Wigo
berichtet Gozbert von Abensberg, Abt des Mutterklosters Tegernsee (982-1001),
wohl im gleichen ersten Winter, in dem Brief 4 geschrieben wurde. Wigo
erbittet personelle Verstärkung zur Erfüllung seiner Aufgabe
in Feuchtwangen. Das „Brüderlein" ist sehr wahrscheinlich Froumund. - An
Abt Gozbert, der in seiner mönchischen Standhaftigkeit den heiligen
Vätern gleichkommt, von Wigo und dem Brüderlein, das mit ihm
zum Dienst bestimmt wurde. Die sehr jungen Mönche grüßen
den reifen Vater.
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Daß Ihr in Eurer letzten
Denkschrift die neue Pflanzung in winterlicher Zeit wachsen sehen wollt,
ist verwunderlich. Pflegt doch der stürmische Winter nicht in grünen
Früchten zu prangen, sondern er ist eher gewohnt, weißglänzende
Blöcke vor Kälte erstarren zu lassen. Gleichwohl sind diese sogar
in ihrer Maßlosigkeit als Ausstattung für ein Haus geeignet,
wofern wir dem Bauwerk eine dem Hause des Salomon ähnliche Unermeßlichkeit
zugrunde legen wollten. 25 Aber dem
ruhmvollen Salomon half der gesamte Reichtum, wie ihn David angesammelt
hatte, nicht in dem Maße, wie uns im innersten Herzen der schmucke
Bau erfreut, der nicht aus vergänglichen Steinen besteht, 26
sondern darin, daß mit Hilfe Euerer Hoheit unserem Hohepriester ein
Fundament zu immerwährender Verehrung errichtet wird. Wir freuen uns,
ausgesandt zu sein nach Vorschrift der göttlichen Weisung, mit der
er zwölf Jünger aussandte, 27
um die Völker zu lehren, und es schmerzt uns, daß wir dem Werk
jener nicht gleichkommen können, die sechsunddreißigmal zu je
zweien aufgeteilt waren, 28 und wenn
schon nicht durch ihre Heiligkeit, so doch, frei gesagt, durch ihre große
Zahl den Erfolg des ihnen erteilten Auftrages erreichen konnten. Wir haben
keine Helfer bei uns außer zwei steinalten Greisen 29
die keine Aufgabe mehr lockt. Die Himmlischen lächeln ihnen schon
so sehr zu, daß sie täglich wünschen, droben bei ihnen
aufgenommen zu werden. Demzufolge erbitten wir von Eurer väterlichen
Güte die trostreiche Hilfe unseres Bruders Weicher, 30
damit die Wurzel einer guten Frucht an dem uns anvertrauten Ort durch verbesserte
Bewässerung zu wachsen anfange, insofern Euch auch ein Übermaß
an himmlischem Dank von unserem Herrn und Erlöser zuteil werde. Unseren
Bruder Sigihard, welchen zu schicken Ihr im Frühling seiner Studien
wegen abgesehen habt, wollt Ihr bitte, wenn er will und dazu befähigt
ist, jetzt auch noch senden. Lebt wohl.
Faksimile
BriefX5
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Brief
6
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Lateinischer
Originaltext: -- 5. -
Abbati
Gozperto monastica firmitudine priscorum vice sanctorum patrissanti Wigo
cum fraterculo secum in ministerium deputato quicquid tenelli maturo parenti.
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Nove
plantacionis germina brumali tempore vos velle propagare mirandum nova
conscripcione, cum undosa hiemps non viridescere in fruges, sed magis soleat
in lapides rigescere albicantes. Tamen ornatui Salomoniace domus nimium
habiles si volumus iacere similis structure profunditates, gloriosum Salomonem
omnis copia Davitice preparacionis non tantum sublevebat, quantum nostri
cordis domicilium letificat decore aedificacio, que non lapidosa materia
et quandoque casura, verum cultu mansuri fundaminis vestre celsitudinis
iuvamine nostro pontifici est stabilienda. Gaudeamus nos directos norma
dominice ordinacionis, qua duodenos discipulos misit ad predicandos populos,
et illorum ministerii opus non posse imitari dolemus, cum illi tricies
et sexties in binarium divisi, si non sanctiate vel, ut ita poetizemus,
effectum sibi iniuncte precepcionis numerositate supplere potuissen. Nullos
adiutores nobiscum habemus preter duos grandevos silicernos, quos omnimodis
nihil alludit operis. Celicole tantum arrident eos volentes eo se cottidie
apud superos deificare. Quocirca petimus de vestrae paternitatis clementia
nos adiuvari solacio fratris nostri Weicheri, ut radix alicuius boni fructus
profluxione maioris irrigacionis possit augeri in loco nobis commisso,
quatinus cumulus superne mercedis a Domino salvatore remetiatur vobis.
Sigihardum fratrem nostrum, quem tempore viridescentis anni dirigere decrevistis
causa discendi, si vult et si dignamini, nunc etiam mitti precamur. Valete.
25)
2. Chronik 2, 5f und 1. Könige 5ff.
26)
1. Chronik 23, 1-5.
27)
Markus 16, 14-16 und Matthäus 28, 16-20.
28)
Lukas 10, 1.
29)
Sehr wahrscheinlich wird hier nur von den Mönchen geschrieben, die
mit geforderten reformatorischen Führungsaufgaben betraut werden können.
Die beiden Greise wären solche Vertrauenspersonen, sind aber für
die Reformer zu alt. Daß nur von den beiden Greisen die Rede ist,
bedeutet also nicht, daß nicht noch mehr Mönche im Kloster Feuchtwangen
sind. Wären im ganzen Kloster nur mehr zwei alte Mönche anwesend
gewesen, so wäre die in Brief 2 geschilderte Betriebsamkeit Wigos
unerklärlich, ja unmöglich. Siehe auch Benediktus-Regel, Kapitel
48 (S. 147), wo bestimmt wird, daß zwei oder drei ältere Brüder
die Mönche während der Lektürestunden (die zur geistigen
und geistlichen Fortbildung dienen sollen) beaufsichtigen. Ebenso wird
in Ka-pitel 56 (S. 159) festgelegt, daß bei den Mahlzeiten immer
zwei oder drei ältere Brüder bei den übrigen Mönchen
sind.
30)Wigo
wünscht Weicher als Helfer und erinnert dabei an die Benediktus-Regel,
Kapitel 53 (S. 153), wo es heißt: "Wenn jemand Gehilfen braucht,
werden sie ihm zugeteilt ..."
Erstellt:
12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert