Band 6 |
|
1838
1. Januar
Treten die wieder beruhigten
und erheiterten Herzen unsrer Mitbürger mit dankbaren und vertrauungsvollen
Sinn in das neue Jahr ein. Die alte Ruhe, Ordnung und Frieden herrschte
wieder unter uns. Trotz der schlechten Verhältnisse Feuchtwangs, indem
uns nämlich bei der großen Zunahme der Bevölkerung ein
tüchtiger Mittelstand fehlt, d. h. Bürger und Bauern, die zwischen
den wenigen Reichen und den vielen notorisch Armen mitten inne, mit einigem
Gut und Vermögen und einem die Familie wohl nährenden Geschäft
und Handwerk ohne allzu große Sorgen und Entbehrungen zu leben imstande
sind. Diese Mittelklasse fehlt, indem alle mittlere Bürger und Bauern
kaum täglich so viel erarbeiten, dass sie für heute nur mittelmäßig
ausreichen, und wo es dem beim kleinsten Geschäftshindernis oder Extraausgaben
sogleich steckt. Trotzdem begonnen wir das neue Jahr mit Gottvertrauen
und Hoffnung.
7.
Januar
Wurde
der (am 29. Dezember 1837) angekommene 3. Pfarrer Detzer in sein Amt feierlich
eingesetzt. Zugleich mit demselben wurde auch der Pfarrer Glandorff in
die 2. Pfarrstelle eingesetzt und beide zusammen also der Kirchengemeinde
vorgestellt. Der Gang dieser schönen und würdig geleiteten Handlung
war ohngefähr folgender:
Da bisher ein hiesiger Pfarrer, wenn er von einer niederern auf eine höhere Stelle vorrückte, nicht noch einmal eingesetzt zu werden brauchte, solches aber jetzt auch gesetzlich ist, so musste der bisherige 3., jetzt 2. Pfarrer, bei königlichen Konsistorium bittend einkommen, dass seine Einsetzung bis auf die des 3. Pfarrers von Oktober bis Januar dürfe vertagt werden, was auch ohne Schwierigkeit genehmigt wurde.
Um halb 9 Uhr versammelten sich der königliche Dekan, der königliche Landrichter, Aktuar und Skribent Roth, die zwei Assistenten Senior Zenker aus Dorfgütingen und Camerarius Lotzbeck aus Wieseth, dann Gemeindevorstand hiesiger Stadt Christoph Schaefer, Kirchenpfleger und Gemeindebevollmächtigte, Landgemeindevorsteher im 2. Pfarrhause, wo auch die zwei Installanten sich einstellten.
Der 2. Pfarrer wurde ganz kurz auf seinen früheren Eid aufmerksam gemacht. Pfarrer Detzer als 3. Pfarrer leistete den Eid. Um 9 Uhr ging's sodann zur Kirche. Gesang 2 Verse. Der 2. Assistent Kamerar Lotzbeck verlas das Gebet und Lektion. Kirchenmusik folgte, welche Kantor und Organist dem Fest zu Ehren aufführten. Dekan hielt von dem Altar herab die Installationsrede, in der er nach Erzählung der Veranlassung des Festes den königlichen Miteinsetzungskommissär aufforderte, den königlichen Willen kundzutun. Die Dekrete werden verlesen. Landrichter Lippert hielt (wie bei seiner eigenen Einsetzung) eine schöne und passende Rede, in der er die Wichtigkeit der Religion und ihrer Diener für den Staat darstellte und die Gemeinde zur Erfüllung der Obliegenheiten ermahnte.
Der königliche Dekan fuhr nun in seiner sehr würdig, ernst und schön gehaltenen Rede weiter fort, schildert genau die Verhaltensweise jedes der 3 Pfarrer im Kirchendienst, mahnt die 2 Installanten zu treuer Vollbringung ihrer Geschäfte, der Kasualien122 und speziellen Seelsorge etc. etc. Hierauf wurden 2 Verse gesungen und Pfarrer Detzer bestieg die Kanzel, hielt die Installations- und Antrittspredigt. Herzliches Gebet. Eingang: Dank gegen Gott für die wunderbare Führung seines Schicksals. Er war ein Sohn eines Schuhmachers in Bayreuth und selbst in diesem Geschäfte bis zum 17. Jahre. Erst später, vom lebendigsten Drang zu den Wissenschaften getrieben - ins Gymnasium von Bayreuth getreten und hatte in wenigen Jahren durch Geistesgaben und enormen Fleiß eine tiefe wissenschaftliche, besonders auch klassische, theologische und philosophische (namentlich hegelianische) Bildung sich erworben.
Text: Röm. 1, 1-17 (leider zu lang für diesen Zweck)
Epexegese123: Obgleich Paulus die Römer nicht selbst zum Glauben gebracht hatte, liebte er sie dennoch herzlichst; also auch ich euch etc.
Thema: Das Verhältnis eines evangelischen Seelsorgers und einer christlichen Gemeinde zueinander!
1. Es ist auf Gottes Wort gepflanzt.
2. Es muss in der Liebe wurzeln.
3. Im Vertrauen auf Gott bestehen.
Nach der Kirche ging der Zug ins 2. Pfarrhaus zurück, wo das Protokoll aufgenommen und unterschrieben wurde. Die Anwesenden wurden mit Wein und Speckkuchen beehrt.
Von 12 - 1 Uhr hielt der Pfarrer Glandorff die Kinderlehre.
Die Abendpredigt in der St. Johanniskirche fiel aus. Von 1 Uhr an kamen die zwei königlichen Kommissäre, der Aktuar, die 2 Assistenten, der Stadtgemeindevorstand (sonst niemand) zu einer (von beiden Installanten gemeinschaftlich besorgten) Mahlzeit im 2. Pfarrhause zusammen, und alles ging gegen Abend, dankbar gegen Gottes Güte, der auch diesen Tag geschaffen, verordnet hat, nach Hause!
22.
Januar
Durchreise
des Fürsten Dittrichstein124
nach Wien
13. Februar
Durchreise des Fürsten
von Hohenlohe-Öhringen
19.
April
Durchreise
des Fürsten Rohan von Prag
29. April
Durchreise der königlichen
Prinzen und Prinzessinnen von Bayern von München nach Aschaffenburg
30.
April
Durchreise
seiner Majestät des Königs und der Königin von Bayern
7. Mai
Durchreise des Fürsten
Ponialovsky125,
Warschau
Im Mai des Jahres war seit der Einrichtung dieses Instituts zum erstenmal die Konsistorial-Kirchenvisitation des Dekanats Feuchtwangen. Konsistorialrat Burkhardt kam am Mittwoch in der Nacht an. Am Donnerstag wurde das Dekanat visitiert. Am Freitag und Samstag jedes Mal zwei Pfarreien (in Summa 4) des Kapitels. Am Sonntage die Pfarrei Feuchtwangen. Dekan Esper hielt die Predigt. Die Gemeinde war zahlreich versammelt und bewährte die alte, gute Kirchlichkeit. Auf dem Rathause wurden sodann in Gegenwart aller beteiligten Pfarrer, Lehrer, Gemeindevorsteher, Pfleger etc. die Visitation weiter fortgesetzt, das Kirchliche besprochen und wenige Beschwerden oder Anliegen abgeurteilt. Etwas später, nachmittags, diktierte der Konsistorialrat-Superintendent das Protokoll, und solches wurde unterzeichnet. Nachmittags war die Schuljugend in der Kirche versammelt, und einige Lehrer sowie die Pfarrer II und III gaben kurze Katechismus-Versuche mit den Schülern und Konfirmanden.
Humanität, äußere Sitte und Offenherzigkeit zeichneten den Konsistorial-Visitator vorzüglich aus.
6.
Juni
übernachtet
die Königinwitwe von Bayern (Caroline) hier auf der Post.
8. Juli
übernachtet der Kurfürst
von Hessen126
hier auf der Post.
8.
Juli
war
die Feier des Geburtsfestes unserer Königin Therese.
21. Juli
Durchreise der Königin
Therese von Bayern nebst Prinzen und Prinzessinnen nach München.
Im Laufe dieses Sommers kam seine Majestät, der König von Bayern, auf der zweimaligen Hin und Herreise von München nach Aschaffenburg und Brückenau viermal durch Feuchtwangen und logiert dreimal - zum letzten Mal in der Nacht vom 15. bis 16. August in hiesiger Post. Nur das zweite Mal stellte er sich früh bei der Abreise um 5 Uhr neben dem Landrichter und Rentbeamten, die gesetzlich jedes Mal zu erscheinen haben. Auch das übrige Personal unter das Portal der Post und wurden vom Könige im Vorbeigehen angeredet (aber so auch die Geistlichen und Bevollmächtigten). Einmal in der Nacht standen alle Beamten weltlichen und geistlichen Standes um den königlichen Wagen her, wo aber die tiefe Dunkelheit das Erkennen hinderte.
Das letzte Mal fragte der König, was das Wangen in Feuchtwangen bedeute? Assessor Brügel antwortete: "Das weiß niemand, Eure Majestät!" Und fragte er, warum die Nachmittagsgottesdienste so früh schon angingen? Etc.
Zu zwei Malen, wo seine Majestät übernachtete, war die Hauptstrasse mit Lichtern in den Fenstern erhellt, Rathaus aber, Posthaus und einige andere Punkte illuminiert. Der Sangverein sang (unter dem Glanze griechischen Feuers) auf dem Markte das Nationallied "Heil unserem König Heil!" ab. Der König dankte. War überhaupt sehr gnädig und zufrieden. So hatte nicht die Sinnesänderung, sondern nur die ruhige Haltung unseres Landtagsdeputierten Postverwalter Schaefer die königliche Ungnade gewendet!
13. August
übernachtet der reiche
russische Fürst Demidoff127
hier auf der Post mit großem Gefolge.
25.
August
Geburts-
und Namensfest unsres Königs Ludwig wird gefeiert.
In diesen Sommer ging von unseren im vorigen Jahre nach Amerika Ausgewanderten (dem Glaser Brunner) ein Brief ein. Alle, namentlich die Mädchen, haben Arbeit und guten Lohn gefunden und geht allen bei Fleiß und Ordnung gut.
Die 1837 abgebrannten Häuser stehen 1838 alle neu und besser erbaut wieder auf. Am vorbemerkten Geburts- und Namensfeste unseres Königs wurde der neue, prächtige Saal auf der Post eingeweiht.
Die Ereignisse des Jahres 1838 im kirchlichen und politischen berühren Feuchtwangs Einwohner wenig.
Das Leben Jesu von Strauß hat hier keinen Eindruck gemacht. Die Geschichte mit dem Kölner Erzbischof und den gemischten Ehen veranlasst nur selten Gespräche, keine Aufregung. Die Ruhe der großen Mächte bei den politischen Fragen lässt auch uns dabei tiefste Ruhe empfinden.
Eine Sonderbarkeit war es, dass der hiesige Pfarrer Glandorff in diesem Jahre in dem Örtlein Oberahorn in 3 Häusern 3 Haustaufen abzuhalten hatte. Oh! Segen der Bevölkerung! Dies war wohl noch nie gewesen! Ebenso traf sich's, dass derselbe Pfarrer, aus dem einzigen Örtlein Mögersbronn, zufällig binnen 9 Monaten 7 Leichen von Verehelichten ohne Seuche zu begraben hatte.
31.
Oktober
Durchreise
des Prinzen August von Württemberg.
Die Natur hatte in diesem Jahre einen sonderbaren Charakter. Anfangs gar kein Frühlingsregen, anfangs Mai recht schön, bald Regenwetter immerfort. Alles fürchtet schon die Wiederkehr von 1816. Das Getreide schlug auf. Das Fleisch blieb teuer. Indessen bessert sich im Juni. Anfangs Juli heiß. Heuernte wegen vielen Regens außerordentlich. Hundstage so kalt, dass eingeheizt werden musst. Durch kalte Regen wurde die Ernte sehr verzögert. Zum Glück besserte es sich im August, und eine reiche, sehr reiche Wintergetreidernte kam glücklich ein. Alle Sommerfrüchte und Grummet ist reichlich da. Obst, durch Kälte und Millionen Raupen zerstört, gar keines.
1839
Nach weißen Weihnachten tritt anfangs Januar schon wieder Tauwetter, Stürme, Regengüsse, Überschwemmungen ein und nach einigen Frost- und Schneetagen wiederholt dasselbe. Tau- und Sturmwetter in Mitte Januar nochmals und öfters. Der Winterfrost tritt erst Ende Januars und anfangs Februar ein, wo am 4. Februar noch 20° Reaumur128 und am 5. schon wieder Tauwetter und Stürme. Grün Ostern, aber ein spätes, kaltes, trauriges Frühjahr. Der Sommer beginnt sehr schön Ende Mai, anfangs Juni. Am 4. Juli ein starkes Gewitter, fast gleich einem Wolkenbruch (tat an vielen andern Orten großen Schaden), hier doch ohne Schaden zu tun. Warme Zeit. Aber im Juli mussten wir wieder einheizen. Doch bald wieder warm. Daher ein herrliches Erntejahr in allen Arten. Nur keinen Wein! Gar kein Obst. Der Raupenfraß durch die bomby phalaena monachn - die Nonne129 - in den Wäldern bei Thürnhofen, Forst, richtet auch heuer, wie im Jahr 1838, großen Schaden an. Doch scheinen die Raupen zu verhungern, da wenige Schmetterlinge ausfliegen. Ob das abgefressene Holz alles verdorben ist? Ja das Holz war verdorben! Denn die Säfte stockten, die Rinde schälte sich ganz ab und mussten ganze Wälder umgehauen werden.
2.
Oktober
Herrlicher
Herbst, beginnt mit unsrer Mooswiese am 2. Oktober. Woher kommt es, dass
trotz der vortrefflichen Ernte der Preis des Getreides nicht sinkt?
Korn bis 12 fl, Kern bis 17 fl, Dinkel bis 6 fl, Haber bis 4-5 fl
Der Holzpreis steigt bedeutend, bis 8 fl am Platz.
Wahrscheinlich, ja gewiss ist die große Ausfuhr an den Main, nach Frankreich, England Ursache dieses Getreidpreises, der doch endlich wieder unsern Bauern einige Erleichterung bringt. Der Spätherbst und Wintersanfang schmutzig, Regen, Stürme, Überschwemmungen. Grüne Weihnachten 1839. Ein Orkan in der Nacht vom 24. - 25. Dezember, ganz entsetzlich!
So schließt das Jahr 1839 mit der Witterung.
Blick auf die Gerbergasse,
im Hintergrund die Stiftskirche
26. Februar
Durchreise des Fürsten
von Wrede
17.
März
Durchreise
des Fürsten Hohenlohe-Öhringen
In Stadt und Pfarrei Feuchtwangen ist uns reiche, göttliche Gnade und Schutz zuteil geworden. Ruhe, Friede, großen Gesundheitszustand, wenig Leichen, die Geburten überstiegen die Leichen bei weitem. Doch bleiben Leichen, die Geburten und Trauungen weit hinter 1838 zurück.
20.
März
Der
Sohn des Müllermeisters Meyer auf der hiesigen Schleifmühle,
als Mühlknecht dienend in Ungetsheim, kommt daselbst unvorsichtigerweise
unters Rad und wird erdrückt. Seine Eltern ließen ihn dahier
beerdigen mit einem Ganzstiftlichen130
am 20. März.
19. April
Frühmorgens, kurz nach
Mitternacht um halb ein Uhr, erweckte uns Feuerlärmen. Eine Scheure,
halb dem Fuhrmann Schüttler131,
halb dem Zeugmacher Lindörfer, stand in Flammen. Das Doppelhaus des
Juden Löw Lindenthal und Zimmergesellen Hirsch brannte mit ab.132
Daran wurde tüchtig gearbeitet, in einer Stunde war alles gelöscht.
Das Feuer war in der Scheure oben, dicht im Winkel des Judenhauses, von
wo man in die Scheune hineinlangen konnte, ausgekommen. Der Argwohn warf
daher einen großen Verdacht auf den schlecht stehenden Juden selber.
Aber der Argwohn ist ein Schelm! Herausgekommen ist nichts.
Juni
Der
Bauernsohn Probst von Kaltenbronn, welcher die Pferde seines Dienstherrn,
des Müllermeisters Stark auf der Überschlagmühle, in die
Schwemme ritt, ertrank in dem Kaltenbronner Weiher im Juni.
15. Juni
übernachtet der griechische
Fürst Maurokortulo133
hier auf der Post.
29.
Juni
übernachtet
der Herzog von Meiningen134
hier auf der Post (Bayerischer Hof).
