Anton Steichele - Das Bisthum Augsburg
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19 Pf. Weiltingen.

 Patr. Die Inhaber der Herrschaft Weiltingen.

Weiltingen ist ein schöner Marktflecken mit 788 S., 3 St. südöstlich von Dinkelsbühel, am rechten Ufer der Werniz.

Weiltingen liegt an jenem Streifen Landes, bis zu welchem sich nördlich über die Donau hinüber das Reich der Römer in seiner größten Ausdehnung erstreckte; denn der römische Grenzwall (vallum Hadriani, Pfahl, Teufelsmauer) läuft, nördlich vom Hesselberge in das Sulzach- und Werniz-Thal abfallend, gerade Weiltingen zu, überschreitet hier die Werniz, und zieht sich, eine halbe Stunde lang deutlich sichtbar, westwärts gegen die bayerisch-wirtembergische Grenze (s. ob. S. 238). Weiltigen war ein Brückenkopf, vielleiche ein kleines Castrum; südwestlich vom Orte am Hügel-Abhange, nicht weit über dem einstigen vallum, ist ein noch sehr gut erhaltenes Römer-Lager sichtbar, welches, selbst eine Grenzwache, wohl einst die Wachen auf dem Walle eine Strecke weit abzugeben und abzulösen hatte1).

An dieser Stätte nun baute sich, als der Fuß des Römers längst nicht mehr auf ihr wandelte, das Dorf Weiltingen auf. Obwohl der Ort uralt ist, erscheint sein Name doch erst im J. 1238 das erste Mal in der Geschichte. Weiltingen gehörte in alter Zeit ohne Zweifel zum Ries-Gaue, welchem jenes Grafengeschlecht vorstand, das später den Namen von Öttingen trägt. Gleich andern Graugrafen gelang es auch diesem Geschlechte, zu seinen ursprünglichen, im Gaue gelegenen Allodien sich auch noch einen großen Theil des von ihm anfänglich nur verwalteten Gaues als Eigengut anzueignen. Der nördliche Theil des Gaues jedoch, von Aufkirchen an über Weiltingen und Dinkelsbühel bis Feuchtwangen, blieb fast ganz im Besitze des Reiches, und ward als Verwaltungsbezirk mit dem nordwestlich anstoßenden fränkischen Rothenburg vereinigt.

In diesem Bezirke nun erhob sich zu großem Ansehen das Geschlecht Derer von Rothenburg-Nortenberg, welche als Reichs-Ministerialen unter verschiedenen Titeln auftreten. Die Hauptlinie dieses Geschlechtes, fast immer den Namen Liupold führend, hatte unter dem Titel kaiserlicher Küchenmeister ihren Sitz in Rothenburg selbst; andere Glieder der Familie saßen auf fränkischen Schlössern, oder, gleichfalls als Reichs-Ministerialen, in Feuchtwangen und in Weiltingen. Diese Nortenberger in Weiltingen waren, wie die kaiserlichen Küchenmeister zu Rothenburg, unter dem Amtsnamen buticularii, Butigler, Verwalter von Gefällen des Reiches, von welchem sie Lehen genoßen2). Auch ihnen gelang es, ihre Lehen erblich und endlich eigen zu machen, und so wurden aus den Nortenbergischen Butiglern von Weiltingen Herren von Weiltingen, welche so weit bekannt, ebenfalls fast Alle den Namen Liupold führten.

Wir finden im J. 1238 einen Marquardus de Wiltingen, unter vielen Öttingischen und Truhendingischen Ministerialen anwesend zu Kloster Ahausen an der Werniz, als Adelheid von Absberg (de Appesberch) eine reiche Schenkung von Gütern zu Dittenheim und in andern Orten an dieses Kloster machte3). Dieser ohne jedes Nortenbergische Kennzeichen auftretende Ritter gehörte wahrscheinlich dem Nortenberger Geschlechte, in welchem der Name Markwart nie vorkommt, noch nicht an; vielmehr scheint er ein Glied eines alten Weiltinger Adels selbst gewesen zu sein, welcher um die Mitte des 13. Jahrhunderts den Nortenbergern Platz gemacht haben mag; denn am 31. Dec. 1258 finden wir den ersten sichern Nortenberger, Liupolt, seßhaft zu Weiltingen. Als nämlich am genannten Tage Ulrich von Warberg dem Grafen Ludwig von Öttingen Warberg überläßt, und dieser für den Fall von Ulrich's Tod für dessen Wittwe vier Hundert Mark verschreibt, stehen unter den Öttingischen Bürgen "her Liupolt der kuchchinmaiser von Nortinberc, her Herman der schultheize von Rotinburc, her Liupolt sin bruder von Wiltingen"4). Livpoldus magister coquine aule imperialis dictus de Nortenberch schenkt am 11. März 1260 mit Zustimmung seiner Gemahlin Adelheid und seiner Söhne Liupold und Heinrich sein eigenes Gut in dem nahe bei Weiltingen gelegenen Fürnheim (predium meum situm in Furhenowe) an Kloster Kaisersheim5). Als derselbe Liupold der Küchenmeister am 23. Dec. 1265 den Dominikanerinen zu Rothenburg die Hälfte seiner Gefälle aus Burg-Bernheim verpfändete, war Mitsiegler der Urkunde Lupold der Butigler von Weiltingen (Lupoldus butiglarius de Wiltengen), und Lupold, dessen Sohn (Lupoldus filius butiglarii), bürgte6).

Einer dieser Lupolde ist jener Lupold von Weiltingen, welchem, wie wir oben S. 478 erzählten, König Rudolf am 10. Dec. 1274 den Schirm über das nahe Kloster Mönchs-Roth übertrug. Er ist wahrscheinlich derselbe, welcher in einer Heilsbrunner Urkunde vom 7. März 1282 Lupoldus de Wiltingen, imperialis aule ministerialis heißt7). Einen Einblick in die Familie eröffnet eine Kloster Ebracher Urkunde vom 10. Febr. 1285. Lupold der ältere, Butigler von Weiltingen (Leupoldus senior, pottiglarius de Weiltingen), und Agnes, seine Gemahlin, verkaufen nämlich mit Beistimmung ihrer Söhne, des Ritters Lupold (Lupoldi militis), dessen Gemahlin Mechtild heißt, und Lupold's Kanonicus zu Wirzburg, an Kloster Ebrach Güter in Mühlhausen. Die Urkunde siegelten Lupold der ältere, sein Bruder Heinrich der ältere von Seldenekk, Lupold, Küchenmeister von Nortenberg (Lupoldus coquine magister dictus de Nortinberch), Lupoldus junior, scultetus de Rotynburch)8). Letzterer (Liupoldus de Wiltingen, scultetus in Rotenburch), ist am 29. Jan. 1290 thätig in einem Rechtsstreite des Deutschen Hauses zu Rothenburg, und am 8. Dec. 1291 (herr Lupolt der Schultheize, des Bittiglers son) Zeuge in einer Urkunde des Johanniter-Hauses daselbst9).

Gegen Ende des 13. Jahrhundertes begegnen uns einige Geistliche aus dem Weiltinger Geschlechte, an Kirchen zu Wirzburg bepfründet und sämmtlich den Namen Lupold führend, was die Ausscheidung der einzelnen Personen erschwert. Des Wirzburger Kanonicus Lupold, Sohnes Lupold's des ältern, Butiglers von Weiltingen, Zeugen in einer Urkunde vom 10. Febr. 1285, wurde eben gedacht. Ein Lupold von Weiltingen, vielleicht derselbe, erscheint als Domherr und zugleich als Propst des Stiftes Haug zu Wirzburg in Urkunden vom J. 1290 bis zum Jahre 129610). Ein L(upoldus) de Wiltingen ist am 15. Sept. 1293 Official der bischöflichen Curie zu Wirzburg11). An einen Domherrn Lupold von Weiltingen zu Wirzburg verkaufte das dortige Domkapitel am 23. März 1295 für fünf und dreißig Pfund Wirzburger Pfennige seine Güter zu Seligenstadt, als es zu Bezahlung der Kaufsumme für Ochsenfurt baares Geld nöthig hatte12).

Noch in das folgende Jahrhundert ragt ein Lupold von Weiltingen, Domherr zu Wirzburg, herein, welcher seine Präbende niederlegte und als Cistercienser-Mönch in das Kloster Heilsbrunn eintrat. Er war ein angesehener Meister in der Rechtskunde und mit so hervorragenden Eigenschaften begabt, daß König Albrecht ihn zu seinem vertrauten Berather in den geheimsten Dingen wählte13). Vielleicht ist er eine und dieselbe Person mit jenem magister Lupoldus de Wiltingen, welcher schon von König Albrecht's Vater, König Rudolf, am 17. März 1289 "familiaris et consiliarius noster karissimus" genannt wird, auf dessen Bitte dieser König dem Stifte Feuchtwangen gestattet, von Reichs-Dienstmannen Schenkungen annehmen zu dürfen (s. ob. S. 351). Dem Kloster Heilsbrunn gehörte Lupold wenigstens seit 1309 an; öfters als Schiedsrichter in Rechtsstreiten gewählt, schließt er als solcher sein öffentliches Auftreten am 4. Aug. 132314). Bischof Philipp von Eichstätt nennt ihn am 19. Jan. 1315 seinen amicus specialis15).

