stück Brod mehr zu bekommen gewesen. Auf dem Land war es fast noch schlimmer, denn der Bauersmann wurde durch die ohnaufhörlichen Kriegspressuren in einen solchen Stand gesetzt, daß er sich nicht mehr erholen, oder zu Kräften kommen können, sondern den Bettelstab ergriffen, und Haus und Hof verlassen."

Feuchtwangen hatte auch länger, als ein Jahrhundert nöthig, bis es sich wieder erholte; und seine Genesung von den Leiden des dreißigjährigen Krieges war in der nächsten Zeit, die ihm folgte, um so unmöglicher, als die Steuern und Abgaben, welche es zu den allgemeinen Landesbedürfnissen und Landesschulden leisten mußte, die Wunden immer aufs Neue blutend machten. So mußte z. B. Feuchtwangen sogleich nach dem Friedensschluß Hundert Gulden Friedenssteuer zahlen, und es war vergebens, daß seine Abgeordneten auf dem Landtage zu Ansbach im Jahre 1651 in zwölf Punkten die Lasten aufzählten, welche die unglückliche Stadt während des Krieges getragen hatte, und daß sie mit demüthigstem Flehen um Nachlaß baten. Ebenso mußte Feuchtwangen beisteuern, als 1655 der Markgraf vom Lande die Erlegung von zehn Tausend Gulden verlangte, um über die Preußische Regierungsnachfolge Unterhandlungen anknüpfen zu können, und 1656 auf dem Landtage zu Ansbach, bei welchem von Feuchtwangen drei Abgeordnete, (Einer vom Stift, Einer von der Stadt und Einer vom Amte) zugegen waren, den Antrag stellen ließ, daß man zwölf Tausend Reichsthaler zu einer Badereise, zu Bauten und andern Hofbedürfnissen bewillige. Das Einzige, was der Landtag that, war, daß er nur zwei und neunzig Hundert Reichsthaler zugestand, und die Bedingung beifügte, das Land künftig mit dergleichen "Extraordinari-Auflagen" zu verschonen. Der Landtag von 1658 beschäftigte sich mit den Durchzugskosten des Kaisers, und das Jahr 1656, in welchem Kaiser Leopold I. den Thron des Reiches bestieg, erinnerte Feuchtwangen, daß es auch in seiner Nähe einen Thron und einen Hof besaß. Es wurde nämlich auf dem Landtage zu Ansbach bekannt gemacht, daß man zur Erhaltung des Hofstaates Zuschluß nöthig hätte, weil die "Ordinari-Kammer-Gefälle seither nicht zulänglich gewesen." Der Landtag zu Crailsheim im Jahre 1661 hatte es mit der Hilfe gegen die Türken zu thun, die jedoch, zur großen Freude des Landes, 1665, in Vereinigung mit den Franzosen, geschlagen wurden. Dagegen wurde auf den Landtagen 1662 und 1665 der Antrag um Zuschluß zu den Kammergefällen erneuert, und zwar mit dem Zusatz, "daß die Vermählung des Fürsten (die dritte mit Prinzessin Christina von Baden) auch Geld koste."

Der Tod des Markgrafen Albrecht V., dem mit Recht der Beiname des Rechtschaffenen gegeben wird, brachte Feuchtwangen und dem Lande im Jahre 1661 eine vormundschaftliche Regierung, und zwar die des großen Churfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Der neue Regent ließ seine Sorgfalt für Ackerbau, Gewerbe, Handel, Künste und Wissenschaften auch auf das Markgrafthum Ansbach übergehen, und verschonte das Land mit ausserordentlichen Abgaben, so daß dem engeren Ausschuß des Landtages, bei welchem Feuchtwangen durch den Abgeordneten der Stadt Crailsheim mit vertreten wurde, nur die Rechnungen über Staats-Einnahmen und Ausgaben vorgelegt werden durften, welche nie die gesetzlichen Grenzen überschritten. Erst im Januar 1672 wurde der mittlere Ausschuß, zu welchem Feuchtwangen seinen Bürgermeister Johann Heinrich Benz abordnete, zu einer Berathung und Beschließung über die Unterahltungskosten der Festung Wilzburg, so wie über die Verpflegungskosten des auf Reisen in Frankreich, Italien und den Niederlanden begriffenen Erbprinzen Johann Friedrich nach Ansbach gerufen. Allein die Ausgabe dauerte nicht lange, da der Prinz noch in diesem Jahre die Regierung des Landes antrat. Auch gewann die Regierung den Abgeordneten von Feuchtwangen, Bürgermeister Benz, auf dem mittlern Landtagsausschlüssen in den Jahren 1674, 75, 78 und 79 so lieb, daß sie ihn durch Rescript vom 15ten October 1680 zum Abgeordneten von Feuchtwangen auf Lebenslang ernannte, und damit die Wahl der Stadt verwarf, welche auf dem Bürger Stephan Wolff gefallen war und von dem Stiftsverwalter Klingler, so wie von dem Vogt Funk, verfochten wurde. Wirklich erschien auch bei den mittlern Landtagsausschüssen in den Jahren 1682, 1684, 1687, 1688 und 1689 jedesmal Benz als Abgeordneter von Feuchtwangen, und da es sich dabei nur um die Anhörung der gelegten Rechnungen handelte, so konnte man sich leicht beruhigen.

In das stille, einförmige Leben Feuchtwangens brachten in diesem Zeitraume zwei durchreisende, fürstlichte Häupter eine kurze Abwechslung. Im Jahre 1654 übernachtete daselbst die Königin Christina von Schweden, nach ihrer Zepterübergabe an Karl Gustav, und setzte am andern Tage ihre Reise nach Insbruck fort, wo sie dem Glauben entsagte, für den ihr Vater, Gustav adolph, sein Leben gelassen hatte, und dann nach Rom eilte, wo sie ihren Einzug in Amazonentracht hielt.

Die zweite Durchreise, welche den Einwohnern von Feuchtwangen im Jahre 1675 das Schauspiel der Seltenheit und Merkwürdigkeit gab, war die des großen Churfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, des ehemaligen vormundes des Landes, und des damals regierenden Markgrafen Johann Friedrich. Lange sprach man von diesem Besuche, bis ein neuer, für das kirchliche Leben der Stadt besonders wichtiger, die Gemüther beschäftigte.

Es erschien nämlich im Jahre 1679 der Geheimrath und Consistorial-Präsident Johann Jakob Benz, der Consistorialrath und Superintendent Dr. Gottfried Händel und der Consistorialrath und Sekretär Johann Lorenz Stahl von Ansbach, um den Zustand der Kirche in Feuchtwangen zu untersuchen, und sogar die Religionskenntnisse der ganzen Gemeinde zu prüfen. Es wurde daher am Tage nach ihrer Ankunft feierlicher Gottesdienst gehalten, und als dieser beendigt war, die Kirche geschlossen, und durch die genannte Commission und die Geistlichkeit der Stadt jedes einzelne Glied der Gemeinde in dem lutherischen Katechismus und in der christlichen Glaubens- und Sittenlehre überhaupt geprüft. Darauf bestieg Consistorialrath Händel die Kanzel, forderte diejenigen Kirchglieder, welche sich "beim examine fein bewiesen," auf, also fortzufahren und zu wachsen; die andern aber, "sich zu bessern; warnte jeden männiglich vor Abgötterei, Fluchen, Schwören und andern bösen Lastern;" ermahnte, Gott inbrünstig zu danken, daß er die Stadt bisher beschützet und ihr so viel Gutes erwiesen; und schloß mit dem wiederholten Reim:

Um zwölf Uhr wurde die Prüfung geschlossen, und bei Bürgermeister Benz zu Mittag gespeist; Nachmittags wurden die drei Klassen der lateinischen Schule untersucht, und zum Schluß die Wohnung des ersten Diakons in Augenschein genommen. Als die Commission am andern Tag nach Weydelbach in gleicher Absicht abreiste, machte ihr die Stadt für die gehabte Bemühung ein Geschenk von zwei und dreißig Gulden nebst vier Gulden für die beiden Bedienten, und der Stadtschreiber Kolb überbrachte dasselbe mit schuldigster Danksagung.

Von dem sonstigen Leben der Stat erfährt man aus dieser Zeit weiter nichts,als daß 1680 auf dem hintern Theil der Stiftskirche das Thürmlein aufgebaut wurde, in welchem sich noch jetzt das Uhrwerk befindet; daß sich die Stadt bei der Regierung über die auf eingepfarrten Dörfern errichteten Wirthschaften, so wie über die auf Dörfern errichteten neuen Wagen zum Verkauf der Lebensmittel beschwerte, weil ihr dadurch ein wichtiger Nahrungszweig entzogen würde; und daß im Jahre 1684 der Blitz in den Thurm der Stiftskirche schlug, und in der Wohnung des Thürmers den Lehrjungen desselben tödtete, der eben, mit einem Kinde auf dem Arm, am Fenster stand; jedoch blieb das Kind in seinen Armen verschont. Übrigens beunruhigte das Vordringen der Türken und ihre Belagerung Wiens im Jahre 1683 auch die Bewohner der fernen Sulzach, bis der Entsatz der, von Graf Staremberg meisterhaft vertheidigten Kaiserstadt durch den edlen Polenkönig Sobiesky und den tapfern bayrischen Churfürsten Maximilian Emanuel den Angstruf stillte, welcher durch ganz Teutschland, ja durch Europa tönte, und in Volksliedern bis auf die neueste Zeit nachhallte.

Die Aufhebung des Edictes von Nantes im Jahre 1685, wodurch König Ludwig XIV. Auf den Rath seiner frömmelnden Maintenon und seines Beichtvaters la Chaise sieben Hunderttausend Protestanten nach unzähligen Grausamkeiten zur Auswanderung nöthigte, brachte auch nach Feuchtwangen einzelne geflüchtete Glaubensgenossen; aber es gefiel ihnen nicht, sich daselbst anzusiedeln. Auch steht dahin, ob die Feuchtwanger sie liebreich aufgenommen haben würden, da der Haß der lutherischen Protestanten gegen die calvinischen damals selbst in der Residenzstadt Ansbach so groß war, daß der aufgeklärte Markgraf Johann Friedrich, aus Besorgniß eines Aufstandes, den Plan aufgeben mußte, den einwandernden französischen Flüchtlingen einen Platz in Ansbach (die jetzige neue Anlage) zur Niederlassung anzubieten, sondern genöthigt war, sie nach Schwabach und Erlangen zu verweisen.

Leider starb dieser, über seiner Zeit stehende Markgraf schon im nächsten Jahre, in dem Blüthenalter von dreißig Jahren; und da der Tod auch den Erbprinzen Christian Albrecht noch vor seinem Regierungsantritt auf der Heimreise zu Frankfurth a. M. 1692 wegriß: so ergriff der zweite Prinz, Georg Friedrich, das Staatsruder, und lenkte das Schifflein glücklich durch die Wogen des sturmlosen Meeres im scheidenden Jahrhundert.


Erstellt am 27.3.1999 durch Hans Ebert
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