8. Juli
wurde das Geburtstagsfest
unserer Königin Therese nach der gewöhnlicher Weise gefeiert.
4.
August
Durchreise
des Fürsten Gallizien - Petersburg
25. August
Das Geburts- und Namensfest
unsres Königs Ludwig wurde gefeiert am 25. August.
Im Laufe des Jahres 1839 im Sommer sind aus der Stadt, überhaupt aus dem Landgerichtsbezirk Feuchtwangen, 22 - 25 meist junge, ledige Leute, meistens sogenannte und sich selbst so nennende Erweckte unter Anführung des zweiten Brunners, Glaserssohn von Feuchtwangen, eines wildeifernden Mystikers und Tretzelianers nach Amerika ausgewandert. Aus Bremen schrieben sie uns und waren mit ihrer Hinreise nicht zufrieden. Die Überfahrt von Bremen nach Neu-York kostete 84 fl à Person. Andere, die nicht wie die Bayern voraus akkordieren mussten, zahlten nur 72 fl, weshalb Brunner einen impertinenten Brief an Landrichter Lippert aus Bremen sandte, der jedoch nur nach den Gesetzen gehandelt hatte. Die Briefe gleich nach der Ankunft in Neu-York lauteten traurig, die Reise, der Seesturm, das Andtun,135 die Seekrankheit, das vertane Geld, machte die meisten missvergnügt. In Neu-York gingen fast alle auseinander, mehrere nach Monroe im Michiganstaat, wo bereits der ältere Brunner und der ältere Grauf aus Bernau ansässig waren. Ein Mädchen, die Braut des jüngeren Grauf, Regina Bergerin aus Steinbach, etliche 20 Jahre alt, starb auf dem Schiffe an Unterleibsleiden, vielleicht Brand. Der Brief des Bräutigams aus Monroe, worin er das letzte Schicksal dieser guten, sanften, frommen Tochter schildert, war tief gefühlt, rührend, herrlich. Sie liegt im Meeresgrund begraben, ihrem Erlöser, der auch ihr Gebein sammeln wird zu himmlischer Auferstehung am jüngsten Tage. Die große Geldkrisis und Geldmangel in Nordamerika war den Eingewanderten von 1839 nicht günstig. Doch Arbeit fanden alle sogleich und einträglich.
Von unsern frühern Ausgewanderten konnten sie uns wenig melden. Der alte Vater Eichner sagte, er könne nun und nimmermehr eingewöhnen, aber das Alter soll auch nicht auswandern. Von unserm Mordbrenner sah und hörte niemand etwas. Doch war Rattelmüller, der ihn mitgenommen hatte, ein liederlicher, fauler Mann, aus Amerika zurückgekehrt, nur weil es, wie er selbst sagte, dort kein braunes Bier gibt und dagegen viele Arbeit. Von seiner frühern Aussage von dem Geständnis unseres Nothus136 auf dem Schiffe wollte er nichts weiter wissen. Im Herbst schiffte sich auch noch ein Bauernsohn aus Rißmannschallbach namens Kohn ein, wahrscheinlich um zu rekognoszieren und seinen Eltern und einigen Nachbarn die Verhältnisse zu melden. Noch ist keine Botschaft eingegangen.
Unser erster Auswanderer, Drechslermeister Eichner junior, hatte unterm 10. März 1839 an den auswanderungslustigen Schneidermeister Busch, Vater von 7 Kindern, einen vortrefflichen, ruhig, würdevoll, ohne Überredungskunst klar sehenden und darstellenden Brief geschrieben, der unserem ehemaligen Rektoratsschüler und Mitbürger alle Ehre macht.
Er schrieb unter anderem: Alles stehe (nach der Bankkrisis) wieder gut und sei zufrieden. Die meisten Handwerksgattungen finden guten Erwerb, besonders Schneider. 200 deutsche Schneider allein nur in Neu-York, meist zu Haus arbeitend als Gesellen für die großen Kleider-Magazin-Inhaber. Nach einigen Jahren arbeitet ein solcher schon auf eigene Faust. Später werden sie Kleiderhändler, d.h. haben ganze Laden mit Kleidern. Gerade so auch anderer Professionisten137, besonders Schuster, Schreiner.
Hat einer erwachsene Kinder, die er schon zum Geschäft brauchen kann, mitgebracht, so geht's bald recht gut. Kleine Kinder taugen nichts. Missvergnügen und Unzufriedenheit habe ich von mehreren Deutschen hören müssen, doch mit Unrecht. Allerdings liegt uns anfangs sehr vieles im Weg, und man hat die ersten Jahre genug zu tun. Und die Begriffe in Deutschland sind anders als hier und Eingewöhnen ist schwer. Sehr viele suchten ihre Glückseligkeit im Müßiggang und sind deshalb hier unzufriedener als in Deutschland.
Wer dagegen, trotz Fleißes und Sparsamkeit, nur allein wegen Übersetztheit138 und Verdienstmangel sich in Deutschland nicht fortbringen konnte, der findet hier reichlichen Unterhalt, wenn er nur einen treuen Arbeiter machen will und hierzu sind hier im Allgemeinen 10 Stunden Arbeit des Tags für einen gewöhnlichen Arbeiter genug.
Aber täuschen wolle sich ja doch keiner und glauben, in Amerika sei alles im reichen Maß. Man nehme es wie es ist und sei mit dem nötigen Bedarf zufrieden. Ich kann viele Beispiele anführen, die sich in guten Umständen befinden und schnell dazu kamen.
Kommt ihr zu uns, so wollen wir euch mit dem Nötigsten an die Hand gehen, denn wir haben es auch erfahren, was so was ist.
Schuhmacherei und Gerberei werden schwunghaft betrieben. Ein deutscher Schuhmacher aber (wie fast alle Professionisten) müssen erst lernen und sich umwenden, denn das Arbeiten geht rasch und aufs Feinste. Der Geschickte aber findet sich bald drein. Zum Verkauf nehme man daher aus Deutschland nichts mit, aber zum eigenen Bedarf sehe man sich gut vor, weil hier alles so teuer ist.
Bei der Überfahrt sehe man sich gut vor, fürchte sich aber nicht, denn eine Seereise ist sehr gesund. Die Doktoren verordnen sie hier oft bei vielen Krankheiten.
John Eichner, Thomas Street Nr. 21, Neu-York über Havre139.
Auch der Anführer unsrer heurigen Ausgewanderten, Brunner junior, schrieb noch im Laufe 1839 aus Monroe ausführliche Details:
Die beschwerliche Seereise. Am 6. Juli 1839 eingeschifft in Bremen, in 41 Tagen in Neu-York angekommen (in allem 140 Personen). Eichners erwiesen ihnen alle mögliche Freundschaft. Schuhmacher könnten sogleich noch 100 Arbeit finden. Für Mägde gibt's Dienste genug, 4 Dollar wöchentlich. Daher kommen Mädchen gut an. Sieben Tage blieb er in Neu-York, dann auf dem Dampfschiff und Eisenbahn nach Monroe binnen 8 Tagen. Leider herrschen dort Fieber, daran die meisten 3 bis 4 Monate leiden müssen. Sein Bruder ist jetzt Schreiner für sich und verdient sich täglich 5 Schilling140 (1fl 33 kr). Landbauern haben's am besten, und wann sie bar Geld mitbringen, können sie gut und wohlfeil einkaufen. Man braucht nicht in die Nacht hinein zu arbeiten, Futterschneiden, Dreschen etc. Alle Reisende hätten vorher ein halbes Jahr in Neu-York bleiben und Arbeit nehmen sollen, wo sie leicht 3 fl täglich am Kanal etc. um im Sprechen, Sitten usw. etwas zu erlernen. Wer viel Fracht hat, dem langen 150 fl von Feuchtwangen bis Monroe nicht. Folgen noch Ratschläge für Auswanderer.
Euer treuer Bruder Johann Wilhelm Brunner
Und so mögen denn, was unvermeidlich geworden ist, und was zu hindern kein Pharao mehr vermag, nämlich das Auswandern des allzu großen Überflusses unserer Bevölkerung, besonders in unserem Frankenland, wo so viele junge Männer keinen eigenen Herd und Tausende von Jungfrauen keine Männer mehr finden, unter dem Gnadenschutz des Gottes Abrahams den Auswandernden zum Segen ausschlagen.
Uns Bleibende segne Gott in der alten Heimat, wie er uns dieses Jahr zu einem gesegneten gemacht hat. Unsere städtischen, bürgerlichen, kirchlichen und religiösen Zustände gingen einen ruhigen, würdigen Gang fort. Nur eines noch fügen wir hinzu, dass Seine Majestät der König dem Gendarmerie-Oberleutnant Hickel vorzüglich wegen seiner Dienste in Feuchtwangen im Brandjahr 1837 und auf besondere Empfehlung der Stadt das Kreuz des St.-Michael-Ordens verliehen hat, dass, wie er selbst an den Präsidenten schrieb, die Bewohner Feuchtwangs daraus erkennen möchten, wie sehr ihr Wohl allerhöchst ihm am Herzen liege.
September
In
diesem Monate geschah die 6. Wahl der Gemeindeverwaltung. Die Mitglieder
blieben die bisherigen.
1840
Die Natur war uns sehr günstig in diesem Jahre. Eine sehr gute Ernte und nach jahrelangem Harren einmal wieder ein reicher Obstsegen. Die verderbliche Holzraupe ist vernichtet, aber das angefressene Holz ist verdorben und wird nun alles niedergehauen, so dass der Forst sehr gelichtet wird. Vorderhand wird das Holz dadurch wohlfeiler, aber später wird's desto teurer werden. Auf einen späten Winter mit furchtbaren Orkanen (bis in die Nacht des heiligen Weihnachtsfestes), auf grüne Weihnachten und Ostern kommt ein merkwürdiger Frühling, indem vom 1. April bis zum letzten April das herrlichste Frühlingswetter eintritt. Kein einziger Aprilenputz141, immer ganz schön. Mai, Juni, Juli kühl, und in Hundstagen musste eingeheizt werden. Daher kein Weinjahr. Herbst schön.
Der Getreidepreis hinreichend für den Landmann. Korn zwischen 9 fl bis 10 1/2 fl, Dinkel zwischen 5-6 fl, Haber zwischen 3 und 4 fl
Stadt und Pfarrei Feuchtwangen genießt Frieden und Ruhe.
Das Mai-(Schul- und Kinder-)fest, feiern wir wie jedes Mal im Mai, dieses Mal schon am 1. Mai bei schönem Wetter.
An eben diesem Tage erhenkte
sich der alte Metzgermeister Hallmann, ganz angelaufen im Kopfe.
Der Rabe konnte sich diesmal
schon im Korn verstecken als am Walpurgistag.
1.
Mai
Auswanderungen
nach Amerika finden in diesem Jahre nur wenige statt. Aber unterm 25. Dezember
1839 und 1. Februar 1840 gingen gute Briefe ein von den Geschwistrigen
des Hafnermeisters Burkhardt und von dem ledigen Bauernsohn Kohn aus Rißmannschallbach
gebürtig. Es geht ihnen in dortigen Diensten sehr gut, sie haben ihr
Reisegeld schon wieder erspart. Sie dienen bei großen Bauern im Neu-York-Staat.
Sie werden sich bald ankaufen. Sie raten jungen Dienstboten, ihnen ja nachzufolgen,
denn Dienstboten hätten es viel besser als in Deutschland und können
sich viel ersparen, auch bald niederlassen. Sie geben Ratschläge zur
Reise. Zum ersten Mal im Jahr 1840 spricht auch eine deutsche Regierung
das Wort Übervölkerung und Auswandern als eine Notwendigkeit
aus, nämlich in der Darmstädtischen Kammer142
der Minister Die Thil143.
Der Feuchtwangische Deputierte zu dem am 8. Januar eröffneten bayerischen Landtag, Postexpeditor Christoph Schaefer, unterschreibt die Bittschrift an den König gegen das Kniebeugen protestantischer Soldaten vor dem Sanktissimum144, während der weltliche Konsistorialrat von Bayreuth, Regierungsrat Landgraf, die Unterschrift verweigert, was ihm sodann auf der Generalsynode zu Bayreuth vom Erbgrafen von Castell und einem mutvollen Landrichter schwer vorgeworfen wird. Was die beiden Generalsynoden im September 1840 für die protestantische Kirche gewirkt haben, ist bis jetzt noch nicht bekannt und wird sich später zeigen. Die Sache der gemischten Ehen, die Duninsche und Kölner Sache145 regen besonders und vor allem das katholische Bayern auf. Görner und Münchner Prediger (Eberhard) über gemischte Ehen etc. greifen die Protestanten bitter an. Es entsteht in München eine üble Stimmung, dortige Protestanten (z. B. Hofrat Thiersch) gaben deshalb eine Beschwerdeschrift beim König ein.
Bis auf Feuchtwangen hat die Spaltung noch keinen Einfluss gehabt. Wir leben mit den hiesigen wenigen Katholiken in gutem Frieden und mit den benachbarten katholischen Pfarrern auch.
5. April
Durchreise des Prinzen Friedrich
von Württemberg.
18.
Mai
Durchreise
der königlichen Prinzen und Prinzessinnen von Bayern
8. Juli
Geburtsfest unsrer Königin
Therese wird gefeiert
Im Laufe des Sommers wurde unter Inspektion des Bauinspektors Schuhler zu Ansbach und des Wegmeisterei-Verwesers Göbel, eines jungen Menschen zu Dinkelsbühl, sonst Maurergeselle in Leutershausen, die Stiftskirche ausgeweißt und einige Reparaturen, namentlich der Deckengemälde, vorgenommen. Da aber alles an den Mindestnehmenden abgegeben war und die Schopflocher Maurer so wenig nahmen, dass die hiesigen es gar nicht übernehmen konnten, so leisteten diese Schopflocher eine so schlechte Arbeit, weißten mehr mit Kienruß als Farbe aus und leisteten mehr eine Verschlechterung als eine Verbesserung. Sie mussten zwar nachhelfen, aber die Sache blieb und bleibt verpfuscht zur großen Betrübnis aller Kirchenfreunde. Die Ölgemälde reparierte ein Kutschenlackierer und flickte doch wenigstens die vielen Löcher zu, worin die Schwalben genistet hatten.
Während dieser Reparatur wurde der Gottesdienst in der St. Johanniskirche (kleinen Kirche) abgehalten, so dass von 8 - 9 Uhr gepredigt wurde für das Landvolk und von 10 - 11 Uhr für die Stadtleute. Nachmittags war Kinderlehre, die Vesperpredigt aber fiel aus. Gerade so hatte man's bei der letzten Reparatur im Jahre 1812 auch gehalten gehabt.
Die am politischen Himmel aufgebräunten Wetterwolken, der Ausschluss Frankreichs von der orientalischen Frage und die entsetzlichen Kriegsrüstungen Frankreichs lassen auch uns einige Zeitlang einen Krieg fürchten, doch bis ans Ende des Jahres war diese Furcht verschwunden. Den Tod unseres ehemaligen Landesherrn, des Königs von Preußen, Friedrich Wilhelm III., betrauern auch in unsrer Stadt noch die wenigen Alten.
5. August
Durchreise des Herzogs von146
19.
August
Durchreise
des Königs von Württemberg147
von Stuttgart nach Karlsbad
25. August
Der Geburts- und Namenstag
unseres Königs wird wie gewöhnlich gefeiert.
31.
August
übernachtet
der Minister von Abel148
mit Familie hier auf der Post.
7. Dezember
An diesem Tage nachts um
12 Uhr erschreckte uns schon wieder ein Feuerlärm. Es brannte in dem
städtischen Magazin an des Greifenwirts Scheure hinter dem alten Spital,
der Synagoge gegenüber. Zum Glück, dass es der Judenschullehrer
Lissauer noch vor dem Schlafengehen erblickte und auf seinen Lärmen
das erst beginnende Feuer bald gelöscht wird.
Die Judengemeinde ordnet in diesem Jahre ihr religiöses Verhältnis dahin, dass sie benannten Judenreligionslehrer etwas besser besolden, die Feuchtwangische Gemeinde von dem Rabbinat Ansbach losreißen und mit dem Rabbinat Schopfloch vereinigen.
Übrigens sind und bleiben
sie hier starke Juden, i.e.149
Leute verderblichsten Getriebes für die Untertanen und fortdauernd
niederträchtigsten Gesinnung; zur Emanzipation noch nicht reif. Indessen
errichten 2 junge israelitische Männer, Abraham und Wolf Gutmann,
eine Baumwollengewebefabrik, lassen das Garn herbeischaffen, hier spulen
und von vielen Webern verweben, was dahier vielen Leuten, jedoch mühsames
und geringes, Brot verschafft.150