Band 5
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Kleine Stadtarchäologie in Feuchtwangen
von
Hans-Dieter Deinhardt

Die letzten Jahrzehnte brachten einen rasanten Auf- und Umschwung im Leben der Bevölkerung unseres Landes. Diese Veränderungen zeigten sich in den Groß- und Kleinräumen; auch unsere engere Heimat war betroffen. In der Kernstadt Feuchtwangen und den angrenzenden Gebieten wurde saniert, es wurde restauriert, und die Flurbereinigung veränderte das Land. Der Verfasser, ehrenamtlich verpflichtet zur Überwachung auch der Arbeiten, die den Eingriff in den Boden betreffen, wurde oft genug mit der Rasanz konfrontiert, mit der moderne Baumaßnahmen durchgeführt wurden und noch werden. Die kontinuierliche zeitliche Überwachung solcher Abläufe war schwierig, wenn nicht unmöglich. Glücklicherweise standen Herr Werner Uhlich, ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Heimatgeschichte, und andere eifrige Beobachter und Melder bei den Überwachungsarbeiten helfend zur Seite.

Ende März 1984 fraß sich ein Bagger die Untere Torstraße in Richtung Marktplatz hinauf; ein Abwasserkanal wurde verlegt. Die mächtige Maschine zerbrach bei ihrer Tätigkeit Holzbalken, die in ca. 1,20 Meter Tiefe zum Vorschein kamen. Ich war zufällig am Ort und konnte wenigstens noch folgende Befunde dokumentieren:

Quer zur Fahrtrichtung der Straße lagen, in eine Sand- und Lehmbettung verlegt und dadurch noch gut erhalten, Rundhölzer von ca. 10 bis 15 Zentimeter Durchmesser. Sie stellten Reste des seit langem bekannten „Knüppeldammes" dar, der in den letzten Jahrzehnten im Stadtgebiet in Teilen immer wieder aufgedeckt wurde. Schaudig datiert diese frühe Straßenbefestigung in die Mitte des 15. Jahrhunderts. 1 Die dendrochronologische Untersuchung 2 eines ausgewählten Holzes konnte durch das Landesamt für Denkmalpflege leider nicht durchgeführt werden. Das exakte Fäll- und damit Verlegedatum der Bäume festzustellen, war somit nicht möglich. Ich konnte die Schichtenfolge vom gewachsenen Boden aus wenigstens grob zeichnerisch und fotografisch dokumentieren. Sie ergab eine Kulturschicht von immerhin 1,40 Meter Mächtigkeit, die Hölzer lagen in ihr ca.1,20 Meter unter der jetzigen Straßenoberfläche eingebettet. 3 Wiederum auffällig war das Fehlen von Keramik. Dieser Fakt trug und trägt leider zusätzlich zu den Datierungsdefiziten der Feuchtwanger Archäologie bei. 4

Im Jahre 1989 war die Neugestaltung des Kirchplatzes geplant. Ich war durch Zusendung der einschlägigen Planunterlagen über den Umfang und die Art der Baumaßnahmen unterrichtet worden und konnte den bereits angesprochenen Personenkreis rechtzeitig um Überwachungshilfe bitten und selbst die Tiefbauarbeiten auf mögliche archäologische Befunde beobachten. Die Arbeiten, glücklicherweise nicht flächig in die Tiefe, vor und zwischen den evangelischen Kirchen vorangetrieben, brachten immer wieder Bestattungsreste aus dem ehemaligen Friedhof und, vom Bagger angeschnitten, Fundament- oder Mauerreste zutage. Spektakuläres zeigte sich nicht, es wurden Skizzen angefertigt. Eine großflächige Ausgrabung verbot sich allein aus der bekannten mißlichen Personal- und Finanznot des Landesamts für  Denkmalpflege.

Am 10. April 1989 wurden an der Südseite der Johanniskirche Mauerzüge aufgedeckt, die nun doch eine größere Dokumentation nötig machten. Es wurden 4 Fundamente freigelegt, 5 die im 90-Grad-Winkel auf die Süd-Außenfundamente der Kirche, jedoch nicht im Verbund mit diesen, stoßen. Die mehrlagigen Packungen, durch den Bagger teilweise zerrissen, sind aus Bruch- und teilbehauenen Blasensandsteinen gesetzt, verbunden durch einen leicht zerfallenden, gelborangen Mörtel. Vom Gesamteindruck her (Farbe, Gestein, Mächtigkeit) läßt sich ein annähernd gleiches Alter der 4 Grundierungen vermuten. Die Steine fußen im mehrfach gestörten Grund des alten Friedhofes, einer schwarzen Schicht, die regellos mit Knochen und deren Fragmenten durchsetzt ist. Die beiden westlichen Fundamente, die vermutlich u-förmig geschlossen waren, dienten eindeutig als Grundierung für eine Vorhalle zum Spitzbogenportal, 6 dessen Dachansatz an der Außenwand als leicht erhabener Mörtelrest noch zu sehen ist. Die zwei östlichen Fundamente sind schwer, wenn nicht unmöglich in eine Beziehung zu bringen; nur Quellenstudium zur Kirchenbaugeschichte könnte eventuelle Zusammenhänge klären.
 
 


Abb. 1: Aufmaß v. 11.4.1989, Entwurf: H.-D. Deinhardt, Ausf.: H. Ebert

Die in Abbildung 1 dargestellte romanische Rundbogentüre konnte, meines Wissens, erstmalig zeichnerisch erfaßt werden. 7 Das Aufmaß erreichte jedoch nicht den gewachsenen Boden. Die Tür aus sauber behauenen Steinen gemauert, wurde 1927/1929 zugesetzt. Auf der Schwelle - diese zeigt keine Abnutzungsspuren, sie wurde gewendet, - sind 4 Lagen Ziegelsteine sichtbar aufgeführt, nach oben hin liegt die ehemalige Türöffnung unter Verputz. Unter dem Schwellenstein ist rechts ein Stein eingefügt, der hier in Zweitfunktion Verwendung fand. In ihn wurde eine Vertiefung gehauen, die, teilweise sichtbar, als ehemaliges Balkenlager gedeutet werden könnte. 8

Die Sanierungen am Kirchplatz dauerten an, so mußten Abdichtungsarbeiten am Ostfundment des ehemaligen Organistenhauses, Zum Taubenbrünnlein 4, durchgeführt werden. Der Bagger grub bis in eine Tiefe von ca. 2,70 Meter unter den Osteingang des Gebäudes, dabei wurde folgende Situation aufgedeckt und dokumentiert:

Es wurde bei den archäologischen Arbeiten eine mächtige Mauer freigelegt, auf deren westlich gesetzten  Steinen das Organistenhaus fundamentiert ruht. Die behauenen Sandsteine zeigen teilweise enorme Größe, Kantenmaße bis zu 93 x 50 x 33 Zentimeter. Diese Mauer dürfte die ehemalige Friedhofsbegrenzung darstellen, sie stützte dieses Areal nach Westen ab; das Geländegefälle beträgt in der Grabungstiefe immerhin ca. 3 Meter. Der Bagger hatte einen Großteil der Subkonstruktion zerstört, denn die unterste Steinlage konnte nur noch unvollständig erfaßt werden.
 
 


Abb. 2: Grabung am Ostprofil vor dem Osteingang des Organistenhauses  Foto: W. Uhlich

Am 8. September 1990 wurde das Ostprofil 9 der Grabenwand geputzt und der Befund gezeichnet. Dabei wurden bis zu 14 Bestattungen angeschnitten bzw. erkannt. Auch hier kamen Steinsetzungen, die in Richtung Stiftskirche zogen, in großer Tiefe zum Vorschein. Deutlich zeigten sich zwei Brandschichten, deren eine vielleicht auf den Stadtbrand von 1388 hinweisen könnte, siehe Abbildung 2.

Das Grabungsteam unter der Leitung des Archäologen Dr. Peter Vychitil aus Ansbach, das seit dem 14. April 1990 die Notgrabung auf dem Gelände der ehemaligen Fränkischen Teppichweberei betrieb, mußte diese nötige Nebenaufgabe durchführen; gleichzeitig wurde an der Hauptgrabung weitergearbeitet. Diese, für Feuchtwanger Verhältnisse ein großes Vorhaben, wird voraussichtlich im nächsten Band der „Feuchtwanger Heimtgeschichte" ausführlich vorgestellt werden.


1) Schaudig, Wilhelm: Geschichte der Stadt und des ehemaligen Stiftes Feuchtwangen. Feuchtwangen 1927. S. 112.
Urkunden der Stadt Feuchtwangen, U 86 16. Juli 1464. Taidingsbrief Markgraf Albrechts zu Brandenburg „...: Wegen des Holzes, das die Bürger den Chorherren abgehauen haben sollen zum Bau von Wegen und Stegen, wird erkannt, daß die Bürger die Chorherren darin bitten und „begrüßen" sollen". Darauf sollen die Chorherren den Bürgern das Holz entsprechend anweisen.
derselbe. U 174. 12. Mai 1529. Brief Markgraf Georgs zu Brandenburg an Seufried Plumblein, Vogt und Kastner zu Feuchtwangen, in dem er befiehlt, daß jeder Untertan des Amts Feuchtwangen jährlich 4 Fuder Steine zum Pflastern in die Stadt Feuchtwangen führen solle.
Die Straßenpflasterung begann also wahrscheinlich Anfang des 16.  Jahrhunderts.
2) Dendrochronologie. Jedes Holz bildet pro Jahr einen neuen Jahresring. Diese werden unter dem Mikroskop untersucht und u. a. die Dicke gemessen; dann wird eine Graphik erstellt. Diese wird, unter Computerhilfe, mit bekannten Meßergebnissen verglichen. Auf diese Weise kann das genaue Jahr der Baumfällzeit erkannt werden.
3) Brief von Karl Keiper vom Verein für Volkskunst und Volkskunde an das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, Eingangsstempel 11.4.59, Zitat:
„... denn überall wurden dort Knüppeldämme gefunden, die besonders bei Haus 109 a / 110 b, B 5/6, bei 5 m Tiefe lagen. (2 Dämme übereinander, davon der eine bei etwa 3 m, der andere 5 m tief). ..."
Die Hausnummer 109 a bezieht sich auf das heutige Anwesen Ringstraße 60. Die Hölzer wurden südlich davon in der Ringstraße aufgedeckt.
Ich zitiere dazu aus meiner Meldung an das Landesamt für Denkmalpflege vom 24.4.1984:
  „... Etwa 1,65 bis 1,80 Meter unter der jetzigen Teerstraßenoberfläche liegen quer zur Fahrtrichtung Rundhölzer in Stärke von 20 bis 25 Zentimeter, teilweise in doppelter Lage, die durch Lehmeinbettung noch gut erhalten sind. Die Länge der Hölzer ließ sich diesmal feststellen, sie maßen ca. 5 Meter. Der Graben wurde nicht bis zum gewachsenen Boden ausgehoben, und wiederum konnten keine Keramikfunde gemacht werden."
Die durch Karl Keiper genannten Tiefenangaben von „5 m" erscheinen als übertrieben.
4) Keramik, wichtigster, da häufigster Fund aus siebentausend Jahren menschlicher Existenz in unserem Raum; für viele Zeitabschnitte noch weitgehend unerforschte Basis für die Datierung.
5) Meine Meldung an das Landesamt für Denkmalpflege vom 11.5.1989, Plan C.
6) Uraufnahmeflurplan von 1826
7) Meine Meldung an das Landesamt für Denkmalpflege vom 11.05.1989, Plan A.
8) Ramisch, Hans K.: Landkreis Feuchtwangen. München 1964. S. 48. Auszug: „... In der Langhaussüdwand zugesetzte niedere (Außen- und Innenniveau aufgeschüttet!), romanische Rundbogentür mit gestuftem Gewände, profiliertem Kämpfergesims und flachem, wohl ursprünglich bemaltem Bogenfeld. In der Archivolte eingehauenes Kreuz über gleichseitigem Dreieck."
9) Profil. Möglichst senkrechte, seitliche Begrenzung eines Schnittes, zeigt die Schichtenfolge im Boden, auch Querschnitt durch einzelne Befunde.
Erstellt: 8.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert
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