Von weltlichen Gliedern der Weiltingen'schen Familie finden wir gegen Ausgang des 13. Jahrhundertes einen Liupoldus de Wiltingen miles, welcher am 17. Juni 1295 seinen Hof zu Uttenstetten (bei Fremdingen) an das Domkapitel zu Augsburg gegen Domkapitel'sche Güter zu Veits-Weiler (Wiler iuxta Wiltingen) und im nahen Klingen vertauscht16), und, wahrscheinlich als eine und dieselbe Person mit jenem, einen Lupold den ältern sammt seinem Sohne Lupold dem jüngern. Lupold der ältere (Liupoldus senior de Wiltingen) hatte zur Gemahlin Margaretha Hakke, Wittwe Gerung's des Schenken von Eringen, welche Güter zu Eringen (bei Wallerstein), lehenbar von den Grafen von Truhendingen, in die Ehe brachte. Diese Güter seiner Gemahlin, nämlich fünf Huben und dreizehn und eine halbe Hofstätte (quinque hubas ac tredicim areas cum dimidia) zu Eringen sammt gewissen Rechten daselbst, verkaufte Lupold mit Margaretha's Beistimmung am 22. Okt. 1299 für 689 Pfund Heller und 30 Heller an das Frauenkloster Kirchheim, wogegen er seine Gemahlin durch Abtretung von Gütern zu Ober- und Unter-Ampfrach (s. ob. S. 496), zu Aschbach, Gutenhofen und Gerigshofen [in Aschbach, in Gutenhouen et in Gerigshouen, mir unbekannte Orte] entschädigte. Liupold der jüngere von Weiltingen, sein Sohn, war Zeuge dieser Handlung17). Am 29. Juli 1300 eignete Graf Ulrich von Truhendingen dem Kloster Kirchheim die gekauften Güter, wogegen Lupold seinen eigenen Hof in Pfaffenhofen (quandam curiam in villa Pfaffenhoven sitam, bei Uffenheim?) dem Grafen zu Lehen auftrug18). Lupold der jüngere ist der letzte uns bekannte weltliche Sprosse des Nortenbeg-Weiltingen'schen Geschlechtes.

Mit dem Abgange dieses Geschlechtes wird die Weiltingische Geschichte eine Zeit lang unklar, ja, selbst verworren. Wir finden auf einmal die Grafen von Öttingen im Besitze der Herrschaft Weiltingen, ohne zu wissen, auf welche Weise sie zu derselben gelangt seien. Im J. 1323 aber verkaufte Graf Ludwig der ältere Weiltingen an Frau Imagina von Truhendingen19). Nach einer Urkunde vom 3. Juli 1363 aber überließen die Grafen Ulrich und Heinrich von Schaumberg (in Ober-Österreich bei Passau) ihr mütterliches Erbe, "daz gelegen ist in dem lande ze Swaben, daz vnser rehtz aygen gewesen ist, die vesten Hohentruhending, Spilberch vnd Weilting", mit allen Herrschaften, Leuten und Guten für vierthalb Tausend Gulden an ihren Schwager, Graf Ludwig den jüngern von Öttingen, und ihre Schwester, Gräfin Imagina, seine Gemahlin20), welche Weiltingen, die Weibelhut ausgenommen, "für recht aigen" noch im nämlichen Jahre an die Herren von Sekkendorf verkauften21). Den Grafen von Öttingen blieben aber auch nach diesem Verkaufe noch gewisse Rechte zu Weiltingen, namentlich das Recht, auf der dortigen Gerichtsstätte (Landschranne) Gericht zu halten, welches wahrscheinlich schon von alter Zeit her am Grafen-Amte des Ries-Gaues haftete22).

Die Sekkendorfe, und zwar die von der Linie Aberdar, blieben gegen hundert Jahre im Besitze der Herrschaft Weiltingen23), verkauften aber dann dieselbe an Die von Wolmershausen24). Diesen folgten im Besitze Weiltingen's während des 16. Jahrhundertes Die von Künsberg, dann Die von Knöringen. Wolfgang Wilhelm von Knöringen aber, tief verschuldet, trug die Herrschaft Weiltingen an die Heroge Joh. Friedrich von Wirtemberg zu Lehen auf, welcher sie nach deesselben Tode, im J. 1616 sogleich in Besitz nahm. Als bei einer Ländertheilung im wirtembergischen Hause Weiltingen an Herzog Joh. Friedrich's dritten Bruder, Julius Friedrich, fiel, bildete sich eine herzogliche Linie von Wirtemberg-Weiltingen, welche im Schlosse zu Weiltingen ihren Sitz hatte. Dieselbe erlosch im J. 1705 mit Friedrich Ferdinand, dem vierten Herzoge von Wirtemberg in Weiltingen. Nun ward Weiltingen mit Wirtemberg vereinigt, wurde aber noch ein Mal Residenz eines wirtembergischen Herzoges, des Prinzen Ludwig, von 1778 bis 1792. Derselbe war katholisch, wie sein ungefähr aus hundert Personen bestehender Hofstaat. Auch von 1792 an blieb Weiltingen bei Wirtemberg, bis es im J. 1810 durch Vertrag an Bayern überging. Unter bayerischer Herrschaft wurde das ehemals herzogliche Schloß um einen Spottpreis verkauft und dann abgebrochen25).

Als Zugehörungen der Herrschaft Weiltingen werden aufgeführt: Der ganze Marktflecken Weiltingen, das ganze Dorf Veits-Weiler, 33 Unterthanen zu Frankenhofen, 9 Unterthanen zu Rufenhofen, 9 Unterthanen zu Irsingen, die Schmalz-Mühle unter Reichenbach, 16 Unterthanen zu Gerolfingen, der Zehente zu Beuerberg, einige Unterthanen zu Wittelshofen, in beiden Michelbach, zu Illenswang, Kemnaten, Gelshofen, Wershofen, Welchenholz und Villersbrunn, das halbe Dorf Greuselbach, der Hanenberg, Baumhof, die Neu-Mühle, viele Waldungen, Fischerei und kleine Jagdbarkeit26).

Ueber Weiltingen als Pfarrei besitzen wir aus der alten Zeit keine besondern Nachrichten; wir kennen nur aus dem J. 1288, 19. Nov., einen Albertus plebanus in Waltingen27), und aus dem J. 1295, 17. Juni, einen Liupoldus plebanus de Wiltingen, welcher wahrscheinlich dem Adelsgeschlechte von Weiltingen angehörte28). Das Präsentations-Recht zur Pfarrei besaßen die Inhaber der Herrschaft Weiltingen. Die Zeit, in welcher zu Weiltingen die Lehre und Ordnung des Protestantismus eingeführt wurde, läßt sich nicht ganz sicher angeben; es mag Dieses um das Jahr 1545 geschehen sein29).

Die Pfarrkirche zu Weiltingen, ehemals unter dem Titel des heil. Petrus geweiht, stammt aus zwei verschiedenen Bau-Perioden; der Chor ist ein Bau aus dem Ende des 15. Jahrhundertes, das Langhaus wurde im J. 1685 neu aufgeführt. Der Chor zeigt gothische Fenster, Strebepfeiler und ein Netzgewölbe. Ein gothischer Flügel-Altar, reich an Sculptur und Malerei, hat sich auf der alten Altar-Mensa erhalten. In der Predella ruht, in Holz geschnitzt, der Erzvater David; von ihm geht der Stammbaum Christi aus und steigt zu beiden Seiten des Schreines in schmalen Nebenfächern mit den Brustbildern von je fünf alttesamentlichen Königen auf. Im Schreine selbst steht rechts die heil. Jungfrau Maria, auf dem linken Arme das Jesus-Kind haltend, mit der Rechten ihm einen Apfel reichend, links der Kirchen-Patron St. Petrus, in der Rechten ein geöffnetes Buch, während die Linke einst die Schlüssel hielt, die jetzt verloren sind; beide Bilder sind Holz-Sculpturen. Die Bilder auf den Flügeln des Schreines, wie auf den Nebenflügeln, welche sich an den hintern Rand desselben schließen, gruppiren sich in sinnvoller Weise um die beiden Hauptgestalten des Altares, indem sie auf der rechten Seite die heil. Jungfrau in ihrem Leben darstellen und in ihrer Vollendung verherrlichen, auf der linken aber hervorragende Momente aus der Geschichte des Apostelfürsten vor unsern Augen erscheinen lassen.

Schließen wir nun den Schrein durch seine beiden Flügel, so gewahren wir außen nur Malerei. Sie beginnt auf dem Nebenflügel der rechten Seite oben mit den Bilde der Verkündigung durch den Engel, während der äußere Theil des Hauptflügels oben die heilige Jungfrau zeigt, wie sie anbetend vor dem neugeborenen Heilande kniet; die beiden untern Bilder bieten Christi Beschneidung und die Huldigung der Magier; auf der Innenseite des rechten Hauptflügels aber sehen wir in halb erhabener Schnitzerei unten den Tod Maria's nach gewöhnlicher Darstellung, oben ihre Krönung im Himmel durch Vater und Sohn. Die Petrus-Bilder auf der linken Seite zeigen in der obern Hälfte des Hauptflügels den Heiland in Ölgarten mit Petrus, welcher, von Christus an der Hand geführt, das Schwert trägt; im obern Bilde des Nebenflügels aber übergit ihm Christus die Schlüssel des Himmelreiches; unten sehen wir, wie Knechte den gefesselten Apostel ins Gefängniß führen, daneben aber, wie der Engel Gottes ihn aus demselben befreit; auf den Schnitzbildern der Innenseite wird im obern Felde der Apostel durch den heidnischen Richter zum Tode verurtheilt, im untern besiegelt er seine Treue für Christus durch die Marter am Kreuze. Diese Bilder alle, besonders die Malereien, tragen das Gepräge hoher Schönheit. Das Weltgericht auf der Rückseite des Altares pinselten wahrscheinlich Schüler des Meisters.

An der Evangelien-Seite des Chores findet sich ein einfaches Sakrament-Gehäuse mit Eisengitter.

Der Thurm wurde gleichzeitig mit dem Kirchen-Chore gebaut; in seinem spätern Achteck-Aufsatze hängen fünf Glocken30).

Im Langhause deckt ein großer Stein das Grabgewölbe, in welchem die Gebeine der hier verstorbenen Mitglieder der herzoglich Wirtembergischen Familie ruhen. Von diesen lebt besonders die Herzogin Inkigna, welche längere Zeit als Wittwe des vorletzten und Mutter des noch unmündigen letzten Herzogs die Vormundschaft führte, in der Ortsgeschichte fort, weil sie mit ihrem Sohne viel für Gemeinde und Kirche gethan hat.

Weiltingen hatte vor seiner Protestantisirung ein Frühmeß-Beneficium. Es bestand nachweisbar schon im 15. Jahrhunderte; aber über die Stiftung und über die übrigen Verhältnisse desselben fehlt jede Nachricht. Wir kennen nur einen Heinrich Stengel oder Stenglein, Frühmesser zu Weiltingen, welcher unter erstem Namen im J. 1465 in einer Stift Feuchtwanger Urkunde genannt wird und im J. 1494 starb31). Die Bisthums-Matrikel vom J. 1523 führt ohne weitere Angabe auf: Primissaria in Weiltingen.

Am östlichen Rande des Marktes Weiltingen, auf dem jetzigen Friedhofe, steht die St. Leonhards-Kapelle, wahrscheinlich zu Anfang des 16. Jahrhundertes gebaut.

Die Pfarrei Weiltingen bestand in katholischer Zeit nur aus dem Markte Weiltingen. Die jetzt nach Weiltingen gepfarretn Dörfer Rufenhofen und Wershofen sammt der Neu-Mühle sind alte Zugehörungen der ausgebreiteten Pfarrei Aufkirchen, und schließen sich an die oben S. 445 - 452 abgehandelten Filial-Orte dieser Pfarrei. Zur Pfarrei Weiltingen kamen dieselben erst in neuerer Zeit.

1. Rufenhofe, 95 S., 1/2 St. östlich.

In Rufenhofen hatten die Herren von Truhendingen eigene Besitzungen. Am 19. Juni 1245 überließ der edle Mann Friedrich von Truhendingen das Eigenthumsrecht dieser Güter (proprietates suas in Ruvenhouen) an die bischöfliche Kirche von Eichstätt, und empfing sie dann von derselben zu Lehen32). In späterer Zeit gehören zur Herrschaft Weiltingen neun Unterthanen zu Rufenhofen.

Ueber eine Kirche zu Rufenhofen liegen schon seit dem 14. Jahrhunderte Nachrichten vor. Sie stand, wie die Mutterkirche zu Aufkirchen, unter dem Patronate des Deutschordenshauses zu Öttingen. Eine Urkunde des Spitals zu Dinkelsbühel vom 9. März 1346 nennt "die pfleger der heiligen ze Ruvenhofen"33). "Die kirch von Rufenhofen" wird am 14. Juni 1380 zu einem Reichnisse an die ewige Messe zu Wittelshofen verpflcihtet (s. ob. S. 451). Dieselbe hatte in Widdumgut; denn am 24. Febr. 1384 leiht der Commenthur des Deutschen Hauses zu Öttingen "die wydem ze Ruffenhouen"34).

Das gegenwärtig noch stehende Kirchlein zu Rufenhofen, wahrscheinlich dem heil. Bischofe Nikolaus geweiht, stammt aus dem J. 148535). Es ist einfach gebaut, die Südseite hat schmale, längliche Fenster, die Nordseite ist ohne Fenster; Mauersockel, Ecken, Fenster-Einfassung, Thüre, sind aus Quadern gebildet, der feste, weite niedrige Thurm, in welchem zwei Glocken hängen36), mit vierseitigem Dache, ist als Chor vorgebaut. Das Innere bewahrt noch zwei alte, gemauerte Altar-Mensen. Auf dem vordern steht ein Rest vom Schreine eines Flügel-Altares; in ihm befinden sich die Bilder von St. Nikolaus, St. Johannes dem Täufer, und einem nicht erkennbaren Heiligen. An der linken Chorwand zeigt eine rohe Malerei des 16. Jahrhundertes, mit Gestalten in der Kleidertracht damaliger Zeit, die Sammlung des Manna.

2. Wershofen, 102 S., 1/4 St. nordöstlich.

Im. 13. Jahrhunderte begegnet uns ein Geschlecht niedern Adels, genannt de Werreshoven und de Wershoven37). Sifridus de Werreshoven ist in den Jahren 1246 und 1248 um den edeln Mann Kunrat von Siebenbrunnen, als dieser Güter zu Illenswang an Kloster Ahausen schenkt (s. ob. S. 475). Ein Liupoldus de Wershoven, vielleicht gar aus der Weiltingischen Familie, ist am 17. Juni 1295 Zeuge bei dem Gütertausche zwischen dem Domkapitel zu Augsburg und dem Ritter Liupold von Weiltingen38). Später besitzt die Herrschaft zu Weiltingen einige Unterthanen zu Wershofen.

Bei einem Zehenttausche zwischen dem Deutschen Hause zu Öttingen und Hans von Sekkendorf zu Weiltingen werden folgende, jetzt nicht mehr vorhandene, oder unter andern Namen bestehenden Orte um Weiltingen genannt: der "hof ze dem Baum" [Baumhof, am Hügel nordwestlich von Weiltingen, jenseits der Werniz, erst in neuerer Zeit abgegangen], zwei Güter "zu dem Berge" [unbekannt], Hof zu Wittenbrunnen [unbekannt], die "Kunen Mül) [jetzt Neu-Mühle, welchen Namen sie nach ihrer Wiederaufbauung nach dem dreißigjährigen Kriege empfing]39).

Die in der Pfarrei Weiltingen wohnenden Katholiken, gegewärtig 3 S., sind in die katholische Pfarrei Wilburgstetten eingepfarrt (Min.-Rescr. vom 8. April 1848, Ord.-Dekr. vom 19. April 1848). 


1 Mittheilung von Herrn Pfarrer J. B. Guth in Weiltingen, welcher, ein verdienter Geschichtsforscher, mich für vorliegende Beschreibung seines Pfarr-Ortes mit Notizen und Hinweisungen unterstützte.

2 Das Wort buticularius stammt vom mittelalterlichen buticula, ein Trinkgefäß, Flasche, bezeichnete ursprünglich denjenigen Hofbeamten der fränkischen Könige, "penes quem buticularum vel potus cura demandata erat"; idem qui pincerna (Du Cange). Die Butigler (französisch buoteiller) wären also an unserer Stelle, analog den Küchenmeistern, kaiserliche Kellermeister, welche zunächst Gefälle zur kaiserlichen Hofhaltung einzunehmen und zu verwalten hatten.

3 Klst. Ahausische Urk. in München; s. R. B. 3, 281, wo man den vielen Zeugen der Urkunde nur ganz wenige angegeben sind.

4 Urk. in Wallerstein.

5 Urk. in München. Zeugen dieser Schenkung sind: Fr. Heinricus sacerdos de Wilaer, Heinricus de Vfkirchen, Marquardus de Lar, Vlricus de Schophloch, Livpoldus et Hermannus de Tanne fratres, Albertus scriba. Außer der eben angeführten Urkunde vom 11. März 1260 ist im Reichs-Archive noch eine zweite undatirte Urkunde desselben Ausstellers über dieselbe Schenkung, nur in etwas kürzerer Fassung, vorhanden, welche R. B. 1, 387 unrichtig in die Zeit circ. 1200 gesetzt wird.

6 R. B. 3, 255.

7 Ib. 4, 175.

8 Ib. 4, 267.

9 R. B. 4, 435. 505.

10 Lupold von Weiltingen wird als Propst von Haug das erste Mal genannt als Mitsiegler und Zeuge einer Urkunde vom 21. Jan. 1290, laut welcher Friedrich von Kreglingen, Scholasticus des Stiftes Haug (ecclesie sancti Johannis in Hauge), als päpstlich delegirter Richter einen Rechtsstreit der Kaplanei St. Gallus bescheidet. Der Scholasticus von Haug sagt am Schlusse: In cius rei testimonium sigillum venerabilis domini Manegoldi episcopi Herbipolensis, et sigillum domini Lupoldi de Wiltingen, nostre ecclesie prepositi, vna cum sigillo nostro presentibus sunt appensa. M. B. 38, 19. Die R. B. 4, 433 machen, indem sie ein Regest dieser Urkunde geben, unsern Lupold zum Dompropst von Wirzburg, majoris ecclesiae praepositus!

Aus  den folgenden Jahren wird Lupoldus de Wiltingen, auch de Wiheltingen, praepositus in Hauge, genannt in den Urkunden M. B. 38, 25. 35. 53. 61. 63. 70. 82. 101. 112. 129. 139; R. B. 4, 547. Die letzte Erwähnung desselben geschieht am 2. Aug. 1296, M. B. 38, 141.

11 M. B. 38, 97.

12 Ib. 38, 120.

13 Der Geschichtsschreiber Johannes von Viktring erzählt zum J. 1309: "Fuit hiis diebus in regno famosus Heinricus comes Luczenburgensis, actu strennuus, qui terram suam quibuslibet transentibus pacatam et valde securam conservabat. Cuius Albertus rex adhuc vivens, sicut audivimus a Leupoldo de Weltingen, canonico Herbipolensi, domino [doctore?] legum, monacho postea Hailprunnensi, qui suorum secretariorum auricularius exitit, sepius memoriam habebat, et de successione eius in regno, si ipse subduceretur, crebrius revolvebat". Joh. Victoriensis bei Böhmer Fontes 1, 358.

14 Jung Miscell. 1, 41; R. B. 5, 297; 6, 106.

15 R. B. 5, 294.

16 M. B. 33 a, 228.

17 Die Verkaufs-Urkunde, dat. XI. Kal. Nov. 1299, Orig. in Wallerstein, hat unter den Zeugen: Liupoldus de Wiltingen, filius meus karissimus, miles. In der Zustimmungs-Urkunde Margaretha's, dat. et act. in Frömtingen, XI. Kal. Nov. 1299, stehen unter den Zeugen: Rvdolfus dictus Hacke, frater meus karissimus, und Liupoldus de Wiltingen iunior, milites.

18 Urk. Graf Ulrich's, dat. in Kolbenberg in crastino S. Pantaleonis 1300, ib.

19 Graf Ludwig der ältere bekennt am 6. Aug. 1323, "daz sin libiv mome frauwe Ymagina von Trühendingen im fvnfhundert phvnt haller gewert hat an den phenningen, als sie Weyltingen vmbe in [d. i. von ihm] gechauset hat". Ött. Mat. 5, 37.

Der Ritter Walther, genannt Schrekke, welcher am 25. Mai 1329 zu Weiltingen sitzt, R. B. 6, 294, scheint Truhendingischer Lehenträger oder Burgmann in Weiltingen gewesen zu sein.

20 Urk. in München.

21 H. v. Lang, Grafschaften S. 308, glaubt die Sache in folgender Weise entwirren zu können. Der letzte Besitzer von Hohen-Trühdingen und Spielberg, ein Herr von Truhendingen aus dem alten Gaugrafengeschlechte jenseits der Werniz, hatte zwei Erbtöchter, Elisabeth, vermählte Gräfin von Graisbach, und Imagina, vermählte Gräfin von Schaumburg in Österreich. Die letztere hatte Weiltingen im J. 1323 gekauft. Beim Tode des Vaters dieser beiden Erbtöchter bekam der Graf von Graisbach Hohen-Trühdingen nebst Zugehör, der Graf von Schaumburg Spielberg und Weiltingen. Die Gräfin Imagina von Schaumburg hatte eine Tochter, gleichfalls Imagina genannt, welche bei ihrer Vermählung an Graf Ludwig von Öttingen diesem als ihre vor der Hand angewiesene Heimsteuer jene Besitzungen wieder zubrachte. Im J. 1363, als Graf Ludwig diese Besitzungen theilweise, nämlich Weiltingen ohne die Weibelhut, verkaufen wollte, ließ er sich dieselben in Form eines Kaufes, von seinen Schwägern förmlich abtreten.

22 Am 8. Nov. 1389 sitzt Graf Ludwig von Öttingen zu Gericht an der Landschranne zu Weyltingen. Am 2. März 1412 sitzt Graf Ludwig der jüngere von Öttingen zu Gericht an der Landschranne zu Weyltingen statt seines Vaters und Vetters, der Grafen Ludwig und Friedrich von Öttingen. Urkk. in Wallerstein.

23 Ein Urkunde des Deutschen Hauses zu Öttingen in München vom15. Juli 1364 nennt Hans von Seggendorf zu Wiltingen und Guta, seine eheliche Wirthin. Am 19. Juli 1383 wird in einer Stift Feuchtwanger Urkunde genannt: Dns. Heinricus de Seckendorf alias Aberdar de Weyltingen armiger, Urk. in München. Auch am 4. Okt. 1419 sitzt ein Heinrich von Seckendorf zu Weiltingen, R. B. 12, 323, und am 24. März und 3. Juli 1438 ist ein Heinrich von Seggendorf der ältere Fürsprech des Propstes von Mönchs-Roth in einem Rechtsstreite des Letztern mit Kloster Kaisersheim. Urkk. in Wallerstein.

