Friedrich Jacobi - Geschichte der Stadt ... |
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Erste
Periode.
Feuchtwangen
als unmittelbare Reichsstadt.
792
- 1326.
III. Abschnitt.
Umwandlung des Klosters in ein Stift und Geschichte desselben bis zur Schutzvogtei des Burggrafen von Nürnberg.
1197 - 1376.
Die Ausartung des Benedictiner-Ordens hatte, wie an andern Orten, so auch in Feuchtwangen die Vertreibung der Mönche und die Umwandlung des Klosters in ein Stift zur Folge (25). Da indessen die päpstliche Bulle darüber nicht mehr vorhanden ist, so läßt sich die Zeit der Umwandlung nicht genau angeben. Nur so viel ist gewiß, daß es 1197 schon in ein Stift verwandelt war, weil sich in einer Urkunde des Bischoffs von Augsburg für Steingalen vom Jahr 1197, worinn sämmtliche Domherren des Hochstiftes Augsburg als Zeugen aufgeführt werden, schon ein Propst Heinrich von Feuchtwangen findet, und Pröpste nur Stiftern, nicht Klöstern vorstanden (26). Überdieß spricht auch ein Ablaßbrief von 1213 schon von einer Collegiatkirche daselbst.
Das Stift, in welches Feuchtwang verwandelt wurde, war ein Collegiatstift, gehörte zum Bißthum Augsburg, und unterschied sich in seiner Einrichtung nicht von den übrigen. Es hatte als Vorstand einen Propst, der von dem Bischoffe in Augsburg ernannt wurde, und sich auch meistens am Hofe desselben in Augsburg, und seit 1480 in Dillingen aufhielt, weil die Pröpste von Feuchtwangen meist zugleich Domherren in Augsburg waren, und ihre ausgeschiedenen Güter genoßen; ferner einen Dechant, der, von den Chorherren aus ihrer Mitte gewählt, das eigentliche Haupt des Capitels war, und von dem insbesondere die innere Disciplin des Hauses, die Gerichtsbarkeit und die Verwaltung der Stiftsgüter abhieng; einen Custos, welcher die Aufsicht über die Kirchengebäude, die heiligen Geräthe, den Kirchenschatz, die Reliquien, die Archive und die Bibliothek hatte; einen Scholasticus, dem das Schul- und Erziehungswesen oblag; und noch 8 Chorherren, welche anfangs den Kirchendienst allein versahen, bald aber 12 Vicare anstellten, denen sie die Vigilien übertrugen. Jeder Chorherr und jeder Vicar bewohnte sein eigenes Haus, und da die Chorherrnhöfe von keiner Gerichtsperson betreten werden durften, so waren sie Freistätten für alle Verbrecher, die sie erreichen konnten. Übrigens verzehrten die Chorherren oder Canonicer oft ihre Pfründen an einem andern Orte, und ließen die Vicare den Kirchendienst versehen. Das Stift führte sein eigenes Siegel, ein kleineres und ein größeres, welche beide in grünes Wachs gedrückt wurden, und von denen jenes in einem dreieckigen Schilde 3 Nägel zeigte, welche mit den Spitzen zusammenliefen, und mit einer Schleife umwunden waren; dieses über dem Schild noch das Bildniß der Jungfrau Maria hatte, als der Schutzheiligen des Stifts, mit der Umschrift: "Öffentliches Siegel des Collegiatstiftes Feuchtwang", in lateinischer Sprache (27).
Das neu errichtete Stift blühte bald auf, und dazu trugen besonders seine Reliquien, Ablaßbriefe und Privilegien bei.
So wie jedes Kloster und jede Kirche, ja fast jeder einzelne Christ, besonders zur Zeit der Kreuzzüge und nach denselben, denkwürdige Gegenstände aus dem gelobten Lande zu besitzen wünschte: so strebte auch Feuchtwangen nach Reliquien, und war so glücklich, angeblich einen Nagel vom Kreuz Jesu zu erhalten. Seine Wirkung auf die Bewohner der Stadt und der Umgegend war ausserordentlich. Alles strömte herbei, den Wundernagel zu sehen; viele fromme Stiftungen knüpften sich an ihn und seine Wunderkraft; und, um seinen Besitz recht zu verherrlichen, wurden ihm zu Ehren Messen gelesen. Auch ward jährlich am Himmelfahrtstag ein Reliequienfest gefeiert, wobei man ihn in seiner goldenen Kapfel mit den übrigen Reliquien, worunter auch ein Dorn von der Dornenkrone Christi und ein Stück von dem Gürtel der Jungfrau Maria war, dem, auf den Knieen liegenden Volke zeigte und Indulgenzen ertheilte, ehe noch Papst Innocenz 1353 das Fest des Speeres und der Nägel anordnete.
