Band 3 |
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Die Anfänge der Gleichstellung von 1792 bis 1813
Im 18. Jahrhundert bemühte sich vor allem der aus Dessau stammende jüdische Schriftsteller und Philosoph Moses Mendelssohn (1729 - 1786) darum, seinen Glaubensgenossen den Zugang zur deutschen Schriftsprache und Bildung zu ermöglichen. Es gab einflußreiche Leute, die forderten, daß die Juden gleiche Rechte bekommen müßten. Dazu gehörten unter anderem der französische Schriftsteller Charles de Montesquieu (1689 - 1755), der philosophisch-politische Werke verfaßte, und der deutsche Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781), der Freund Mendelssohns, der 1779 den edlen Juden Nathan den Weisen im gleichnamigen Drama geschaffen hatte. Erste Gesetze, die die Juden in gewissem Maße zu ebenbürtigen Bürgern machen sollten, erließ Kaiser Joseph II. (1765 - 1790). Doch gegen sein Toleranzedikt gab es sehr große Widerstände.
Der entscheidende Anstoß für eine Besserung der Lage der Juden kam im Jahr 1791 aus Frankreich, als im Zuge der Revolution die Nationalversammlung deren Gleichberechtigung proklamierte. In den ersten Jahren nachdem der letzte Markgraf Carl Alexander 1791 seine fränkischen Fürstentümer an das Königreich Preußen übergeben hatte, lebten 4000 Juden in 870 Familien in Brandenburg-Ansbach. 87
1803 wurde durch ein preußisches Edikt die jüdische Sondergerichtsbarkeit der Rabbiner zum Teil aufgehoben, wodurch der erste Schritt zu einer Eingliederung der Juden in das allgemeine Rechtsleben getan wurde. 88
Die ehemalige Markgrafschaft war im Zuge der durch Preußen durchgeführten Verwaltungsreform in Kreisdirektionen eingeteilt worden, wobei Feuchtwangen an die in Crailsheim gefallen war. Eine Äußerung des dortigen Kreisdirektors Fischer zeigt deutlich die neue Zeit: "Der Jude ist Mensch wie der Christ, er ist natürlicher Bürger des Staats, in dem er geboren ist, er hat also auch Anspruch auf die Bürgerrechte. In unserem Zeitalter will gewiß niemand mehr die Ausrottung der Juden, und die Zeit wird vielleicht nicht mehr zurückkehren, wo vom Balkon der Peterskirche die arme jüdische Nation öffentlich verflucht wird und zum Nachtheile der sanften Christusreligion, der so sehr gepriesenen Toleranz das Brandmal der Schande aufgedrückt wird. Bisher konnte der deutsche Jude nicht sagen, daß er ein Vaterland habe, daher auch keine Vaterlandsliebe. Das mit Abgaben beschwerte Volk wird zum Wucher gedrängt, der Mehrgeachtete wird eine bessere Industrie treiben. Lehranstalten sollten in Ansbach und Fürth errichtet werden." 89
Im Jahre 1808, Feuchtwangen
war seit zwei Jahren bayerisch, lebten in der Stadt 24 jüdische Familien
mit 113 Personen. 90 Bürger des Staates wurden sie
im Jahr 1813; es gab aber noch zahlreiche Ausnahmebestimmungen. Das "Königliche
Edikt über die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen
im Königreich Bayern" bedeutete für die Juden auch die Öffnung
der allgemeinen Schulen (offiziell schon 1804), Glaubensfreiheit und den
Zutritt zu den meisten Berufen. Die Einwanderung war für fremde Juden
jedoch verboten; ebenso war die Niederlassung nur jüdischen Fabrikanten,
Handwerkern und Bauern erlaubt. 1809 gab es in Feuchtwangen 23 jüdische
Familien mit Hausbesitz und drei jüdische Mieter. Dazu kam die der
Judengemeinde gehörende Synagoge. 91 Diese Juden
mußten 1813 feste Familiennamen annehmen. Bisher trugen sie nur einen
Vornamen und dahinter jeweils den Vornamen des Vaters. So wurde in Feuchtwangen
zum Beispiel aus Abraham Joel nun Abraham Joel Weihermann, aus Mayer Hirsch
nun Mayer Hirsch Wassermann. Weitere neue jüdische Familiennamen in
der Stadt waren Adler, Bischofsheimer, Dosenheimer, Gutmann, Hofmann, Holzinger,
Lindenthal, Mandelbaum, Mohnheimer, Oppenheimer und Ullmann. 92
Bild
1:
Jüdischer Hausbesitz im Jahr 1809
1809
lebten in Feuchtwangen 26 jüdische Familien, wovon 23 ein Haus bzw.
einen Hausanteil besaßen. 3 Familien waren Mieter. Dazu kam die "Judenschule"
(Synagoge) in einem halben Haus. Auf dem Plan sind nur 20 Gebäude
eingetragen, da manche Häuser geteilt waren.
Grundlage
des Plans: Häuser- und Rustikal-Steuer-Kataster des Steuer-Distriktes
Feuchtwangen. Stadtarchiv Feuchtwangen, Band 103.
Die Berufe wandelten sich bald; die Mehrzahl war noch Händler oder Kaufmann, aber es gab auch schon jüdische Handwerker: Händler mit Geld und Papieren, Händler mit Garnen, Lederhändler, Galanteriewaren-93 und Bettfedernhändler, Eisenwarenhändler, Schnittwarenhändler, Leinwandund Garnhändler, Viehhändler, 2 Landwirte, Pelz- und Rauchwarenhändler 94, Wein- und Branntweinhändler, Schmußer 95, Tabakspinner 96, Taglöhner, Früchtehändler, Koscherweinschenk und Garkoch 97, Steinguthändler, Spezereihändler, Schächter 98 und Vorsänger 99, Schmuckwaren- und Bettfedernhändler, Seifensieder, Tabakfabrikant, Posamentiererlm, 100 Religionslehrer, Gerbermeister, Webermeister, Tuchmacher und praktischer Arzt waren in Feuchtwangen vertreten. 101
Diese positive Entwicklung
wurde jedoch von neuen antisemitischen Vorbehalten, teilweise durch Neid
genährt, überschattet. Der Posthalter Christoph Schaefer schrieb
zum Jahr 1819 in seiner Chronik von Feuchtwangen: "Mit
diesem Jahre begann der Geldmangel unter den Leuten. Der Verfall der Bauernhöfe.
Concurs geht an. Die Juden wuchern mit Bauerngüter immerfrecher, und
werden sehr reich."102