Anhang:
Die Briefe 34, 85 und 97
Die folgenden
Briefe 34, 85 und 97 gehören nicht mehr zu den „Feuchtwanger Briefen".
Die Briefe 34 und 85 gehören zu Teil I des Clm 19412, dem eigentlichen
Froumund-Codex, Brief 97 dagegen findet sich erst in Teil II, der nicht
mehr von Froumund stammt (siehe S. 33f). Da sie aber immer wieder
in der Lokalgeschichtsschreibung zitiert wurden und andere Einordnungen
auch nicht unproblematis sind, (Schmeidler: über die Tegernseer Briefsammlung.
S. 423) sollen sie hier wiedergegeben werden. Es folgt zuerst die deutsche
Übersetzung, dann der lateinische Originaltext:
Brief
34
Lateinischer
Originaltext
-
W.
klagt die Not in seinem Kloster einem Bischof T.
-
Dem Priester
T., Beschützer und Hirte der allgemeinen Kirche Gottes, weiht W.,
ein armseliges Menschenkind, den demütigen Dienst anhaltender Gebete
in Christo.
-
Dringlichst
bitten wir mit unschicklich beredsamen Eifer und tragen ein großes
Anliegen vor, da wir bisher die Wahrnehmung machten, daß Ihr ein
großzügiger Geber seid. Seidene Meßgewänder, die
wir bis jetzt infolge Eurer Barmherzigkeit in genügendem Maße
besaßen, haben wir jetzt nicht mehr, nur die einzelnen Brüder
je eines, und diese sind durch die Länge der Zeit fast völlig
aufgebraucht. Denn keine Frau von denen, die nach Eurer Weisung
uns übergegen sind, nimmt sich der Wollarbeit an, weil, wie die Leute
hierzuland behaupten, sie keineswegs solchem Geschäft unterworfen
seien. Über unseren Mangel an Getreide haben wir Euch kürzlich
ohne Erfolg Mitteilung gemacht, weil im vorigen Jahr, so wie wir es auch
heuer kommen sehen, die Unfruchtbarkeit des Bodens, die schwankenden Temperaturverhältnisse,
die Rauhheit des Winters und die scharfen Reife auch die Früchte der
besseren Lagen, die wir zur Nutznießung haben, überall auf mehr
als 60 Morgen vernichtet haben. Wir sind ratlos, was mit den Schutzbefohlenden
zu tun sei, die sich da und dort herumtreiben und sich über verschiedene
Orte zerstreuen, ohne hinreichende Mittel für den notwendigsten Lebensunterhalt
zu besitzen. Dies und Sonstiges vorausgeschickt, sprechen wir voll Mitgefühl
von unserem Hausgesinde, das uns täglich laut jammernd stört
und Nahrung und Kleidung aufs dringendste fordert, nämlich die Schneider,
die Maurer an der Kirche und den übrigen Gebäuden, daneben die
beide Köche, ein Holzsammler, zwei Gemüsegärtner, zwei Bäcker,
der Kuhhirt, der Sauhirt, der Ziegenhirt, der Roßhirt, die Schuster,
Wäscher, Bierbrauer, die jetzt täglich müßig gehen.
- Wir können nämlich keinen Gast aufnehmen oder mit einem Trunk
erquicken, weil die, welchen Ihr es auferlegt habt, uns kein Bier geben.
Den Armen, welche wir aus Barmherzigkeit aufgenommen haben und denen, die
von da und dort hierher zusammenströmen, wagen wir nicht, Erquickung
abzuschlagen. Den Brüdern wollen wir die nicht geringe Quantität
Wein, die jeden Sonntag nach der Fußwaschung als Leibesgabe zu kredenzen
ist, und an den anderen hohen Festen gebraucht wird, mit jenem Geld kaufen,
das unsere beiden Herren geschenkt haben. Gar viel derartiges,
was uns fehlt, hoffen wir, wird ersetzt von dem Vater unsres Klosters,
der, wie wir öffentlich erklären, Ihr seid. Lebt wohl!
Lateinischer
Originaltext:
34.
Antisti T. tutori Dei écclesie
catholico pastori W. humilis homullus devota munia sedulorum precaminum
in Christo.
-
Solita sedulitate loquacitatis
inepte nimie insistimus grandi petitioni valdeque grandia petimus, quia
vos grandia largiri usque modo sentiebamus. Sericas tunicas, quas usque
nunc ob elemosinam vestri sufficienter habebamus, modo non habebamus nisi
singuli fratres sungulas ipsasque vetustate pene consumptas. Nulla enim
femina vestro iure nobis concessa lanificium operatur, quia, ut incole
regionis decertant, nullo modo tali lege infringuntur. De inopia frumenti
nuper vobis incassum demandaveramus, quia priori anno terre infertilitas,
aèris inéqualitas, ut etiam horno videmus evenire, frugens
duorum locorum, qué in alimoniam habemus, hiemis asperitas pruinéque
mordacitas, utrimque plus quam LX iugera, decoxit. Quid illi familiolé
faciendum sit, nescimus, qué hinc inde vagula per varia dissipatur
loca, non habens debiti victus sufficienta necessaria. Istis ceterisque
pretermissis de domiesticis compaciendo tractamus, qui nos cottidie conclamantes
perturbant, victum vestitumque hiberbolice exposcentes, sartores videlicet,
écclesie céterorumque édificiorum instauratores, duo
etiam coci, unus ligna, alter colligens holera; uo pistores bubulcus atque
subulcus, aprarius, custos equorum, sutores lautores, brazatores, qui nunc
cottidie vacant. Nullum enim hositatem possumus suscipere aut potu reficere,
quia non dederunt nobis brazam, quibus iusseratis. Pauperibus namque quos
in elemosinam suscepimus, et his, qui hinc inde confluunt, non audemus
denegare solatia. Fratribus omni sabbato pro caritate miscendum post mandatum
aliisque summis festis utendum non modicum vini empturi sumus cum illa
pecunia, quam utrique nostri dominorum nobis largiti sunt. Cetera plurimaque
id genus, que desunt, speramus emendari a patre monasterii, quem vos esse
profitemur. Valete.
Anmerkungen:
1)
Übersetzung weitgenend nach Albrecht (Die Briefe des Wigo. S. 202f.).
2)
Die Auflösung des W. in Wigo ist nicht sicher, aber wahrscheinlich;
unter "Antistes T." ist wahrscheinlich Bischof Gottschalk (=Theodulo) von
Freising zu verstehen. Steichele las L. statt T. und adressierte so den
Brief an Bischof Liutold von Augsburg. Das war der Hauptgrund, warum der
Brief zur Feuchtwanger Sammlung geschlagen wurde. Die Tatsache, daß
in ihm das Klosterleben ausführlich geschildert wird, spricht eher
dafür, daß es sich um das ein gefestigtes Kloster wie Tegernsee
selbst handelt und nicht um Feuchtwangen, das erst wieder aufgebaut werden
sollte.
3)
Dieses könnte auch "nach Eurem", also schwäbischem Recht bedeuten,
wenn der Brief vielleicht doch an Bischof Liutold von Augsburg gerichtet
sein sollte.
4)
Vielleicht handelt es sich dabei um die nächsten Untertanen des Klosters,
weniger um das Gesinde.
5)
Auf Grund der immer wieder aufleuchtenden Grenzlage des Ortes Feuchtwangen,
der schon in karolingischer Zeit von der Grenze des Riesgaues zum Sualafeldgau
mitten durchschnitten wurde, bieten sich zwei weltliche Herren über
das Kloster geradezu an. Schon im Verbrüderungsbuch von Reichenau
sind bei Feuchtwangen zwei Grafen gleichzeitig als Gönner des Klosters
eingetragen. (Siehe S. 15. Anm. 34 der vorliegenden Arbeit!)