Nicht weniger beförderten die erhaltenen Ablaßbriefe das Aufblühen des Stifts Feuchtwangen, von denen sich noch mehre in Abschrift vorfinden. So z. B. ein Ablaßbrief vom Papst Innocenz III, der aber unächt zu sein scheint, weil er weder Ort noch Zeit angibt, und weil Innocenz selbst in seinen Briefen über die unzähligen Verfälschungen Klage führt; ein Ablaß von Honorius II, von 14 Bischöfen unterschrieben; von Martin I, Sixtus IV, und anderen Päpsten.
Endlich trugen auch die Kaiserlichen Privilegien viel zum Aufblühen des Stiftes bei. Schon Kaiser Ludwig der Fromme soll dasselbe mit Briefen begnadigt haben, aber die Urkunden von ihm, wie von den übrigen Karolingern gingen durch Brand verloren. Das älteste, sich noch in Abschrift vorhandene Privilegium, dessen Ächtheit aber nicht ganz erwiesen werden kann, ist von Kaiser Otto IV. Aus dem Jahre 1208. Es bestätigt nicht nur dem Stift alle von Karl dem Großen und den folgenden Kaisern erhaltenen Rechte, und nimmt das Stift in besonderen Schutz, sondern ertheilt ihm auch eigene Gerichtsbarkeit, in deren Folge es von Zeit zu Zeit auf der Capitelstube unter dem Vorsitz des Stiftsüberreuters ein eigenes bürgerliches Gericht hielt, das über Beleidigungen, Körperverletzungen und andere Streitsachen entschied, und zur Hälfte mit vogtbaren, zur Hälfte mit unvogtbaren Lehenshintersassen des Stiftes aus den verschiedenen Orten besetzt war, mit Ausnahme der wenigen, welche ihr eigenes Gericht hatten (28). Ein Privilegium von Rudolph von Habsburg von 1284 stellt das Stift gegen Verpfändung sicher, und seine Rechte, Personen und Güter gegen Beeinträchtigung. Ein anderes von ebendemselben Kaiser, vom Jahre 1289, ertheilt die Erlaubniß, dem Stifte Feuchtwangen fahrende und liegende Güter zu schenken und in Testamenten zu vermachen. Diese beiden Privilegien bestätigen Albrecht I. 1303 und Ludwig der Bayer 1323, von denen der letztere am Schluß der Bestätigungsurkunde noch hinzufügte, daß ohne Wissen und Willen des Kapitels Niemand aus den Wäldern des Stiftes Holz schlagen dürfte, und daß die Höfe der Chorherren dieselben Rechte und Freiheiten, wie andere Kirchen genießen sollten. Derselbe Kaiser Ludwig der Bayer ertheilte auch 1336 sämmtlichen Häusern der Chorherren und Vicarien mit Allem, was sie begriffen, und was sonst zu ihnen gehörte, Steuerfreiheit.
