Band 1
Inhaltsverzeichnis
<<   blättern   >>

Das Feuchtwanger Kloster in der Überlieferung

Im Feuchtwanger Kloster galt wohl wie in den anderen Klöstern des Frankenreiches die Klosterregel des Benedikt von Nursia. Benediktinermönche bildeten also den Konvent, die Klostergemeinschaft. Unter Mitwirkung des Missionars Bonifatius hatte schon der fränkische Hausmeier Karlmann im Jahre 742 angeordnet, daß in den fränkischen Klöstern nur nach dieser Regel gelebt werden solle. 28 Allerdings muß auch gesehen werden, daß die Praxis recht unterschiedliche Ergebnisse zeitigte und von einem wirklichen Leben nach dieser Regel oft recht wenig übrig blieb; immer wieder wurden Reformen erforderlich, und wiederholte Anweisungen ergingen, die „Benediktinerregel" zu beachten.
.
Die mittelalterlichen Klöster hatten bekanntlich vielfältige Aufgaben. Sie leiteten landwirtschaftliche Mustergüter; der Erstanbau von Wein und anderem Obst geht in vielen Gegenden auf sie zurück. Die Fischzucht wurde eingeführt, dafür waren umfangreiche Weiherbauten nötig. Das Gesundheitswesen war weithin Sache der Klöster; der Klostergarten war wichtig für den Anbau von Heilpflanzen. Die Urbarmachung des Landes ging also auch von den Klöstern aus. Darüber hinaus hatten sie die Aufgabe, Pilger und Kaufleute zu bewirten. Neben ihren gottesdienstlichen Pflichten waren sie die alleinigen Kultur- und Bildungszentren. An den Klöstern wurde Unterrich in Latein, Philosophie, der Redekunst, in Mathematik und in den Naturwissenschaften erteilt. Deswegen legten sie besonderen Wert darauf, sich durch Abschreiben alter Handschriften einen Bücherschatz für das eigene Kloster zu schaffen. Eine produktive Schreibstube 29 dürfen wir auch für das Feuchtwanger Kloster annehmen. Trotzdem mangelt es an frühen schriftlichen Nachrichten; und so sind die Briefe des Mönches Froumund die einzigen erhaltenen schriftlichen Zeugnisse, die aus der Kanzlei und der Schule des Feuchtwanger Klosters selbst stammen. Bis in die Zeit, in der die Briefsammlung des Froumund begonnen wurde, finden sich in der gesamten Überlieferung nur drei schriftliche Erwähnungen des Klosters Feuchtwangen, aber noch keine davon stammt aus dem Kloster.
.
Erstmals genannt wird es als Monasterium Fiuhctinwanc in einer Chronik des ehemaligen Benediktinerkinvents St. Gilles bei Nîmes in der südfranzösischen Provence. Vielleicht sogar in zwei Handschriften, eine davon aus dem 13. Jahrhundert 30 - jetzt ist keine mehr davon vorhanden 31 - lag ein Verzeichnis von 84 Klöstern des Frankenreiches vor, worin diese in drei vom König verschieden hoch besteuerte Gruppen eingeteilt wurden. 32 Nach einer kritischen Untersuchung hat sich ergeben, 33 daß das Manuskript aus der Chronik von St. Gilles nur einen späteren, unvollständigen, nicht immer richtigen Ausschnitt aus dem ursprünglichen Klosterverzeichnis darstellt. Für Feuchtwangen kann nur soviel daraus geschlossen werden - in Anlehnung an die dort genannten alten baierischen Klöster - daß es im Jahre 819 ein fränkisches Reichskloster im ehemaligen Stammesherzogtum Alemannien gewesen war. 34
.
Zum zweiten Mal ist der Name des Klosters Feuchtwangen (als Fiutuuanga) schriftlich überliefert im Gebetsverbrüderungsbuch des Klosters Reichenau, dem Inselkloster im Bodensee. 35 Zum Teil aus älteren Vorlagen heraus vor dem November 824 angelegt, 36 enthält das Buch Personennamen aus 50 Klöstern des Frankenreiches, darunter auch 250 Namen aus dem Kloster Feuchtwangen. 37
.
Zum dritten Mal wird das Kloster Feuchtwangen (als Vuhtinwanc) in der Lebensbeschreibung des Augsburger Bischofs Ulrich erwähnt 38, die in die Jahre um 983/993 datiert wird. Zu dessen Zeit ist es ein bischöfliches Eigenkloster am Nordrand der Diözese Augsburg. 39

28) Capitularia regum Francorum. Bd. 1. Jahr 742. S. 26.
29) Im klösterlichen Scriptorium, der Schreibstube, waren Mönche, aber auch Klosterschüler, unter Anleitung des Scholastikus tätig.
30) Schon Ménard kennt 1750 keine zweite Handschrift mehr. 36 angeblich abgabefreie französische Klöster wurden den ursprünglichen 48 Klöstern angefügt. Im Jahr 1735 schreibt Frieß (Beschreibung des Stiftes Feuchtwangen. Kapitel IV. § 7.) auch nur von 48 Klöstern.
31) Professor Jacques Bousquet von der Universität Paul Valéry in Montpellier, Südfrankreich, hat am 2. Mai 1985 brieflich den Verlust der Handschriften wieder bestätigt. Einder der Bearbeiter konnte auf einer Reise die beeindruckenden Reste der Klosteranlage von St. Gilles besichtigen.
32) Es gab sicher 2 Handschriften, A und B. A unbekannten Alters wurde durch Sirmond 1629 bearbeitet und wohl auch durch Du Chesne 1636. Ménard kannte nur B aus dem 13. Jahrhundert, die er 1750 publizierte. Nur diese drei Männer haben die Originale selbst gesehen. Die Herausgabe von Sirmond war die Grundlage für die Veröffentlichung in der Monumenta Germaniae Historica durch Borethius 1883 (Capitularia regum Francorum. Bd 1. S. 349 - 352 und dann korrigiert und ergänz in Bd 2. Teil 3. S. 539 Nr. 171). Siehe im Literaturverzeichnis unter den erwähnten Namen und unter Lesne!
.
Im Jahre 817 fand unter Ludwig dem Frommen in Aachen ein Konzil statt, dem eine weitere Versammlung von Äbten und Mönchen von Dezember 818 bis Januar 819 am gleichen Ort folgte. Es wurden in erster Linie die Angelegenheiten der fränkischen Klöster behandelt und entschieden. Die Ergebnisse sind im "Capitulare Monasticum" niedergelegt, veröffentlicht in den Capitulare regum Francorum, Bd 1. S. 343 - 349. Nr. 170. Sie werden oft als Ergänzung der Benediktusregel gesehen. Diesem Capitular ordneten die Herausgeber die "Notitia de servitio monasteriorum" (Capitulare regum Francorum. Bd 1. s. 349 - 352.) zu, in der Feuchtwangen erstmals genannt wird. Auf dem erwähnten Konzil im Jahr 817 wurde also auch das Kloster Feuchtwangen als Reichskloster behandelt. Siehe auch Anm. 33 und 34! Die Schreibweise "Fruhelinwanc" beruht wohl auf einem Lesefehler Sirmonds.
33) Pückert: Die sogenannte Notitia de servitio monasteriorum. S. 46 - 71.
34) Siehe auch Anmerkung 32. Die "Notitia ..." wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Gesetzgebung des Konzils zu Aachen von Ende Dezember 818 bis Januar 819 eingefügt. (Pückert ebenda S. 49.) Die erste Nennung Feuchtwangens stammt also aus dem Jahren 818/819. (Der Jahresanfang, den die kaiserliche Kanzlei damals benützte, war der 25. Dezember.)
35) Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau.
36) Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau. S. LXVIII.
37) Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau: Das Kloster Feuchtwangen erscheint zum einen in der Inhaltsübersicht (S. III. Nr. XV) als "Monasterium Fiuhtuuanga", woran später der Name "Englila" gesetzt wurde, und zum anderen im Faksimileteil (S. XXXV), wo unter der Überschrift "Nomina fratrum de coenobio quod Fiuhtuuanga uocatur" insgesamt 250 Namen aufgeführt sind. Meistens handelt es sich dabei um die von Mönchen; aber auch zwei Äbte (Goozbertus und Uuigrat) sind erwähnt, ebenso wie ein Priester und zwei Grafen (Uuerinhre und Uuelfhart) und mehrere alemannische und fränkische Damen, die dem Personenkreis zuzurechnen sind, der dem Kloster nahestand oder der Gründersippe angehörte (z. B. Cunigunt, Gerlind, Adelheid, Hugilind). Der unter den 250 Personen erstgenannte, der Abt Goozbert, könnte noch der Gründungsabt des Klosters Feuchtwangen gewesen sein. (Siehe Hauck: Kirchengeschichte Deutschlands. Bd 2. S. 568.)
Es stellt sich hier auch die Frage, wieviele Mönche im Feuchtwanger Kloster gleichzeitig gelebt haben. Bisher hat nur Jakobi (Geschichte der Stadt Feuchtwangen. S. 6.) eine Schätzung versucht. Aufgrund der in der Stiftskirche vorhandenen Chorstühle kommt er auf 24 bis 30 Mönche, Schwarzmaier (Sozialgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte der Abtei Ellwangen in der Karolingerzeit. S. 55.) erwähnt für das Nachbarkloster Feuchtwangen gleichzeitig 88 Mönche. Bei vorsichtiger Auslegung des Verbrüderungsbuches ergibt sich, daß um 825 mindestens 28, höchstens aber 87 Mönche im Kloster Feuchtwangen gelebt haben. Dabei geben wir der Zahl 28 den Vorzug und lassen dabei die Möglichkeit offen, daß zwischen der Klostergründung und der Anlage des Reichenauer Verbrüderungsbuches die Zahl der Mönche auch deutlich über 28 gelegen haben kann. Die unter dem Abt Goozbert angeführten 87 Namen wurden wohl einer älteren Vorlage entnommen, und sie enthalten auch die bis zur Anlage des Buches neu dazugekommenen Klosterinsassen, während die anschließend unter dem Abt Wigrat aufgeführten 28 Namen den Stand bei der Anlage des Buches wiedergeben. Spätere Ergänzungen sind an der unterschiedlichen Schrift zu erkennen.
38)Gerhardi vita Sancti Oudalrici episcopi. S. 393.
39) Das Kloster mag nach 955 aus Reichshand an den Augsburger Bischof Ulrich gelangt sein (Schnurrer: Feuchtwangen als Reichsstadt. S. 311), nachdem er sich bei der Verteidigung Augsburgs gegen die Ungarn um das Reich verdient gemacht hatte. Sein Andenken lebt im Feuchtwanger Raum bis heute fort: Im ursprünglich Veitsweiler genannten Ort St. Ulrich entstand eine Ulrichskapelle, wohl nach seiner Heiligsprechnung 995, die dem Ort den heutigen Namen gab. In der Stiftskirche fanden sich ein Altar und eine Vikarie St. Ulrich (Schaudig: Geschichte der Stadt Feuchtwangen. S. 15); und noch im 19. Jahrhundert hatte das Bistum Augsburg Grundeigentum in Feuchtwangen, die sogenannten Dillinger Lehen. Heute erinnern noch der Weiler St. Ulrich, das St.-Ulrichs-Patrozinium der katholischen Stadtpfarrkirche und die Straße St. Ulrichsberg an den ehemaligen Klosterherrn Feuchtwangens.
Erstellt: 12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert
<<   blättern   >>