Ein in die Kirchenmauer auf der Südseite eingemauerter Grabstein trägt die Inschrift:

Anno dni. M:cccclxi. jor do starb der erbar vnd vest Hanns von Seckendorf Aberdar;

und im Innern der Kirche ist ein hölzernes Wappen der Sekkendorfe aufbewahrt mit der Umschrift:

Anno dni. 1473. aller heiligen tag ist gestorben der edel vnd vest Heinrich von Seckendorf Abedar -- gott gnetig.

24 Lewpolt von Wolmershausen zu Weylting gesessen siegelt am 8. Febr. 1468 eine Urkunde des Stiftes Feuchtwangen. Urk. in Nürnberg.

25 Zumeist nach Mittheilungen von Hrn. Pf. Guth in Weiltingen.

26 J. H. von Falkenstein, Analecta Nordgav., 4. Nachlese, Schwabach 1738, S. 311.

27 Ötter, Reichs-Ministerialen, S. 264.

28 M. B. 33 a, 229.

29 Am 17. April 1545 starb zu Weiltingen Frau Margaretha von Knöringen, geborene von Helberg. Sie gehörte noch der katholischen Kirche an; denn sie hält auf ihrem in der Kirche zu Weiltingen befindlichen Grabmale noch einen Rosenkranz in den Händen. Dagegen zeigt das Grabmal ihres am 27. Aug. 1562 verstorbenen Gemahls oder Sohnes, Hans Wolf von Knöringen, schon ganz den protestantischen Typpus.

30 Sie haben, von der größen zu kleinsten, folgende Inschriften:

1. 1761 gos mich Nicolaus Arnoldt in Dinckelspühl.

2. Ave Maria gracia plena dominvs tecvm benedicta tv in.

Schrift in gothischen Minuskeln.

3. Ein kindelein so lobigleich ist vns gep[oren].

Die Schrift ist gothische Minuskel; zwischen die einzelen Worte sind Kreuze und Glöcklein gegossen. Sie steht auf einem Bande, dessen oberer Rand von einer Zackenreihe, der untere von einem gothischen Kleeblatt-Friese gebildet wird. Die Glocke mag aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundertes stammen.

Obige Inschrift ist der Anfang eines uralten Weihnachts-Liedes, dessen erste Strophe vollständig heißt:

Ein kindelin so löbelich

Ist uns geboren heute,

Von einer jungfrau seuberlich,

Zu trost uns armen leute.

S. Hoffmann von Fallersleben, Gesch. des deutschen Kirchenliedes bis auf Luthers Zeit, Hannover 1854, S. 197.

4. + Mathevs + Lvcas + Marcvs + Johannes.

Glocke aus dem 15. Jahrhunderte.

5. I. N. R. I. Titvlvs trivmphalis salvatoris.

Die Schrift steht in lateinischen Unicialen auf einem einfachen Bande ohne Zier.

31 Auf einer Bronce-Tafel in der Pfarrkirche steht: Anno dni. 1492 sec. feria post Valentini obiit dns. Heinricus Stenglein hic primissarius.

32 Klst. Ahauser Urk. in München.

33 Urk. in München.

34 Urk. ib.

35 Ueber dem Eingange an der Südseite, der an seiner Einfassung gothische Cannelirung zeigt, trägt eine Steinplatte die Inschrift:

Anno. domini. M. cccc. / xxxv. ist. diser. tur/n. vnd. capel. gema/cht. worden. patron. der. / ca. ist. Niclas, bischof.

Die cursiv gedruckten Worte, an deren Stelle die Schrift zerstört ist, sind von mir vermuthungseise ergänzt.

36 Die größere hat in gothischen Minuskeln, auf einem Bande ohne Fries-Verzierung, die Inschrift:

Ihs. S. Marcvs, S. Lvcas, S. Mathevs, S. Johannes. M. ccccc. xx (?) jar.

Die eine Seite zeigt Christus am Kreuze mit Maria und Johannes, die andere zwei nicht ganz deutliche Heiligenbilder.

Für die angegebene Jahreszahl vermag ich nicht einzustehen, weil die Art, wie die Glocke hängt, mir eine ganz sichere Lesung derselben nicht gestattete.

Die kleinere Glocke, ohne Schrift und anderes Zeichen, ist sehr alt.

37 Man schreibt jetzt den Namen des an der Werniz liegenden Ortes, welcher noch im vorigen Jahrhunderte Werschhofen heißt: Wörnizhofen.

38 M. B. 33 a, 288.

39 Urk. des Deutschen Hauses Öttingen, in München.


Erstellt am 13. März 2015 durch Hans Ebert

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