Band 4 |
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Der Rittersitz
Feuchtwangen-Leiperzell
von
Werner
Uhlich
Es ist die Aufgabe der Geschichtsforschung, wissenschaftlich fundierte Beiträge zur Aufhellung noch wenig bekannter Ereignisse der Vergangenheit für die Nachwelt festzuhalten, wobei auch oft als nebensächlich angesehene Tatsachen von Bedeutung sein können. Das intensive Bemühen in den letzten Jahren zur Aufhellung und detaillierter Darstellung des Wissens um die Geschichte Feuchtwangens und seiner Umgebung soll auch in der vorliegenden Arbeit über den Rittersitz Leiperzell seinen Niederschlag finden. Diese Aufgabe kann der Heimatgeschichtsforscher besser als der ferne Wissenschaftler lösen, da er ortskundig ist und vor Ort recherchieren kann. Selbstverständlich darf er hierbei die Gesamtgeschichte der Region nicht außer acht lassen und muß sich um das allgemeine Geschichtsverständnis bemühen. Irrtümer früherer Forscher sollen dabei nicht im Raume stehengelassen, sondern berichtigt werden.
Der Ursprung des Rittersitzes Leiperzell liegt möglicherweise in einer frühen Einsiedelei unter dem Protektorat des Bischofs von Augsburg. So halte ich es für angebracht, zuerst die Kapelle St. Johannes zu Leiperzell voranzustellen.
Leiperzell ist einer der Zellorte im Einzugsgebiet des frühmittelalterlichen Benediktinerklosters St. Salvator in Feuchtwangen. Vermutlich bestanden diese Zellorte wie Aichenzell, Bergnerzell, Rammerzell (abgegangen) und Seiderzell schon vor der Gründung des Feuchtwanger Klosters. 1 So dürfte es sich bei Leiperzell um die Einsiedelei eines Liutprecht gehandelt haben. Sie wird mit dem Bischof Ulrich von Augsburg (923 - 973) in Verbindung gebracht. Er scheint dieser Einsiedelei eine besondere Bedeutung beigemessen zu haben; denn Leiperzell ist der einzige Zellort um Feuchtwangen, der eine Kapelle, St. Johannes geweiht, erhalten hatte. Auch blieben im Laufe des 14. Jahrhunderts aus dem Rittersitz hervorgegangene Güter in Leiperzell über Jahrhunderte Lehen des Bischofs von Augsburg. Wann und von wem die Kapelle errichtet wurde, darüber liegen keine Nachrichten vor. Nicht auszuschließen ist die Überlegung, daß sie vom damals ortsansässigen Adel gestiftet und errichtet wurde.
Leiperzell
wird erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1257 erwähnt. Es handelt
sich hierbei um die Schenkung des Kirchenpatronats von Fürnheim an
das Deutschordenshaus zu Oettingen. Die Urkunde wurde in Feuchtwangen von
der Kustorei des Stiftes ausgestellt. In ihr wird ein Herman von Liuprehtzell
als Zeuge aufgeführt. 2 Recht unterschiedliche
Schreibweisen finden wir in den dokumentarischen Nachweisen. Nach der ältesten
Form Liuprehtzell finden wir noch Leuperzell, Leuprechtzelle, Lewprezell,
Liuprehtszelle, Liuprehtzell, Livprechtscelle, Livprehscelle, Livprehtcelle,
Luhbrehscelle, Luprechtzelle, Luprehtzelle u. a. mehr bis hin zum heutigen
Leiperzell.
Urkunde
von 1257 August 9. - Bay. Hauptstaatsarchiv Bestand Deutscher Orden
Oettingen Urk. 11
Die geringe Nutzung der Kapelle
veranlaßte 1434 den Weihbischof Albertus von Salona, der dem Franziskanerorden
angehörte, einen Ablaß von einem Jahr und vierzig Tagen all
denen zu gewähren, die an bestimmten Tagen und den Feiertagen die
Kapelle zum Gottesdienst aufsuchten oder sie in anderer Weise förderten
zu Ehren der Jungfrau Maria und anderer Heiliger, von denen Reliquien in
der Kapelle liegen sollen. 3 Nun, es
dürfte kein Wunder sein, daß diese Kapelle wenig besucht wurde,
standen doch der Bevölkerung einmal die Pfarrkirche St. Johannis in
Feuchtwangen selbst sowie die um 1400 errichtete benachbarte Kapelle zu
Dorfgütingen zur Verfügung. Letztere war der Maria und den Heiligen
Erhard und Katharina geweiht. Leiperzell wuchs bis ins 18. Jahrhundert
über fünf Anwesen, nämlich dem Burgstall (Ober- und Niederteil),
zwei Höfen und der Mühle, nicht hinaus. 4
Urkundliche Nachrichten über die Kapelle sind recht spärlich
vorhanden. 1454 kauften ihre Heiligenpfleger von Hans Maurer d. J. und
dessen Ehefrau Katharina aus Dorfgütingen deren dortiges freieigenes
Gütlein mit Haus und Stadel sowie einigen landwirtschaftlichen Grundstücken.
