Der
Feuchtwanger Klostervorsteher Wigo schildert seine Mühe und Plage
im Kloster einem Abt Theoderich, vielleicht dem ehemaligen Feuchtwanger
Abt, der sich in eine Einsiedelei zurückgezogen hat. 5
Möglicherweise war seine Entsagung nicht freiwillig, sondern sie erfolgte
im Zuge der Reformen durch Tegernsee. 6
Der Brief ist von der Hand Froumunds geschrieben. -
Dem
Abt Theoderich, dem eifrigsten Freund des Einsiedlerlebens, entbietet Wigo,
der unwürdige 7 Verwalter des Klosters
unseres Herrn, des Erlösers, ungeheuchelt seine Unterwerfung im frommen
Gehorsam.
-
Wir können nicht verhehlen,
daß die Lasten sämtlicher Geschäfte uns von allen Seiten
zu Müh und Arbeit aufgeladen werden. Euerem väterlichen Mitleiden
wollen wir dies nicht verheimlichen, denn wir erbitten den gewohnten Trost
Eueres Mitempfindens, den Ihr uns hoffentlich nicht entziehen werdet. Unlängst
haben wir die Brüder unseres Klosters besucht und brachten unseren
Bruder, 8 der uns von dort zu unserer
Hilfe zugestanden wurde, mit zurück. Unser Abt wollte dieses Zugeständnis
zunächst nicht machen. Deswegen und wegen all der Dinge, von denen
wir wohl wissen, daß sie Euch aus der Erfahrung eigenen Bemühens
bestens bekannt sind, haben wir uns bei unserem Abt beklagt.Uns fehlt der
Trost eines Bruders, der uns die vielerlei lästig auf uns liegenden
Beschwernisse erleichtert. Der eine ist ständig krank und der andere
mit mancherlei anderen Aufgaben so beansprucht, daß dem alleine Geschäftigen
nicht eine kleine Erholungspause gegönnt werden kann. 9
Alle Klosterschlüssel trage ich selbst rundum klirrend an meinem Gürtel.
Obendrein muß ich jeder Störung der gewohnten Ordnung behutsam
zuvorkommen. Bald muß ich mich um eine Brotzeit kümmern, bald
den Köchen Anweisungen geben, zuweilen bin ich für Erfrischung
zuständig, 10 aber immer muß
ich allen Hausgenossen, die gerade darinnen weilen, wie auch den Gästen,
die unvermutet dazukommen, zu Diensten sein. 11
Den Bruder Adalgoz,
der kürzlich, als das Kloster den Vater verlor, zurückgegeben
wurde, erbitten wir mit Euerer Erlaubnis zu unserer Unterstützung.
12
Da wir in allem fromm gehorcht, wenn wir in Bezug auf ihn von Euch Weisungen
erhalten haben und wir ihn nichts wider Euren Willen zu tun heißen,
bittet unsere gesamte Bruderschaft, daß er auf Grund des Gehorsames,
den er Euch schuldet, ihr überlassen wird als einer, der zum Klosterdienst
aufgestellt werden soll. Dies soll jedoch nicht heißen, als sei er
Eurer Obhut entzogen, da sich doch keiner von uns Eurem Befehl versagt,
sondern weil man sozusagen das Gut der Liebe wechselseitig aufwiegen soll.
Wir bitten Euch darum, den Bruder Engilpert öfters durch Eure Briefe
zu ermahnen, vom Guten zum Besseren voranzukommen. 13
Lebt wohl.
Faksimile
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BriefX2
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Brief
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Lateinischer
Originaltext: -- 2.
- A. Theoderico heremitice
conversationis cultori studiosissimo Wigo monasterii Domini salvatoris
provisor indignus colore deterso simulationis devote subiectionem oboeditionis.
--
Habitudines cuncorum negotiorum
nobis undique labo(ri)ose adlabentium vestre aternitatis commiserationem
celare nequimus, quia solamen consuete compatientie petentibus, ut speramus,
nullo modo subtrahitis, Fratres monasterii nostri nuperrime visitavimus,
fratrem nostrum adiutorem inde concessumreduximus, cui rei concessionem
nobiscum recusanti penes abbatem nostrum querimoniam feceramus omnium illarum
rerum, quas experientiam laborum vestorum optime nosse non ignoramus. Multimodarum
gravitudinum iugiter onerose incumbentium nullius fratris solatio habemus
elevamentum, cum alius invalitudine, alius diverso preoccupatus (sit) ministerio,
ut vel ad spatium parvi temporis solo laboranti concedatur respirandum.
Omnes claves monasterii tinnienti cingulo undique appensos ipse porto.
Insuper sollicitudini regularis ordinis cautissime debeo previdere, nunc
curam penoris gerere, nunc cocis preesse, interdum refectorius, semper
omnibus domesticis interius commorantibus et exterius hositibus supervenientibus
cunctis serviturus. Fratrem Adalgozum nuperrime monasterio patre viduato
restitutum petimus vestra licentia nobis concedi adiutorio. Et quia in
omnibus devoti paruimus, quibis de illo vestra precepte suscepimus, nec
aliquid invitum facere coegimus, communis petitio fratrum nostrorum precatur,
ut pre-cepto vobis debite oboedientie sibi concedatur ordinandus in officium
monasteriale, non quasi eliminatus custodia vestra, cum nullus nostrum
se subtrahat iussu vestro, sed quia oportet, si audemus dicere, ut bonum
rependatis caritative vicissitudinis. Fratrem Engilpertum petimus ut scriptis
vestris sepius commono-faciatis de bonis ad melioria. Valete.
5)
Im lateinischen Original sind nur die Initialen des Empfängers (A.
T.) und des Absenders (W.) angegeben. Am oberen Rand der Seite steht jedoch
"Adtheodericv heremita insilva or". Steichele (Das Bisthum Augsburg. Bd
3. S. 431) löste "A. T." in "Abbati Theodorico" und "or" in "orientali",
den Adressaten also in "Abt Theodorich im Ostwalde" auf. Einen solchen
Wald konnte er jedoch nicht nachweisen. Bossert (Die Briefe des Feuchtwanger
Dekans Wigo. S. 67-72) deutete "or" nicht als Abkürzung, sondern als
Bezeichnung für den Ohrnwald bei Öhringen/Hohenlohe, wo sich
im Mittelalter Einsiedeleien häuften. Uns sei gestattet, im Zusammenhang
mit der Ortsbezeichnung "or" auf das südöstlich von Feuchtwangen
gelegene Großohrenbronn hinzuweisen, wo eine alte Einsiedelei war.
Das würde auch zu Bosserts Meinung passen, daß Theodorich vor
dem Eintreffen der Tegernseer Mönche unter Wigo der Abt von Feuchtwangen
gewesen sei, der sich in die Einsamkeit zurückgezogen habe, ohne sein
Amt niederzulegen und deswegen noch ein Autoritätsverhältnis
gegenüber Wigo und den im Brief erwähnten Mönchen Adalgoz
und Engilbert besessen habe, sei es auch nur aus Höflichkeit und brüderlicher
Rücksichtnahme. Ist, falls diese Deutung Bosserts zutrifft, nicht
wahrscheinlicher, daß sich der Abt in der Nähe seines Klosters,
also beim heutigen Großohrenbronn, aufgehalten hat? Die Möglichkeit
sollte in Betracht gezogen werden. Nach Bahlow (Deutschlands geographische
Namenwelt. Stichwort Ohrte) ist "or" ein vorgeschichtliches keltoligurisches
Gewässerwort, das weit über Europa verbreitet ist.
Eine weitere alte Einsiedelei
war im ebenfalls nicht weit von Feuchtwangen entfernten Untermosbach. (Braun:
Pfarrsprengel Beyerberg, S. 21 und Ingersleben: Feuchtwangen. S. 57f.)
6)
Die Reformen von Gorze wurden sehr von den Ottonen gefördert. Ja,
die Kaiser zwangen Klöster auch dazu, sie durchzuführen. Häufig
wurde entgegen dem verbrieften Recht der freien Abtwahl einfach ein neuer
Abt eingesetzt, der ein Mönch aus einem der reformierenden Klöster
war. Das könnte auch auf Feuchtwangen zutreffen: Der neue Abt wäre
dann Wigo, der abgelöste Theoderich. Manche Mönche, die nicht
mit den Reformen einverstanden waren, liefen weg; so könnte wohl auch
die geringe Zahl an Klosterbrüdern in Feuchtwangen zu Wigos und Froumunds
Zeiten erklärt werden. (Siehe Schmitz: Geschichte des Benediktinerordens.
Bd 1. S. 181f.)
Einen Hinweis zur Stellung
des Theoderich könnte auch Kapitel 1 der Benediktusregel geben, das
die Arten der Mönche aufzählt. Danach haben Einsiedler eine lange
Zeit der Prüfung und Bewährung im Kloster verbracht, um "zum
Einzelkampf in der Wüste"(S. 61) bereit zu sein.
7)
Benediktus-Regel. S. 81-89. Kapitel 7: Dieses Kapitel handelt von der Demut:
"Jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt, und wer sich erniedrigt,
wird erhöht werden."
8)
Es handelt sich möglicherweise um Froumund, vielleicht den leiblichen
Bruder Wigos, der von Tegernsee mit nach Feuchtwangen ging. Zunächst
scheint Gozbert der Bitte um Entsendung Froumunds nach Feuchtwangen nicht
entsprochen zu haben. Erst als Wigo ihm seine Mühen erläutert,
ist Gozbert damit einverstanden, daß Froumund nach Feuchtwangen gesandt
wird, obwohl nach der Benediktus-Regel, S. 183, Kapitel 69, darauf zu sehen
ist, daß sich Blutsverwandte nicht gegenseitig bevorzugen. Insgesamt
ist der Sachver-halt aber sehr unklar, weil zur Erklärung das Umfeld
des Textes fehlt.
9)
Es waren wohl genügend Klosterinsassen da, aber kein Mönch, der
von Wigo in seinem Sinne mit Führungsaufgaben betreut werden konnte.
10)
Nach der Benediktus-Regel, Kapitel39 bis 41 (S. 131-135) regelte der Abt
alles, was mit Mahlzeiten und Getränken zusammenhing.
11)
Nach der Benediktus-Regel, Kapitel 53 (S. 151-155) mußte der Abt
persönlich den Gästen dienen, ihnen zum Beispiel das Wasser zum
Waschen der Hände reichen und zusammen mit den anderen Mönchen
die Füße waschen.
12)
Um welches Kloster es sich handelt, ist nicht feststellbar. Die Benediktus-Regel
schreibt vor, daß kein Mönch aus einem anderen Kloster ohne
Einwilligung des zuständigen Abts dauernd aufgenommen wird.
13)
Zu den Aufgaben des Abtes gehört nach der Benediktus-Regel auch, durch
seine Mahnungen anderen zur Besserung zu verhelfen, so in Kapitel 2, S.
69. Siehe auch 2. Timotheus, 4, 2: "... ermahne mit aller Geduld und Lehre."
Erstellt:
12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert