Band 6
Anfang
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1844
 
Januar
Während diesem Monate mussten die meisten Offiziere und mehrere Landwehrmänner ihren Arrest auf dem Rathaus absitzen, weil sie im Jahre 1841 am Geburts- und Namensfeste Sr. Majestät des Königs aus Rivalität gegen die Jägerkompanie bei der statt gehabten Kirchenparade auseinander gelaufen sind, indem der damalige Major Landrichter Lippert befohlen hatte, die Musik müsse nicht erst (wie sonst) vor den Füsilieren185 voraus gehen, sondern ganz vorne vor der Schützenkompanie. Der Landwehrmajor Lippert war indessen abgetreten, Advokat Dr. Gareis ist Major geworden, und ein gewisser Groll ist langjährig in hiesiger Bürgerschaft geblieben.
 
31. März
Machte der Prinz Waßa186, Sohn des entthronten Königs von Schweden, hier Mittag auf der Post,  und da es gerade Sonntag war, wohnte derselbe dem Frühgottesdienste bei.
 
13. Mai
Das Schulkinderfest (Maifest) wurde unter schönstem Wetter gefeiert.
 
30. Mai
Übernachtete der russische Gesandte in München von hier auf der Post (Bayer. Hof).
 
11. Juni
Machte die Herzogin von Kent, Mutter der Königin von England, mit ihrem Sohn, dem Fürsten von Leiningen und Gefolge hier auf der Post Mittag.
 
16. Juni
Reiste der Graf Rostophschin187, bekannt durch den Brand von Moskau im Jahr 1812, hier durch.
 
25. Juni
Entsetzlicher Hagelschlag über 24 Landgerichtsbezirke von Ober- und (besonders) Niederbayern (der Kornkammer) und Schwaben, so dass für diese im ganzen Land Kollekte angeordnet wird. Ein sehr großes Unglück!
 
8.Juli
Geburtsfest Ihrer Majestät der Königin wir gefeiert.
 
13. Juli
Übernachtet der Fürst von Fürstenberg188 hier auf der Post (Bayer. Hof),
 
17. Juli
desgleichen der Erzbischof Gebsattel189 in München.
 
Gefahr bedrohte uns durch mehr als 3-wöchentlichen vielen Regen in diesem Monate, aber mit Sonntag, den 21. Juli hellt es sich aus.
 
21. Juli
Alles steht prächtig und eine so vollkommene Ernte in allen Teilen des Feldbaues entwickelt sich, was mancher innerhalb 35 Jahren noch nicht erlebt hat. Und so konnte man auch bald darauf das Erntefest Entimhiasmus190 feiern.
 
Getreidepreis war für dieses Jahr: Korn 10 fl-12 fl, Kern 12 fl-15 fl, ein Beweis, dass die alten Vorräte aufgezehrt waren und dass wir, ohne solch gute Ernte, eine teuere Zeit und Hungersnot bekommen hätten.
 
1. August
Übernachtet der Graf von Benkendorf, Staatsrat Labinsky von Petersburg.
 
4. August
Ebenso die Lady Lyon191, Gemahlin des englischen Gesandten in Griechenland.
 
6. August
Desgleichen Fürst Ponitowsky192 von Warschau.
 
13. August
Reiste der Erbgroßherzog von Hessen mit Gemahlin hier durch.
 
25. August
Geburts- und Namensfest Seiner Majestät des Königs wird gefeiert.
 
15. September
In unserer Gegend weit umher, wurde sonntags, den 15. September, ein sehr heftiger Knall (mit 2 Nebenschlägen) gehört. Zur selbigen Stunde wurde bei Kirchheim an der Teck eine mächtige Feuerkugel gesehen.
 
Unser Deputierter zur Generalsynode (der 6.) ist Dekan Esper. Besonders interessant ist dabei die Protestation gegen die mancherlei Unbilde der katholischen Partei gegen die Protestanten. Eine Probe davon muss hier angegeben werden. Wir hatten ein 14-jähriges blindes Mädchen, ein uneheliches Kind der Taglöhnerstochter Lindnerin. Dieses Mädchen war untergebracht im Blindeninstitut in München.
 
Allein auch dieses Asyl entgeht nicht der Konvertierungswut dieses Pfaffen-Geschmeißes. Pfarrer und Dekan Böckh aus München meldet, trotz allen Eifers der protestantischen Pfarrer werde das Mädchen doch müssen katholisch werden, wenn man sie nicht abfordern wird, was denn auch von hier aus ausgeführt worden ist.
 
Feuchtwangens Teilnahme an den Ereignissen im bayerischen und deutschen Vaterland und den Welthändeln.
 
Die Gebildeten hiesiger Stadt nahmen lebhaften Anteil an den derlei Ereignissen. Darunter auch natürlich manche Bürger.
 
Die betrübenden Erscheinungen für Deutschland haben auch uns betrübt. Der Zollverein hatte Händel mit Hannover und den Hansestädten und der ausländische, engländische, nicht deutsche Mann, der König von Hannover193, hat abgebrochen und mit England einen Zollverein geschlossen. Diese Schmach für Deutschland betrübte unsere Herzen, dass das unbedeutende Dänemark es wagen darf, die deutschen Schleswig-Holsteiner - dänemarkisieren194 und entdeutschen zu wollen, und dass dahinter Russland hereinsieht, betrübte uns sehr. Es wird noch ärger werden.
 
Dass die schönen Zeiten der Toleranz in Deutschland und Bayern vorüber sind, dass ein unheimlicher Geist konfessioneller Zwietracht, stolzen Pfaffentums, wilden Zelotismus195, hässlicher Proselytenwut196, religiös-kirchliche Zerwürfnisse, immer mehr und mehr zunimmt, dass die Priesterpartei in Bayern das Haupt hochträgt, dass der Gustav-Adolfs-Verein197 von Deutschland in Bayern verboten worden ist, dass namentlich in der Schweiz über Aufnahme oder Nichtaufnahme der Jesuiten die dortigen Gemüter in größter Aufregung sind, dass unsere protestantische Kirche unter obiger Erscheinung vielen für eine ecclesia pressa198 gilt, das alles hat unsere Herzen ergriffen. Und wir fragen uns: Wo hinaus? Wo hinaus, wenn einmal diese Russen kommen? Ja sie werden kommen, sie bleiben nicht aus. Indessen noch immer zerfleischt mit eigener Hand Germania sein Eingeweide!
 
Die teuere Zeit (ganz wie sie im vorigen Jahre ist geschildert worden) dauert vom Januar 1844 bis Juni 1844 fort. Erst bei dem prächtigen Juniwetter und herrlichen Aussichten auf gute Ernte lässt sie nach. Sehr erträglicher Winter. Große Überschwemmungen im Februar, wobei ein Pferd eines fremden Fuhrmanns am schwer beladenen Wagen bei der Kernmühle ersäuft.
 
Der Frühling bringt im April und Mai sehr schöne Tage. Aber dazwischen an den Regentagen zu kalt; daher die Baumblüte total verdirbt und gar kein Obst. Herrlichster Juni. Das Feld steht prächtig. Außerordentliche Heuernte (doch anfangs Juli durch zuviel Regen teilweise verdorben).
 
Die Katastrophe oder die Feuchtwangische Kalamität von 1844 besonders
 
Nachdem von den königlichen Oberbehörden, dem königlichen Ministerium des Inneren zu München und der königlichen Kreisregierung von Mittelfranken zu Ansbach befohlen war, von Reichenbach an über Ampfrach, Schnelldorf usw. bis zur württembergischen Grenze, dem Städtchen Rot am See entgegen eine neue Distriktstraße zu bauen,199 ließ das königliche Landgericht Feuchtwangen an die sämtlichen Gemeindevorsteher des Distriktes die Weisung ergehen, auf den 12. Juni dieses Jahres als den 2. Versteigerungstermin mehrere Strichlustige200 vorzuladen, ließen dieselbigen durch ihre Gemeindediener bekannt machen (ohne Auftrag dazu zu haben), dass jedes Gemeindeglied dabei zu erscheinen habe und im Falle des Ausbleibens würde jeder Fehlende um 30 kr gestraft werden.
 
Natürlicherweise kamen auf diese Strafandrohung sehr viele herbei und unter der erschienen Menge waren wieder sehr viele, denen die Sache noch nicht klar und verständlich gemacht war, in welchen sich daher das Misstrauen erregte, als wolle man ihnen eine unerträgliche Last aufdringen.
 
Durch vielerlei Reden und Missverständnisse kam es freilich so weit, dass ein Gewirr, ein unrichtiges Hin- und Herreden entstand und immer größer wurde, auch viele Zuschauer von Männern und Weibern herbei kamen. Nicht halb so arg aber war es, als man meinte und sagte: Nicht ein Einziger war zum Schlagen und Raufen bereit. Selbst die draußen stehenden belehrten einander und verwiesen einander die unschicklichen Redensarten, welche aus Unüberlegtheit von dem einen oder anderen gesprochen wurden. Doch wie es jedesmal hergeht, wenn eine neue Sache zum Vorschein kommt, oder wenn eine überflüssige Menge zusammen kommt, so ging es auch dieses Mal. Viele hätten gerne die Stelle verlassen, haben jedoch immer auf den Ausgang warten wollen, haben dadurch ihre Kameraden, welche zum Heimgang schon bereit waren, auch verhalten und sind dabei sämtlich als Tumultanten angesehen worden.
 
Landrichter Lippert ließ durch 5-6 Mann Gendarmen das Portal des Landgerichts besetzen, das Innere möglichst säubern, sammelte die beiden Assessoren um sich her, die Schreiber standen mit ihren Schreibmaterialien an den Fenstern und notierten mehrere Männer von den draußen stehenden auf. Als auch mittags die Bauern vor dem Gerichtshof sich nicht verliefen und ein Teil fortwährend stehen blieb, so gingen (leider!) auch die Beamten nicht nach Haus. Der Landrichter trat vor die Bauern und verlas auf der obersten Haustreppe das Mandat gegen Tumult und Aufruhr und forderte die Bauern zum Auseinandergehen auf, die aber aus nachbemerktem Grunde zum Auseinandergehen sich nicht bequemen konnten.
 
Das einzige Mitglied des Bauausschusses dieser Straße, Wirt Böttinger von Thürnhofen, dessen Eigennutz und Vorteilsucht weit und breit bekannt ist, hat viel dazu beigetragen und in dem versammelten Haufen viel Misstrauen erweckt, dadurch dass er die Ortsbewohner in Hilpertsweiler einige Wochen vorher hierher in das Gasthaus zum Goldenen Lamm bestellen ließ, und durch ein anderes Mitglied des Bauausschusses, nämlich durch Bauer Kranz von Krapfenau, ihnen die Fragen vorlegte: Was lasset ihr euch kosten, wenn wir einen anderen Plan fassen, und die Straße nicht über euere Güter führen? Diese Frage wurde zwar mit dem Worte "nichts" abgewiesen, aber allgemein bekannt und es kam so weit, dass der versammelte Haufe auf dem Gedanken blieb, als hätten sämtliche Bauausschussmitglieder, statt den Antrag zu mindern, noch mehr gefördert und betrieben, und gleichwohl wird auch in Böttinger der Gedanke erwacht sein: Mir wird alle Schuld zugemessen, ich mache mich aus dem Staube, ich mag durchkommen wie ich will und kann, und machte sich augenblicklich davon. Dass derselbe den rentamtlichen Gartenzaun überklettern musste, war schon ein Zeichen, dass er sich nichts Gutes zutraute und nichts Gutes gewirkt habe. Die übrigen Mitglieder blieben an ihrer bestimmten Stelle, und es geschah ihnen auch kein Leid.
 
Landrichter Lippert aber forderte nun, den Haufen Bauern zu vertreiben, die Landwehr zur Hilfe auf. Nach ein Uhr nachmittags ertönte der Generalabmarsch: Die Landwehr sammelte sich langsam und zögernd, und stellte sich unter Schützenhauptmann Schmidt vor dem Landgerichte auf. Die Bauern standen vor den Treppen des Landgerichts, verhielten sich übrigens, das viele laute Reden abgerechnet, ganz ruhig. Ihre Absicht war bloß diese: Den Ankauf von Äckern und Wiesen zu dieser kostspieligen Straße zu verhindern und die Strichlustigen abzuschrecken.
 
Nach 3 Uhr kam der von Herrieden herbeigeholte Major Gareis an. Landrichter fragte den Major, wie vorher schon den Hauptmann Schmidt, der es verneinte, aber nicht zu Protokoll geben wollte, ob er seiner Leute gewiss sei? Ja, antwortete der Major. So lassen Sie einschreiten, das Landgericht muss ganz frei werden, die Bauern vor dem Landgericht müssen zerstreut und gänzlich entfernt werden! Der Major setzte sich auf sein Pferd, ließ einige Mal etwas marschieren aber nicht einschreiten. Einige Zeit blieben seine Leute auf der Straße zwischen Kamms Haus und dem Landgericht stehen und noch später kommandierte er sogar Gewehr bei Fuß.
 
So nah an den Bauern stehend, haben natürlich viele Landwehrmänner auch mit den Bauern drein geredet (was der Landrichter als Fraternisieren201 mit den Bauern erklärt hat).
 
So rückte die Uhr allmählich gegen 6 Uhr zu, um diese Stunde sollte geschlossen werden. Da sagte der Landrichter zum Major: "Wenn Sie mit ihren Leuten nicht einschreiten und den Platz nicht säubern wollen, so brauchen wir die Landwehr nicht, lassen Sie ihre Leute abmarschieren und auseinander gehen." Solches geschah.
 
Um 6 Uhr gingen auch die Beamten ruhig und ungestört nach Haus, das Landgericht wurde geschlossen und die Bauern verliefen sich sämtlich.
 
Da der Landrichter von der königlichen Regierung auf die Anzeige früherer Unruhe der Bauern bei Schnelldorf den Befehl erhalten hatte, den heutigen Termin bei 50 fl Strafe abzuhalten, im Notfall mit Anwendung aller zu Gebot stehenden Mittel, so hat er auf diesen Befehl nachher stets sein ganzes Verfahren berufen und verteidigt. Auf geschehene Anzeige vom Vorgefallenen gab die Regierung Befehl, einen neuen dritten Strichtermin auf 8 Tage später anzusetzen, auf Mittwoch den 19. Juni dieses Jahres, und versprach, einen Regierungskommissär und bewaffnete Macht dazu zu senden.
 
19. Juni
Der Regierungskommissär, Regierungsassessor Lindner, Schwiegersohn des Regierungsdirektors Hussel, sollte hier seine Sparren202 verdienen. Mitten in der Nacht kam er auf der Post an. Früh um 6 Uhr rückten 3 Escadrons Chevaulegers203 von Ansbach und Triesdorf hier ein. Sie waren in Aurach übernachtet und an ihre Stelle rückten noch 2-3 andere Escadrons zum etwaigen Succurs204 in Aurach ein.
 
Feuchtwangen war in wenigen Stunden eine belagerte Stadt, Patrouillen durchzogen den ganzen Vormittag die Straßen der Stadt und die Wege um die Stadt.
 
Natürlicherweise kam an diesem Tage als den 3. Strichtermin wieder eine Menge Bauern. Die meisten kamen nur, um die Soldaten zu sehen, an eine Unruhe war gar nicht zu denken.
 
Da auf Befehl Herrn Regierungskommissärs Lindner die 3 hiesigen Beamten unter den drei Stadttoren amtierten und jeden Hereingehenden unterschreiben lassen mussten (selbst die Bürger, welche von ihren Äckern und Gärten heimkehrten), so stand mancher brave Untertan, weil er beschäftigt war und einige Mal zum Tor hinaus und herein passieren musste, 3 bis 4 mal in den Listen, und es kam dadurch eine Summe von 1100 Personen heraus.
 
Und weil an diesem Vormittage etliche 15 bis 20 Mann Wildenholzer miteinander herangegangen kamen, so sprengte nahe beim Schulgarten eine Patrouille gegen sie und jagten sie auseinnander. Dies war die einzige Tat der bewaffneten Mannschaft an diesem Tage. Im Übrigen ging es so ruhig und friedlich zu, als wären die Bauern zum Viehmarkt gekommen. Einige Dürrwanger und Schopflocher boten vor dem Regierungskommissär ein Akkord205 an, aber unter Zustimmung der Gemeinden nahmen alle Gemeindevorsteher den Akkord auf sich und auf die Gemeinden selber, und der Termin war siegreich geendigt. Das Militär ward mittags und abends trefflich bewirtet, alles war fröhlich, ein Herz, ein Sinn und am anderen Mittag zogen die Chevaulegers wieder heim.
 
An demselben Mittag rückten auch die beiden Untersuchungsrichter dahier ein, nämlich 1. Der Kriminaluntersuchungsrichter, Stadtgerichtsassessor Pfriem aus Ansbach und die 2. Kommission zur Untersuchung des Verhaltens unserer Landwehr, Landwehrmajor und Assessor Meier aus Dinkelsbühl und Auditor Rechtsrat Schreiner aus Dinkelsbühl.
 
An folgendem Tage begannen beide Untersuchungen und dauerten wochen- und monatelang.
 
Noch am Mittwoch, den 19. Juni nachmittags, kam die Deputation aus München zurück, nämlich Stadtmüller Meyer von Feuchtwangen, Gemeindevorsteher Gentner von Dombühl und Bauer Liebing von Bernau, welche gleich nach dem ersten Tumult nach München gesendet worden waren, um beim Minister auf eine spezialtechnische Untersuchung der Bauangelegenheit anzutragen (dies das letzte, das noch übrig geblieben war).
 
Oh, hätte man dies 14 Tage früher versucht! Der Obersthofmeister der Königin, Graf Dürckheim-Montmartin von Thürnhofen206, ist ihr Fürsprecher gewesen. Der Minister von Abel fixierte den bereits in den Tumultakten bezeichneten Bauern Liebing scharf, sprach schweren Tadel über den Tumult aus, versprach aber demnächst eine technische Baukommission aus dem Ministerium zu senden. Diese Nachricht gab große Freude, die Deputierten wurden brüderlich begrüßt und dieser Umstand hatte besonders die Gemeinden bewogen, den Akkord auf sich zu nehmen.
 
Die Kriminaluntersuchung, zu deren Unterstützung schon am 18. und 19. Juni 8 bis 9 neue Gendarmen unter dem Leutnant Zipperer eingerückt waren, begann mit Verhör des Landrichters, der 2 Assessoren, der Schreiber und der anderen Zeugen und schon am 25. Juni letzten Jahres wurden die ersten Gefangenen geschlossen eingeführt. Lederer von Wildenholz war der erste Arrestant, dieser hatte hier Verrichtungen, wurde im Gasthause zur Blauen Glocke207 gefangen genommen und nach kurzem Verhör wieder geschlossen weiter geführt in das Gefängnis zu Rothenburg ob der Tauber, wohin auch tags darnach Schneidermeister Andreas Reißig von Archshofen und Bäckermeister Jörg von Mosbach gebracht wurden.
 
Nach Neustadt an der Aisch wurde gebracht und 13 Wochen lang verhaftet: Müllermeister Häßlein von der Holdermühle, Schneidermeister Michael Reißig von Archshofen, Bruder des vorbenannten Reißig, Tagelöhner Hornung von Bottenweiler, Pfarrei Wildenholz, Köbler Grombach aus Wildenholz.
 
Ebenso kamen nach Markt Bibart in die Fronfeste: Wagnermeister Stoll von Breitenau, Köbler Früh von Ungetsheim und Gastwirt Berndt aus Wildenholz.
 
Desgleichen in die Fronfeste nach Cadolzburg: Bauer Liebing von Bernau, Gastwirt Neidlein von Wildenholz, Bauer Gaab von Mosbach und Maurergeselle Paul von Kloster Sulz.
 
So auch nach Heidenheim am Hahnenkamm: Webergeselle und zur Zeit Turmwächter Thomas Moser in Feuchtwangen, Bauer Strauß von Dorfgütingen, Bauer Liebing von Oberahorn und Köbler Strauß von Zumhaus.
 
Vierzehn Tage später wurden noch eingeführt und nach Dinkelsbühl in die Fronfeste gebracht: Bauer Fragner von Gehrenberg und Bauer Gruber von Zumhaus.
 
Durch diese spätere Arretierung wurden die Gemüter wieder aufs neue erschreckt. Viele Männer, ja auch Weiber fürchteten sich, eingesperrt zu werden.
 
Die Gesamtzahl der Inhaftierten war 20.
 
Die Manipulation bei diesem Einfangen der genannten Männer war folgende: "Um Mitternacht zog der Gendarmerieleutnant mit seiner Mannschaft ab, umzingelte vor Tags die treffenden Häuser, die Beteiligten wurden aus den Betten gefordert, sogleich an den Händen gefesselt, sodann nicht geraden Weges nach Feuchtwang, sondern bei eingetretenem Regenwetter noch zum 2. oder 3. Ort, wo Gefangene geholt wurden, mit hingeschleppt (unter großem Weinen und Klagen der Weiber, Kinder, Nachbarn, selbst einige Gendarmen waren darüber betrübt) durch Feuchtwangens Straßen zum entsetzlichen Jammer der Bürger, deren Weiber und Kinder (die unter den Häusern standen) geschlossen zum Rathaus, wo der Untersuchungsrichter amtierte, und gleich darauf ebenso zu ihrem Bestimmungsort, zum anderen Tor hinaus geschleppt, als wenn diese (doch allesamt ansässigen, sonst ganz friedliche, zum Teil reiche und brave Untertanen Seiner Majestät) vorneweg schon lauter Rebellen und Aufrührer wären. In ein paar Gefängnissen, namentlich zu Markt Bibart und Cadolzburg, wurden die Gefangenen von den Gerichtsvorständen und Fronfestdienern zwar etwas human und mild behandelt, doch hatten sie nicht die rechte Freiheit.
 
An den Gerichtorten Rothenburg ob der Tauber und Neustadt an der Aisch, namentlich zu Rothenburg auf Befehl des Landrichters von Hartlieb, Kammerjunker, erfuhren die dort Inhaftierten die allerstrengste Behandlung und wurde ihnen auch die kleinste Erleichterung abgeschlagen, als wenn sie nicht Untertanen Seiner Majestät, sondern schon vor der Untersuchung lauter Rebellen oder Mörder wären.
 
Mit Ende August schloss die Krimnaluntersuchung. Die Militäruntersuchung war die ersten 8 Tage aufgehalten, weil sie zum Aktuar einen Schreiber des (beteiligten) Landgerichts gebrauchte, wogegen Major Dr. Gareis, königlicher Advokat dahier, (jedoch vergeblich) protestierte. Sie begann daher erst am 29. Juni früh mit Vernehmen des Majors Gareis, der entschlossen war, das ganze auf sich zu nehmen als Kommandierenden, sodann wurden die Offiziere, sodann die meisten Gemeinen verhört. Da aber (gegen die dabei gesetzliche Ordnung) der beisitzende Major Meier dem allein zu untersuchenhabenden Auditor Schreiner sehr oft unterbrach und selber Inquisition und Fragen, auch Tadel und Vorwurf an die einzelnen Inquisiten, richtete, so haben Major Gareis und mehrere Landwehrmänner diese Untersuchung später perhornesciert208.
 
Im "Korrespondenten von und für Deutschland" vom 28. Juni erschien eine von der königlichen Regierung ausgegangene, wie die Herren sagten, aus den Akten gezogene Darstellung dieser Vorgänge (vielleicht vom Herrn Regierungsrat Lindner). Da aber diese Darstellungen den hiesigen Herren nicht als richtig däuchte, so gaben sie eine andere Darstellung an mehrere inländische und ausländische Zeitungen ab, deren aber nirgends die Aufnahme bewilligt wurde. Erst lange hernach erklärte die königliche Regierung auf Beschwerde der Hiesigen, die Schrift sei in einem ruhigen, würdigen Tone verfasst und dürfe, ob sie gleich einiges enthalten, was aus den Akten nicht hervorgehe, gedruckt werden. Nun aber hielten es die Beteiligten für zu spät.
 
Die Wirkung dieser Kalamität war für die Stadt Feuchtwangen eine höchst nachteilige und unangenehme. Denn obgleich die Bürgerschaft selbst an dem Tumult durchaus gar keinen Anteil genommen hatte, so waren doch die meisten Bürger als Mitbeteiligte und Mitzahler an der Straßenbauangelegenheit natürlicherweise auf Seiten der Sache der Bauern, teilten deren Ansicht über das Unnötige und Zweckwidrige der ganzen fraglichen Straßenanlage und waren durch das Zuhilferufen der Landwehr mit in die Sache verwickelt worden.
 
Hierzu kam noch die allgemeinste Teilnahme an dem Schicksal der Bauern, besonders der Gefangenen und eine allgemeine Entrüstung über die bei der ganzen Angelegenheit und namentlich bei der Gefangennehmung und Hereinschleppung beobachtete Manipulation.
 
Dies alles aber erregte eine solche Erbitterung, Wut und Hass in den meisten Herzen, so dass das bisher so friedliche und gesellige Feuchtwangen in Parteiungen, Hass und Feindschaft zerspalten wurde. Einige hielten es mit der Sache der königlichen Regierung und der hiesigen Beamten, die meisten aber waren von entgegengesetzter Gesinnung und hielten es mit den Bauern. Und in allen Gesellschaften, Gesprächen wurde nach diesem Parteigeiste und in großer Leidenschaftlichkeit und Aufregung verhandelt und gesprochen. Die Herzen waren zerrissen, die Gemüter gespalten. Neutral bleiben war nur wenigen vergönnt. Selbst die Geistlichkeit, deren Stellung es mit sich bringt, konnte nicht zum Neutralbleiben kommen. Der 2. und der 3. Pfarrer musste sich ausdrücken bei öffentlichen Gottesdiensten und Wochenkinderlehren und tadelten das Verfahren der ruhigen Untertanen. Und doch meinten sie, sie seien neutral geblieben. Stille sein ist sehr leicht, wenn man sich genug ausgedrückt hat!
 
Ganz Feuchtwangen war wie in zwei feindliche Lager gespalten.
 
Am deutlichsten zeigte sich dieses in dem Betragen gegenüber den Untersuchungsrichtern, den zwei Landwehrkommissären, besonders gegen den Gendarmerieleutnant Zipperer, diese mussten die Erbitterung auf jedem Gesichte lesen. Und als endlich am Mittwoch, den 24. Juli, die Militärkommission nach Dinkelsbühl zurückkehrte, hielten die Häupter der Opposition im Beisein vieler Bürger und Landwehrleute unter Trompetenklang der Landwehrmusik ein Triumphfest auf hiesiger Königshöhe durch den ganzen herrlich schönen Sommerabend, wobei mehrere tüchtige und starke Reden gehalten wurden, das ganze aber ist in so guter Haltung durchgeführt wurde, dass die Herren in Ansbach sich zwar furchtbar ärgern, aber doch nichts anhaben konnten.
 
Noch lauter zeigte sich diese Gesinnung, als die Nachricht einging, der Appellationshof zu Eichstätt habe mit Stimmen gegen die Inhaftierten von dem Verbrechen des Tumults freigesprochen (wegen mangelnden Tatbestandes) und als am 22. September abends die ersten Gefangenen aus den Gefängnissen zurückkehrten. Das war ein Jubel in Feuchtwangen, ein Lärmen, ein Schießen, ein Vivattrinken209 und ein im Triumph Hinausbegleiten derselbigen. Sie hatten eine Art von Märtyrertum erlangt.
 
Oben angegebene Manipulation bei der Sache und die Veranlassung zu dem ganzen so unheilvollen Handel, diese beiden Dinge waren es, welche die Gemüter so sehr erbittert und dahin gebracht haben, dass sie Partei für diese Bauern genommen haben.
 
Welches war nun wohl die Veranlassung zu der ganzen, so fatalen Kalamität?
 
1. Nicht der Umstand, dass die projektierte Straße sollte hergestellt werden. Oh nein! Dass die Straße von Reichenbach ab über Bergnerzell, Unterampfrach, Oberampfrach usw. bis an die württembergische Grenze einer tüchtigen Reparatur oder Herstellung bedürfe, damit waren wohl alle einverstanden.
 
2. Dass es aber eine Distriktstraße ersten Rangs werden sollte, breiter, schöner, und kostspieliger als Württemberg bereits schon entgegengebaut hatte, das wollte nun schon keinem Menschen einleuchten.
 
3. Denn die namentlich kommerzielle und Verkehrsbedeutung dieser Straße, um derentwillen das Ministerium den Vertrag mit Württemberg geschlossen hatte, konnte kein Mensch anerkennen, da die parallel laufende Crailsheimer Chaussee schon sehr geringe kommerzielle Bedeutung hat, und da die Straße über Oberampfrach (außer der Bedeutung der Vicinalstraße210) nur ein Weg für hin und her fahrende Juden von Michelbach, Hengstfeld usw. ist, um ihren Schacher zu vollbringen.
 
Selbst die königliche Regierung hat in der bereits angegebenen Darstellung die kommerzielle Bedeutung dieser Straße nur mit dem einzigen belegen können, dass in Rot am See öfters Viehmärkte wären, die von den unserigen besucht würden! Eine Sorge, als wenn die Ochsen bekanntermaßen nicht im Dreck lieber spazierten als auf harten, namentlich im Winter eisigen, glatten Chausseen!
 
Dass man also dieser Straße eine solche, ihr durchaus nicht zukommende Bedeutung gegeben hatte, das hatte schon die Gemüter aufgeregt.
 
Die Leute wollten eine Straße, aber sie wollten nicht eine unvernünftige Straße, das heißt, eine in kommerzieller Hinsicht ganz geringfügige Straße, nicht chausseeartig angesehen haben und wollten die Straße auch nicht unvernünftig ausgeführt sehen und haben.
 
4. In dieser Hinsicht aber konnten sich die Leute durchaus nicht mit den gemachten Bauplänen vereinigen.
 
Zuerst wollten die Baubehörden die alte Straße herstellen, allein bei Bergnerzell sollte ein großartiger, höchst kostspieliger Brückenbau hergestellt werden, damit zur Zeit der Überschwemmungen das Wasser nie in die Straße eintrete, während auf unseren Chausseen sogar zur Zeit von Überschwemmungen zum Beispiel bei Reichenbach und Unterrothmühle das Wasser über die Chaussee geht. Und dies soll bei einer so ganz geringfügigen Verkehrsstraße verhütet werden!
 
Dann auf einmal trat jemand (bis heute weiß man noch nicht genau, von wem der Plan zuerst ausgeheckt wurde und will es auch niemand namens haben) mit dem Plan hervor: Es soll eine ganz neue chausseeartige Straße von Reichenbach aus über aller Felder, Äcker und Wiesen des Ampfrachgrundes bis nach Schnelldorf gezogen und über zum Teil sumpfigen Grund, über manchen Bach (der kostspielige Durchlässe forderte, usw.) geführt werden.
 
Dieser Plan war angenommen und sollte durchgeführt werden. Dies übersteigt alle Gedanken!
 
Zu einem Weg, der gleich daneben parallel die Crailsheimer Chaussee hat, der keine Verkehrsbedeutung hat, ein solcher kostspieliger, die schönsten Äcker und Wiesen verderbender Neubau. Das war es denn eigentlich, was die Gemüter so aufregte und verstockt machte. Es wollte und konnte keiner die Vernunft dieses Neubaues einsehen und doch sollte er eben jetzt verakkordiert werden!
 
In den Akten stand zwar, die Gemeinden wären mit einverstanden, hatten auch mehrere im Namen der Gemeinde beigestimmt, allein sind diese wirklich echte Repräsentanten? Und dann kam eben die Bestimmung erst nachher.
 
5. Zu dem allen hatten die Gemeinden alle ihnen gesetzlich zukommende Wege und Mittel, um die Sache zu hintertreiben, bereits erschöpft, bei allen erlaubten Behörden durch den Advokaten Gareis angeklopft und nirgends Gehör gefunden. Sie waren also abgewiesen und hielten sich für hilflos. Den einzigen noch offen stehenden Ausweg, nämlich vom Ministerium eine technische Untersuchungskommission zu verlangen, hielten leider die sämtlichen Untertanen für zu gefährlich, weil nach dem Gesetz die Kosten dafür von den Bittstellern getragen werden müssen, sobald die Kommission sich gegen sie ausspricht und den Ansichten der Baubehörden zustimmt, welches letztere fast als gewiss erschien und gefürchtet wurde.
 
Erst am Tage nach dem Tumult entschieden sich die Beteiligten zu diesem letzten Schritt und oben genannte Deputation erbat und erlangte beim Minister die Absendung einer solchen.
 
Einige Wochen später kam der Oberbaurat Neithart von München und der neue Kreisbaurat Forsthuber von Ansbach und untersuchten nun endlich die Sache ernstlich. Beide staunten über die Möglichkeit des Vorgefallenen und auf ihr Gutachten entschied das Ministerium:
 
a) Dass die neue Strasse über die Äcker und Wiesen hin nicht gebaut werden dürfe.
b) Dass eine neue Brücke bei Bergnerzell nicht aufzuführen sei, indem es nichts bedeute, wenn einmal auch die Überschwemmung darüber gehe.
c) Dass bloß die alte Strasse herzustellen sei, und diese nicht chausseeartig, sondern eben als eine recht mäßige Distrikts- oder veredelte Vicinalstraße.
 
Bitterer Triumph, weil es (leider) erst nach dem Unglück herauskam!
 
Noch größer war der Triumph, als im Januar 1845 (offenbar durch die Feuchtwanger Kalamität veranlasst) eine allgemeine Verordnung erschien, nach welcher bei dem Bau von Distriktsstraßen
 
a) Alles Übermaß verboten ist.
b) Auf Ortsverhältnisse, Größe des Verkehrs, Kräfte der Gemeinde genau Rücksicht zu nehmen ist.
c) Kurz, das ganze auf das streng zu ermessende Bedürfnis zu beschränken ist!
 
Leider hinterdrein! Trauriger Triumph!
 
6. Zu allen diesen Veranlassungen des Tumults kommt nun aber zuletzt noch eine recht unangenehme, auf Unwissenheit und Dummheit der Bauern basierte. Obgleich nämlich die Behörden bei jeder Gelegenheit den Leuten erklärt hatten, es würde der Neubau höchstens auf den Steuergulden 2 fl 30 kr bis 3 fl treffen, so fand dieses nirgends Glauben. Die Bauern hatten nämlich bei der entsetzlichen Aufregung und Erbitterung der Gemüter und bei dem täglichen Schreien in den Wirtshäusern und in den Gemeindezusammenkünften alles Zutrauen zu den Behörden rein verloren. Da breitete sich schnell die Meinung aus, es träfe den Steuergulden 15 fl; mancher große Bauer müsse also für diese einzige Straße 1000 fl bis 1500 fl bezahlen, kleine Bauern bis 100 fl. Darinnen erkannten viele den Ruin ihres Hauses und Hofes. Keine Macht konnte verhindern, dass diese Ansicht nicht die allgemeine wurde und blieb. Kein Widersprechen half, das Vertrauen war verloren, viele sahen sich schon um dieses elenden Baues willen von Haus und Hof getrieben, alle um ihren sauern Schweiß und seine Früchte gebracht.
 
Dadurch wurde die Aufregung so groß, das Geschrei so allgemein, die Köpfe und Herzen so hitzig. Allerdings musste die Aufregung groß werden durch das bekannt gewordene unbillige Verlangen des Bauausschussmitgliedes Böttinger von Thürnhofen durch Kranz von Krapfenau von den Bauern zu Hilpertsweiler.
 
Dies waren die Veranlassungen zu unserer unglücksvollen Katastrophe.
 
Und nun zum Schluss des Ganzen sind noch einige bittere Stachel zurückgeblieben.
 
Die Ruhigen fragen sich: "Warum ist die Sache nicht verhütet worden?" Sie konnte verhütet werden, denn man sah sie kommen. Die große Aufregung der Gemüter war jedermann bekannt. Der erste Termin bei Schnelldorf wollte schon einem Tumult ähnlich werden und ist eben dadurch vereitelt worden. Aber kein Regierungsherr ließ sich aus Ansbach sehen. Es lag ja alles in den Akten. Ein Eingehen auf die Ansichten der Bauern, ein näheres mit eigenen Augen vollzogenes Anschauen der Sache, ein Beruhigen und Begütigen der Erbitterten durch Zugeständnisse, durch Eröffnung eines neuen gesetzlichen Weges zur Remonstration211 wurde höheren Orts nicht für nötig erachtet. Statt dessen erschien der Befehl: "Es müsse ein neuer Strichtermin im Landgerichtslokale unter Anwendung aller zu Gebot stehenden Mittel bei Strafe von 50 fl dem Landrichter angedroht, versucht und abgehalten werden."
 
Selbst nach der Katastrophe kein Regierungsherr, sondern 3 Escadron Reiter.
 
Und die Katastrophe sollte und musste verhütet werden. Denn es handelte sich ja nicht von Räubern, Mördern, Aufrührern, Hochverrätern, sondern von einer großen Menge wackerer Bauern und sonst stets ganz friedlicher, gehorsamer und getreuen Untertanen Seiner Majestät, und eine väterliche Regierung wird solche doch lieber zuerst als irregeleitete Kinder zurechtweisen, als gleich zu Tumultanten werden lassen.
 
Wenn es wahr ist, was aus sehr guter Quelle erzählt wird und es sieht einem so weisen, umsichtigen und höchst väterlich gesinnten König und Landesherren, wie unser König ist, vollkommen gleich, so hat auch in dieser Sache unser weiser König am hellsten und klarsten gesehen. Er soll nämlich aus Palermo auf den Bericht über den Feuchtwanger Exzess an den Minister folgendes erlassen haben: "Er müsse zwar, so wie die Sachen im Bericht vorlägen, das Benehmen seiner Behörden billigen, der Sache sei ihr Recht geschehen, aber eines wolle er wissen, ob es auch notwendig gewesen sei, ob es nicht hätte verhütet werden können; er wolle nicht, dass seine Untertanen durch derlei Straßenbauten allzusehr ruiniert usw."
 
Dass es aber nicht verhütet worden ist, das ist es, was so vielen Herzen so bitter weh getan hat und einen bitteren Stachel zurücklässt.
 
Andere haben sich noch darüber betrübt, wie die Zeugen ihre Zeugnisse gesucht haben. Während des Tumults nämlich standen die Schreiber und Diener des Landgerichts an den Fenstern und überall umher und schreiben die Namen der Bürger und Bauern, welche allda redeten, auf. Selbst viele waren aufgeschrieben, welche die unüberlegten Äußerungen widersprochen haben, man dachte von ihnen Arges, wenn sie Gutes gesprochen hatten. Sogar was nachher gehört wurde, ist notiert worden, wenn gleich der Anzeiger früher als Verleumder und Lügner bekannt war.
 
Wieder andere haben sich deshalb entrüstet, weil die Landwehr, deren Geist und Gesinnung man kennen musste, mit hereingezogen worden sei, allein die königliche Regierung hatte ja bei 50 fl Strafe geboten, mit allen zu Gebot stehenden Mitteln (wozu doch gewiss die Gendarmerie und Landwehr gehört) einzuschreiten.
 
Alle anderen waren indigniert über die feige Bosheit eines oder einiger Elenden, die bald nach der Katastrophe aus niederträchtiger Rache um Mitternacht ein paar hundert Hopfenreben auf Landrichters Hopfenacker oberhalb des Adlerwirts Sommerkeller abgeschnitten haben.
 
So steht nun am Ende des Jahres die Sache. Die Kriminaluntersuchung ist niedergeschlagen. Die Gefangenen sind freigesprochen. Was aber wegen des Kostenpunktes noch geschehen wird, ob die Sache noch extra polizeilich untersucht und abgestraft wird. Was aus der (perhorrescierten)212 Untersuchung der Landwehr hervorgehen wird, ob die Manipulationen der Feinde der Landwehr, die sie gern ganz auflösen möchten, durchgreifen werden oder ob die mutvollen Gegenkämpfe des tapferen Majors Gareis und die aufopfernde Verteidigung seiner Landwehrmänner durch denselben den Sieg gewinnen werde, das muss die Zukunft lehren. Noch stehen wir in Erwartung der Dinge.
 
Dass die königliche Kreisregierung über die vielen Niederlagen in dieser Sache nicht erfreut sein könne, ist natürlich.
 
Landrichter Lippert beruft sich allerdings nur darauf, dass er nur nach der erhaltenen Instruktion, Befehlen und Drohungen der königlichen Regierung gehandelt habe, weswegen auch gleich nach der Katastrophe sein ganzes Verfahren zuerst von der königlichen Regierung, dann vom Ministerium belobt worden ist.
 
Indessen werden mit dem neuen Jahre sich auch die Gemüter wieder etwas mehr beruhigen, und einander annähern.
 
Feuchtwangen selber aber hat das üble Gerücht, das aus dieser Kalamität sich über dasselbe, seinen Geist und Opposition, Sinn, usw. verbreitet, schon längst zu Schande gemacht, und dadurch, dass schon manche gute Regierungserlasse, manche Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Kalamität der Feuchtwanger erwachsen sind, trägt auch das große Unglück wieder gute Frucht.


185 Füsiliere: alte Bezeichnung für Infanteristen
186 siehe Fußnote 39
187 Richtige Schreibweise Graf Rostoptschin. Dieser hatte sehr wahrscheinlich 1812, als Napoleon Moskau besetzt hatte, die Stadt angezündet. Er starb jedoch schon 1826. Bei dem Durchreisenden muss es sich wohl um einen Nachfahren gehandelt haben.
188 Fürst Karl Egon II. vereinigte 1804 seine böhmischen und schwäbischen Besitzungen und regierte zwei Jahre als deutscher Reichsfürst unter der Vormundschaft seiner Mutter, einer geborenen von Thurn und Taxis.
189 Lothar Anselm Freiherr von Gebsattel (Erzbischof von München und Freising 1821-1846)
190 Richtig: Enthusiasmus
191 Richtig Lyons; ihr Ehemann war auch hoher englischer Marineoffizier.
192 Vermutlich der Sohn des 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig gefallenen polnischen Generals Jòsef Fürst Poniatowski
193 Ernst August, geboren in London, König von Hannover 1837 bis 1851, sprach nur mangelhaft Deutsch.
194 Die Schleswig-Holsteiner verfochten die Einheit und Eigenständigkeit der beiden Herzogtümer unter der dänischen Krone. Dänemark wollte zumindest Schleswig direkt an das Königreich anschließen ("Dänisierung").
195 übertriebener Glaubenseifer
196 aufdringliche Werbung für einen Glauben
197 heute noch bestehend, gegründet 1832 bzw. 1842 zur geistigen und materiellen Fürsorge der evangelischen Diaspora
198 Unter Druck stehende Kirche
199 Die Straße sollte weitgehend eine neue Trasse erhalten, so dass viele landwirtschaftliche Grundstücke durchschnitten worden wären. Die Gemeinden des Landgerichtsbezirks sollten sich finanziell beteiligen.
200 Kaufinteressenten oder deren Bevollmächtigte
201 verbrüdern, verbünden
202 Mit "Sparren verdienen" meint Schaefer "Sporen verdienen".
203 3 Abteilungen in Ansbach und Triesdorf stationierte Kavallerie (leichte Reiter)
204 Hilfe, Unterstützung, Beistand
205 Übereinkommen
206 Die Grafen von Dürckheim-Montmartin lebten damals im Schloss Thürnhofen bei Feuchtwangen.
207 heute Kirchplatz 11
208 richtig "perhorresziert"; perhorreszieren, mit Abscheu zurückweisen, vor etwas zurückschrecken
209 hochleben lassen
210 Gemeindestraße
211 Gegenvorstellung, Alternative
212 siehe Fußnote 208!

Erstellt: 02.02.2006 durch Hans Ebert
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