Daß hierbei der Dekan des Stiftes zu Feuchtwangen zugegen war, beweist
die Zugehörigkeit der Kapelle zum Stift. 5
In der Kaufurkunde wird das Stift Feuchtwangen als Schirmer und Verseher
der Kapelle in Leiperzell bezeichnet. 1473 verkaufte Hans Heyder Feldstücke
und Wiesen für 29 Gulden an die Kapelle zu Leiperzell. 6
1495 verkauften der Verweser der Kapelle, Johannes Hirsing, Vikarier des
Stifts zu Feuchtwangen, sowie Hanns Slegel d. Ä., Stefan Müller,
Jorg Georg und Linhart Leyrer als Gemeinde- und Heiligenpfleger von Leiperzell
zum Nutzen ihrer Kapelle ein Eigengütlein zu Dorfgütingen, bei
dem es sich um das bereits erwähnte handelte. 7
Weitere Nachrichten gibt eine Rechnungslegung über Einnahmen und Ausgaben
der Kapelle aus dem Jahr 1522 vor Hans Clingler, dem Dekanei- Verwalter
in Feuchtwangen. 8 1660 wurde die Kapelle
teilweise abgetragen. Der Rest diente 1736 als Holzlege. 9
1732 versuchten Bürgermeister und Rat der Stadt Feuchtwangen in den
Besitz des Kirchweihschutzes und des Hirtenstabes von Leiperzell zu gelangen,
in einer Zeit, in der die Kapelle längst "öd und für den
Kirchendienst unbrauchbar war". 10
In der Uraufnahmekarte von 1833 ist die Kapelle nicht mehr eingetragen.
Eine Flurkarte von etwa 1883 weist an ihrem ehemaligen Standort ein kleines
Haus aus. Beim Anlegen eines Kellers für dieses Häuschen etwa
1950 wurden noch Mauerreste der Kapelle entdeckt. Nach Abriß des
Hauses wurde 1972 beim Ausbau der Dorfstraße der erhöhte Standort
abgetragen.
Uraufnahmeflurkarte
von 1833 - Kapelle nicht mehr vorhanden
Flurkarte
von 1883 - Wo einst die Kapelle stand, ist das kleine Haus eingetragen
Der Ortsadel von Leiperzell und der Ort Leiperzell werden erstmals in der bereits erwähnten Schenkungsurkunde von 1257 für das Deutschordenshaus zu Oettingen genannt. Hermann von Liuprehscelle ist einer der Zeugen der von der Kustorei des Stiftes zu Feuchtwangen ausgestellten Urkunde. 11 Dieser Hermann von Liuprehscelle saß auf dem Burgstall mit entsprechenden Wirtschaftsgebäuden in Leiperzell, einem als Becherlehen 12 des Bischofs von Augsburg bezeichneten Anwesen.
Das Geschlecht derer von Luprehtcelle (die weitere Schreibweise) spielte keine unwesentliche Rolle im schwäbisch-fränkischen Grenzraum. Wir finden es um Feuchtwangen, Ellwangen und Schwäbisch Hall. Der Stammsitz war Leiperzell. Die Luprehtceller zu Schwäbisch Hall sollen 1261 wegen Streitigkeiten mit der Stadt von dort weggezogen sein. Bis 1324 sollen sie noch einen Teil von dem in der Nähe der Reichsstadt Hall gelegenen Schloß Sanzenbach bei Rosengarten besessen haben, den sie später verkauften. 13 Inwieweit diese Luprehtceller mit denen in Leiperzell verwandt sind, geht allerdings aus den vorhandenen Nachrichten nicht hervor. Das Wappen wird wie folgt erläutert: Es handelt sich um einen ausgekerbten Schild mit zwei schwarzen von rechts oben nach links unten verlaufenden Balken im silbernen Feld. 14 Da recht unterschiedliche Wappendarstellungen für die von Luprehtcelle anderen Orts angegeben werden, ist eine genaue Festlegung des Wappenbildes erst nach Auffinden eines Originalsiegels möglich.
Alberti setzte, und das mit Fragezeichen versehen, die von Luprehtcelle in die Nähe von Neckarsulm und meinte, daß es sich beim namengebenden Ort um das abgegangene Lupperzelten, Gemarkung Oberriesheim, handeln dürfte. 15 Diese Ansicht kann jedoch heute verneint werden. Ein Verkauf von Gütern zu Weipertshofen, seit 1345 ellwangisches Lehen, (7 km südöstlich von Crailsheim) sowie zu Lix (heute Lixhof, zwischen Weipertshofen und Gerbertshofen) und Gerbertshofen, 8,5 km südöstlich von Crailsheim, durch Hedwig von Luiprechtzell 1345 deutet einwandfrei auf die Ehefrau des Konrad von Luprehtcelle (5), 16 gesessen zu Leiperzell, hin. 17 So können weder die unterschiedlichen Wappendarstellungen noch von Historikern angenommene verwandschaftliche Ableitungen die Frage der Abstammung bzw. Zugehörigkeit derer von Leiperzell einwandfrei beantworten. In der nachstehend aufgeführten Genealogie sind lediglich die urkundlich belegten Personen angegeben.
Hermann von Luprehtcelle (1), belehnt mit dem bischöflichen Rittergut zu Leiperzell, stand zweifellos in enger Verbindung mit dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Kollegiatstift Feuchtwangen. Dies unterstreicht auch die Zeugenschaft bei der erwähnten Schenkungsurkunde von 1257. Die von Luprehtcelle waren begütert in Banzenweiler und Waldhausen und hatten ein Gut und eine Mühle zu Untermichelbach. 18 Außerdem hatten sie zeitweilig Mackenhofen, den Schleifenberghof und den Diemenhof bei Feuchtwangen besessen. Die drei letztgenannten Anwesen waren östlich von Feuchtwangen und bestehen heute nicht mehr. An der Stelle des Diemenhofes an der ehemaligen Schönbachfurt befindet sich heute der Feuchtwanger Ortsteil Ameisenbrücke. Hermann (1) übertrug den Sitz Mackenhofen an seinen ältesten Sohn Hermann (2), der sich daraufhin "von Mackenhofen" nannte. Diese Linie starb offensichtlich mit dessen Sohn Hermann (4) aus. Die späteren "Herren von Mackenhofen" sind dem Ministerialengeschlecht "von Feuchtwangen" zuzurechnen.
Der jüngere Sohn Hermanns (1), Konrad (3), verblieb auf dem Rittersitz (Burgstall) zu Leiperzell, nahm allerdings seiner Söhne wegen bald eine Teilung des Sitzes in einen Oberteil (Burgstall) und einen Niederteil vor. Den Oberteil erhielt später sein ältester Sohn Konrad (5), während der Sohn Ulrich (6) den Niederteil übernahm. Die Ehe Konrads (5) blieb kinderlos. Dagegen rückten bei Ulrich (6) noch zwei Generationen nach. Da der Prozeß des Klosters St. Stephan zu Würzburg um Besitz und den Zehnten zu Waldhausen 1313 bis 1334 nur gegen die Kinder Konrads (3), Konrad (5) und Ulrich (6), geführt wurde, ist anzunehmen, daß Konrad (3) zwischenzeitlich gestorben war.
Die Tochter Konrads (3), Agnes (7), war die letzte derer von Luprehtcelle auf dem Rittersitz zu Leiperzell. Durch ihre Ehe mit Konrad von Berg, genannt von Weinberg, ging der Rittersitz nunmehr in rascher Folge an andere Geschlechter über. Die "von Berg" hatten im Raum Feuchtwangen, Dinkelsbühl und Nördlingen weitere Besitzungen. So kaufte Konrad von Berg, genannt von Weinberg, Besitzungen in und um Zischendorf bei Breitenau. 19 Der Prozeß des Klosters St. Stephan mit denen von Luprehtcelle wurde im Jahr 1334 20 durch den Abt Friedrich von St. Stephan gütig beendet. Das hierbei vereinbarte Erblehen ging 1450 nach dem offensichtlichen Aussterben derer von Luprehtcelle an Dinkelsbühler Bürger über. 21 Durch den Sitzwechsel des Ulrich (6) von Luprehtcelle auf Mackenhofen zeichnet sich die Lehensabhängigkeit zu den Grafen von Hohenlohe ab. Mackenhofen wurde ein Bindeglied zwischen den Geschlechtern von Luprehtcelle, von Kemathen (Oberkemmathen) und von Feuchtwangen. Mackenhofen war zeitweise Ganerbenbesitz derer von Luprehtcelle und derer von Feuchtwangen. So heiratete Ulrich (8) von Luprehtcelle Margareth von Feuchtwangen, die Tochter des Hermann von Feuchtwangen. 22 Mit dem Verkauf der zu Lehen gehenden Güter Mackenhofen, Diemenhof (Lehen des Bischofs von Augsburg) sowie dem hohenlohischen Schleifenberghof, unmittelbar südlich von Mackenhofen gelegen, durch die Witwe und Kinder des verstorbenen Ulrich (8) von Luprehtcelle verliert sich das Geschlecht des Ortsadels von Leiperzell im Feuchtwanger Raum. 23 Sohn Eckart (10) von Luprehtcelle begab sich in den Dienst des Klosters Ellwangen. 24 Er übernahm für dreizehn Jahre die Burghut der ellwangischen Veste Rotenbach bei Schrezheim.25
Seit der Ersterwähnung
derer von Luprehtcelle im Jahr 1257 bis zur letzten bekannten dokumentarischen
Nachricht von 1422 konnten erstmals fünf Generationen dieses Geschlechtes
aus dem niederen Adel als weiterer Meileinstein der mittelalterlichen Geschichte
Feuchtwangens festgehalten werden. Es zeigt wohl eine der typischen Entwicklung
des niederen Adels vom Mittelalter bis hin zur Neuzeit. Erbteilung, fehlende
Nachkommen und finanzieller Ruin besiegelten oft schon in kurzer Generationsfolge
das Fortbestehen eines Geschlechtes.