Band 3 |
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Bis 1609 wurde die Vertreibung
der Juden vor allem zweifach begründet. Einmal hatten sie als "Verräter
der christlichen Religion" gegolten, zum anderen war ihnen "landesverderblicher
Wucher" vorgeworfen worden.
Welche Möglichkeiten
zum Lebensunterhalt hatten die Juden in unserer Gegend eigentlich? Durch
die Zunftverfassung war ihnen jegliches Handwerk verboten. Ackerbau brauchte
Zeit, die die Juden nicht hatten, da sie oft nur kurz an einem Ort geduldet
wurden; darüber hinaus war ihnen der Besitz landwirtschaftlicher Grundstücke
weitgehend nicht gestattet. Nach den geltenden Gesetzen konnten sie auch
keine Staatsdiener werden.
Ihnen
blieben im wesentlichen drei Tätigkeiten:
Sie
konnten Geld gegen Zinsen verleihen. Je höher diese waren, desto mehr
Abgaben mußten an den Landesherrn in Ansbach bezahlt werden. Dadurch
wurden die Juden beim Fürsten beliebt, beim Volk jedoch verhaßt.
Die zweite Möglichkeit,
seinen Lebensunterhalt zu verdienen, war, als Handelsmann zu arbeiten.
Häufig waren jüdische Viehhändler. Der Beruf des "Roßtäuschers"
galt jedoch als unehrlich; also konnte das Ansehen der Juden durch diese
Tätigkeit nicht steigen.
Als
drittes durfte Pfandleiherei betrieben werden. Groß war also die
Auswahl nicht, und oft bewegten sie sich als Handelsleute am Rande der
,Legalität, wenn sie Waren aufkauften, deren Herkunft nicht völlig
geklärt war.
Immer wieder sollten Juden
zum christlichen Glauben bekehrt werden. Solche Versuche waren trotz aller
Vorteile, die Christen im Vergleich zu den Juden hatten, nur selten erfolgreich,
obwohl diese Vergünstigungen sofort auch für den Übergetretenen
galten. Vermehrte Bekehrungen gab es erst im 19. Jahrhundert. Wenn nun
aber doch einmal ein Jude seinen alten Glauben aufgab und sich dem Christentum
zuwandte, wurde dies als großes Fest inszeniert. Ein typisches Beispiel
aus dem Jahr 1601 ist in einem Taufbuch der Kirchengemeinde Feuchtwangen
aufgezeichnet:
"Auß
bevelch fstl. Dhlt. unsers gnedigsten Hern, ist in der Stifftkirchen alhier
zu Feuchtwang vom Hern Decano M. Martine Moningern Ein Judt Löw genant,
mit seinem Weib Ödelein uff Jüdisch genant, und mit zweien seinen
Sönlein, deren der Eltere 6 Jar alt in d. beschneidung Davidt genandt,
der Jüngere bey 3 Jahren alt in d. beschneidung Michael genandt, nach
gehaltener Mittagspredigt, in Versammlung einer grossen meng volks getauffet
worden ..." 41 (Der vollständige
Text ist in Beilage 1 abgedruckt.) Unter Aufbietung namhafter Paten aus
der Beamtenschaft des Markgraftums wurde die Feier recht aufwendig durchgeführt.
Der Vater Löw erhielt bei der Taufe die Namen Samuel Friedrich und
nahm den Familiennamen Brenz an. Er kam als Beamter in gräflich oettingische
Dienste. Im Jahre 1612 erschien in Nürnberg eine von ihm stammende
vierundvierzigseitige Schrift mit dem Titel "Jüdischer
abgestreiffter Schlangen-Balg". 42
Darin versuchte er, seine frühere Religion und deren Anhänger
auf das niederträchtigste herabzusetzen. Selbst Christen fragten sich,
was ihn dazu bewogen haben könne, "... denen
Jüden die abscheulichsten gottlosigkeiten, Laster und gottslästerungen
..." vorzuwerfen und von der Wahrheit abzuweichen. 43
Der ältere Sohn David erhielt die Vornamen Victorin Christophorus.
Er konnte mit einem Stipendium des Grafen von Oettingen in Oettingen selbst
und in Heilsbronn die Schule besuchen und wurde 1619 Infimus 44
an der Feuchtwanger Lateinschule. Hier heiratete er 1620 die Bäckerstochter
Margaretha Beck. 1624 brachte er es zum Pfarrer in Untermichelbach. Weitere
Pfarrstellen hatte er in Auernheim (dazu wegen der Auswirkungen des Dreißigjährigen
Krieges in Döckingen, Polsingen, Ursheim mit Trendel und Windischhausen)
und Hechlingen (mit Auernheim, Polsingen und Ursheim mit Trendel). Nach
dem Tod seiner Frau heiratete er eine Leutnantstochter aus Oettingen. Brenz
starb in Hechlingen im Jahr 1642. 45
Am
Beispiel von Samuel Friedrich Brenz und seines Sohnes Victorin Christophorus,
vormals Breitenauer Juden, kann man sehen, zu welchem Aufstieg einem Bekehrten
verholfen werden konnte. Es ist bemerkenswert, daß weitaus der größte
Teil dennoch seinem alten Glauben treu blieb. Ein Übertritt zum Christentum
hätte auf einen Schlag sämtliche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Ungerechtigkeiten beseitigt.
In der Zeit der Sonderstellung
zwischen 1609 und 1792 hatten nun auch die Juden gewisse Rechte, aber sie
wurden noch nicht geachtet. Man sah noch nicht ein, daß sie, so wie
sie zu Lasten verpflichtet waren, auch an den Wohltaten der Gesellschaft
hätten teilnehmen müssen.
Die
markgräfliche Regierung sah die Existenz der Juden nur rein wirtschaftlich:
Je mehr man sie schonte, desto mehr brachten sie ein. Der einzelne bekam
einen Schutzbrief, der den Aufenthalt erlaubte, gegen eine verhältnismäßig
hohe Gebühr. Er war aber weiterhin Fremder im Land. Die Vorrechte,
die Juden beim Handel genossen (z. B. der ihnen gestattete höhere
Zinsfuß), riefen den Neid der Christen hervor und verhinderten, daß
sie gleichberechtigte Angehörige des Staates wurden.
1656 drohten Verfolgungen
in Feuchtwangen. Das böswillige und unwahre Gerücht war ausgestreut
worden, daß in der Stadt von Juden ein Christenkind getötet
worden sei. Da aber die Ansbacher Regierung den Juden ein Unschuldszeugnis
ausstellte, konnten Übergriffe verhindert werden. 46
Obwohl die meisten jüdischen
Händler nicht viel Bares besaßen, waren sie vor Räubern
und Mördern nicht sicher. 1658 wurde der Jude Feiß auf dem Weg
von Feuchtwangen nach Schopfloch im Wald "ufm
Weyher wöhr, an einer Wegscheidt" von zwei Männern
ermordet, die entkamen. Feiß hatte zwei Stücklein Leinwand und
etwas Spitze bei sich getragen. 47
1666
fand ein allgemeiner Sturm auf die Juden im Markgraftum statt: Berichte
von Schmähungen und Steinwürfen sind überliefert. 48
Ein weiteres Beispiel für verbrecherische antisemitische Hetze sind
die Vorgänge um den Gerabronner Pfarrer Johann Georg Hornung 49:
1687 wurde ein christliches Kind in Gerabronn vermißt. Pfarrer Hornung
redete Übergriffe gegen die dortigen Juden herbei, auf die er den
Verdacht gelenkt hatte. Die Anschuldigungen stellten sich jedoch als haltlos
heraus, und der Pfarrer wurde 1693 nach Kloster Sulz versetzt. 50
Im Jahre 1697 war dem Rat
der Stadt ein Kondominium weggenommen worden, nämlich das Recht, gemeinsam
mit der markgräflichen Regierung über die Feuchtwanger Juden
richten zu dürfen. Ansbach beanspruchte nun die alleinige Rechtshoheit
über die Juden, wogegen sich die Stadt noch 1703 energisch wehrte.
Sie wollte wenigstens einige ihrer alten Freiheiten behalten. In einer
Stellungnahme wurden, um die lange Tradition der städtischen Judenherrschaft
zu belegen, entsprechende Gerichtsfälle von 1528 bis 1697 aufgeführt.
In dieser Zeit waren viele Streitsachen zwischen Juden und zwischen Juden
und Christen vom Rat entschieden worden. Besonders betont wurde, daß
die Feuchtwanger Juden wie die christlichen Bürger Land- und Lichtmeßsteuern
im Rathaus abliefern, Zug- und Wachtdienst zur Sicherung der Stadt leisten
müßten, aber auch Anteil an den Gemeinderechten wie Wasser-
und Weiderecht hätten. Infolgedessen sollten sie auch dem Rat gerichtlich
unterstehen. 51
In
Feuchtwangen gab es seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
eine Synagoge. Sie war "... von einer ledigen
elternlosen Frauensperson gestiftet ... "
worden 52 und befand sich an der Stelle
des ehemaligen Hauses 67 a (alte Hausnummer).53
Die Judengemeinde bestand im Jahr 1707 aus 23 Familien, von denen 14 in
eigenen Häusern, 9 in Miete wohnten. (Abschrift der entsprechenden
Archivalie siehe Beilage 2.) 54 1712
galt diese Feuchtwanger Judengemeinde, unter der aber auch einige sehr
arme Familien waren, als eine der wohlhabendsten des Markgraftums. 55
Gleich zwei Rabbiner wirkten in der Stadt. 1714 gab es 18 jüdische
Familien, 56 die jedoch immer wieder
zurückgesetzt wurden. So verbot die Ansbacher Regierung 1724 den Juden,
sich Häuser am Marktplatz zu kaufen. 57
1757 wollten die Stadträte von Feuchtwangen zusammen mit ihren Kollegen
in Langenzenn, Mainbernheim und Schwabach verbieten, daß sich Juden
sonntags auf der Straße zeigen. Die Regierung schritt jedoch gegen
diese Forderungen ein. 58
Durch die Judenordnung des
letzten Markgrafen Carl Alexander (1757 - 1791) von 1759 wurden private,
nicht amtlich protokollierte Verträge zwischen Juden und Christen
gültig, so daß endlich ein geregelter Geschäftsverkehr
möglich war. 59
In
dieser Zeit der Sonderstellung hatten die Juden im Markgraftum Ansbach
eine ganze Reihe von Steuern zu zahlen, die nur von ihnen erhoben wurden:
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