Band 3
Inhaltsverzeichnis
<<   blättern   >>
 
Das Judentum in Antike und frühem Mittelalter

Seit dem Jahre 6 nach Christus war das jüdische Palästina unmittelbarer Teil des Römischen Reiches unter Statthaltern geworden. Schon zu Lebzeiten von Rabbi Jeschua (Jesus Christus) verschärften sich die Spannungen zwischen Juden und Besatzern; politische, soziale und religiöse Gegensätze wuchsen. Eine bald neu aufkommende Bewegung war das Christentum. Der Kampf einer anderen Strömung, der Zeloten, die für ihren fanatischen Römerhaß bekannt waren, wollte Volk und Land von der fremden Macht befreien, die vor allem die religiösen Gefühle der Juden häufig mit Füßen trat. Ein weiteres Ziel war die Verwirklichung der endzeitlichen Gottesherrschaft. Die Kämpfe der Zeloten führten im Jahr 66 zum 1. Jüdischen Krieg, den die Römer erst im Jahr 70 mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels für sich entscheiden konnten. Viele Juden verließen daraufhin Palästina. In den Jahren 132 bis 135 kam es unter der Führung von Bar Kobcha zu einer weiteren vergeblichen Erhebung gegen Rom und in deren Folge wieder zu Auswanderungen.  Im vierten Jahrhundert waren nur noch 60 % der Bevölkerung Palästinas Juden.
 
Schon Jahrhunderte vorher gab es eine jüdische Diaspora. Seit der Ptolemäerherrschaft nach dem Tod Alexanders des Großen im Jahr 336 vor Christus soll es in Ägypten eine jüdische Kolonie gegeben haben, die um die Zeitenwende eine Million Köpfe zählte. Allein in der Hauptstadt Alexandria lebten mehrere Hunderttausend Juden. Von Behinderung in religiöser und rechtlicher Hinsicht war nichts zu spüren. Sie konnten alle möglichen Berufe wählen; sie waren z.B. Soldaten, Polizisten, staatliche Steuereinnehmer, Landwirte, Händler und Handwerker. Ein anderer starker jüdischer Siedlungsschwerpunkt lag in Babylonien an Euphrat und Tigris.
 
In römischer Zeit wanderten Juden weiter nach Westen, nach Italien und Marseille in Südfrankreich. Viele kamen unfreiwillig als Sklaven, andere aber auch als Kaufleute und Ärzte.
 
Im Bereich des heutigen Deutschland lebten Juden mindestens seit 311. Am 11. Dezember dieses Jahres erließ Kaiser Konstantin der Große einen Befehl an Kölner Regierungsbeamte, in dem angeordnet wurde, daß Juden nich t länger von Magistratsämtern fernzuhalten seien. Bis zu den Kreuzzügen blieb das Rheinland das jüdische Siedlungszentrum in Deutschland. Urkunden aus dem 9. Jahrhundert weisen sie in Metz in Lothringen, aber auch schon in Augsburg nach. Im 10. Jahrhundert werden sie in Köln, Mainz, Speyer und Worms erwähnt. Synagogen kennt man aus dieser Zeit in Magdeburg, Merseburg und Prag. Im 11. Jahrhundert gab es Juden in England und Polen; 1124 wurde eine jüdische Gemeinde in Kiew in der Ukraine gegründet.
 
Die Juden in Europa unterschieden sich beruflich wenig von der christlichen Bevölkerung. Aus der Merowingerzeit sind zum Beispiel Juden bekannt, die Landwirtschaft betrieben. Viele waren Fernhändler, deren Gebiet von Westeuropa bis Indien und China reichte. Berühmt wurde der Jude Isaak, der 797 zur Gesandtschaft Karls des Großen an Harun al Raschid nach Bagdad gehörte, als einziger die Reise überlebte und 802 mit Geschenken des Kalifen nach Aachen zurückkehrte. Zur Zeit der Karolinger war die Stellung der Juden Oberhaupt von einem hohen Maß an freier wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeit gekennzeichnet. Viele lebten wohl schon in Städten, aber sie besaßen noch Äcker, Mühlen, Weinberge, Salineu. Sie betätigten sich im Fleischhandel sowie als Altwarenhändler und Steuerpächter. Auch jüdische Geldverleiher sind aus jener Zeit bekannt. Sehr bedeutend war weiterhin ihr Fernhandel bis nach Rußland: Textilien, Gold, Edelsteine, Felle, Handschuhe, Wein, Getreide und Pferde kamen so nach Mitteleuropa. Die Messen in Frankfurt am Main, Köln und Mainz fanden unter Beteiligung jüdischer Händler statt. Die Beziehungen zwischen Juden und Christen entwickelten sich meist günstig, weil die christliche Bevölkerung die Tätigkeit der Juden brauchte und diese ihre Funktionen zur Zufriedenheit ausübten.


Erstellt: 1991 durch Dietrich Weiß - letzte Änderung am 6.2.2000 durch Hans Ebert
<<   blättern   >>