So mußte das Stift
mehr und mehr an Umfang gewinnen, und es besaß bald, ausser der Stifts-,
der Johannis- und Peters-Kirche und mehren größeren und kleineren
Kapellen; z. B. der St. Jobst-Kapelle an der Rothenburger Straße,
der Hospital- oder heilige Geist-Kapelle, der St. Michaels-Kapelle auf
der jetzigen Königshöhe, der St. Peter und Pauls-Kapelle auf
dem Spitzenberg und anderen, 28 Gebäude in der Stadt, welche von Chorherren,
Vicarien und anderen zum Stiftsverbande gehörenden Personen bewohnt
wurden, und hatte 16 Bürger der Stadt mit ihren Familien und Zugehörigen
unter seiner Grundsteuer und Gerichtsbarkeit. Lehngüter hatte das
Stift fast in allen umliegenden Orten; 2 in Ober- und 10 in Unter-Ahorn,
7 in Aichenzell, 1 in Ober- und 7 in Unter-Ampfrach, 16 in Banzenweiler,
8 in Bergnerzell, 12 in Bernhardshofen, 10 in Bernau, 4 in Bieberbach,
4 in Bonlanden, 1 in Vorder- und 6 in Hinterbreitenthann, 20 in Eschbach,
8 in Gerenberg, 6 in Glashofen, 68 in Grünschwinden, 33 in Dorfgütingen,
2 in Gumpenweiler, 2 in Gundelbach, 21 in Hailbronn, 4 in Herrenschallbach,
31 in Hilgartshausen, 3 in Höfstetten, 2 in Kaltenbronn, 7 in Koppenschallbach,
11 in Krapfenau, 28 in Larrieden, 1 in Unter- 2 in Ober-Michelbach, 7 in
Mögersbronn, 34 in Mosbach, 2 in Neidlingen, 3 in Ohrenbronn, 6 in
Ober- und 5 in Unter-Ramsbach, 6 in Reichenbach, 6 in Rißmannschalbach,
6 in Rödenweiler, 19 in Schnelldorf, 5 in Schwaighausen, 15 in Seiderzell,
6 in Sperbersbach, 3 in Steinbach, 24 in Sommerau, 22 in Ober- und 3 in
Unter-Tallersbach, 8 in Tauberschallbach, 2 in Dentlein, 2 in Ulrichsberg,
4 in Ungetsheim, 2 in Volkhartsweiler, 9 in Wehlmeußel, 14 in Weickershofen,
29 in Windshofen, 12 in Winterhalden, 5 in Wüstenweiler, 3 in Zehendorf,
3 in Zettenberg, 5 in Zumberg; 1 in Heiligenkreuz, 15 in Brettheim 3 in
Wiesenbach, 9 in Igelstruth, 4 in Ottendorf, 9 in Rammerzell, 2 in Röschenhof,
1 sogar in Flozheim in der Pfalz, so daß die Zahl fast auf 400 läuft,
von denen 186 auch dem Stift grund- steuer- und vogtbar waren, ohne die
eizelnen Höfe, Mühlen und Sölden. Den großen ganzen
und kleinen Zehenten bezog das Stift von der Stadt Feuchtwang, von Ober-
und Unter-Ahorn, Aichenzell und Herrenschallbach, von Dinkelsbühl
diesseits der Wörnitz, von Eschbach, Frömmlesberg, Gehrenberg,
Grimschwinden, Hailbronn, Höffstetten, Heiligenkreuz, Georgenthal,
Jungenhof, Kaltenbronn, Koppenschallbach, Krapfenau, Larrieden, Leiperzell,
Mögersbronn, Moßbach, Neidling, Rammerzell, Ober- und Unter-Ransbach,
Reichenbuch, Rißmannschallbach, Rödenweiler, Schnelldorf, Schweickhausen,
Seiderzell, Sperbersbach, Sommerau, Tauberschallbach, Truber, Ulrichsberg,
Ungetsheim, Wehlmeußel, Weickersdorf, Weiler am See, Wiesenbach,
Winterhalten, Wüstenweiler, Zehndorf, Zettenberg und mehren Höfen
und Mühlen. Den kleinen Zehnten erhielt es von Unter-Ampfrach, Archshofen,
Banzenweiler, Bergnerzell, Bernau, Bieberbach, Bonnlanden und Breitenau.
Auch gehörte ein großer Theil von den benachbarten Waldungen
zum Stift und mehrere Fischwasser und Forstweiher. Von Brettheim, Reubach,
Moßbach und Ober-Ampfrach nahm es den Heiligen, und besetzte die
Pfarreien von Wiesenbach, Haußen, Reubach, Ober-Ampfrach, Moßbach
und Brettheim mit dem Filial Heilgartshausen (29).
Allein es wurde mit diesen Einkünften übel gewirthschaftet, und
das Stift häufte um die Mitte des 14ten Jahrhunderts eine solche Schuldenmasse,
daß es sich im Jahre 1341 benöthiget sah, die Einkünfte
der Johannis- oder Stadtkirche auf 4 Jahre zur Tilgung der Schulden zu
bestimmen. Dieß und die sinkende Zucht und Ordnung im Stift bewogen
endlich den Bischoff Burkhardt von Augsburg, im Jahr 1376 dem Burggrafen
Friedrich V. von Nürnberg die Pflege des Stifts mit den ausgedehntesten
Vollmachten zu übertragen, um innerhalb 4 Jahren das Stift von seinen
Schulden zu befreien, und Zucht und Ordnung wieder herzustellen (30).