Anton Steichele - Das Bisthum Augsburg
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b. Kirchlich-Geschichtliches.

Wir haben bereits oben S. 229 u. ff. die drei und zwanzig katholischen Pfarrsprengel aufgeführt, welche vor der Glaubenstrennung das alte Dekanat Dinkelsbühel bildeten. Nicht sehr lange Zeit, nachdem die Bekehrung dieses Landstriches zum Christenthume vollendet worden, noch während der Regierung Karl’s des Großen und von diesem Kaiser selbst begründet, entstand hier an der äußersten Nordgrenze des Bisthums Augsburg das Benediktiner-Kloster Feuchtwangen, im 12. Jahrh. in ein Collegiat-Stift umgewandelt, eine mit der bischöflichen Mutterkirche zu Augsburg im engsten Tochterverhältnisse verbundene Stiftung, welche in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens für Landes-Cultur und Volksbildung in dieser Gegend äußerst segensreich wirkte. Zu Anfang des 12. Jahrh. erreichte das im Speierer Sprengel gelegene Kloster Hirschau aus Schenkungen, welche es zu Roth und Umgegen empfangen hatte, ein Kloster Benediktiner-Ordens zu Roth, nun Mönchs-Roth genannt unter der Vorstandschaft eines Propstes. Gegen Ende des 13. Jahrh. entstand zu Dinkelsbühel ein Mannskloster des Ordens vom Berge Karmel, und um das Jahr 1420 siedelten sich Ordensschwestern zu Dorf-Kemnaten an und begründeten dort ein Klösterlein nach der dritten Regel vom Orden des heil. Dominikus.

Die Glaubensneuerung des 16. Jahrh. kam und stürmte gewaltig über das Kapitel Dinkelsbühel hin, alles katholische Wesen vom Boden desselben zu vertilgen drohend. Es waren hauptsächlich zwei Gebiets-Herrschaften thätig, die Glaubensänderung rücksichtslos allen ihren Unterthanen aufzudrängen: die Markgrafen von Ansbach und die Grafen von Öttingen. Auch in der Reichsstadt Dinkelsbühel entbrannte die Bewegung gegen die alte Kirche; doch konnte hier, wo ehedem ein so reiches katholisches Leben gewaltet, die Neuerung nicht durchdringen, sie mußte auf halbem Wege stehen bleiben.

In der Markgrafschaft Ansbach war schon auf einem Landtage zu Ansbach im September 1524 die Predigt des Evangeliums, wie der Ausdruck lautet, frei gegeben worden; Änderungen in den Ceremonien blieben verboten. Die neue Freiheit reizte aber auch hier das Landvolk zum Widerstande gegen seine Herren und zu Abwerfung seiner Lasten. Im Mai und Juni 1525 kriegte Markgraf Kasimir gegen die aufrührerischen Bauern im Aisch-Grunde, am Main und im Lande auf dem Gebirge, und vergalt ihnen die Empörung durch zahlreiche Hinrichtungen. Auch um Dinkelsbühel tobte der Aufstand, an welchem selbst Bürger der Reichsstadt Theil nahmen. Die Umgegend Dinkelsbühel's wurde von den Bauern verwüstet, Kloster Möchs-Roth niedergebrannt, mehrere andere Orte erlagen gleichfalls der Zerstörung.

Markgraf Georg, der im J. 1527 die vormundschaftliche Regierung des Fürstenthums Ansbach angetreten, arbeitete alsbald ernstlich auf den Bruch mit der alten Kirche hin. Auf Georgs’s ersten Landtage zu Ansbach im März 1528 wurde dieser Bruch thatsächlich vollzogen, das „Papstthum“ abgeschafft und die Einfürhung „der evangelischen Lehre“ proklamirt. Ein Religions-Convent zu Schwabach, Juni 1528, ordnete die 23 Visitations-Artikel, die Grundlage zur neuen Kirchen-Ordnung; auf dem Reichstage zu Speier, 19. April 1529, trat Markgraf Georg den protestierenden Ständen bei, und auf dem Reichstage zu Augsburg, Juni 1530, unterzeichnete er die Augsburgische Confession. „Mit dem Uebertritte der Landesfürsten zum protestantischen Glaubensbekenntnisse“, schreibt die Bavaria (3, 1136), „begann alsbald die Säkularisirung der Klöster und Stifte, und die Einziehung der reichen Klostergüter wurde mit solcher Hast und solchen Feuereifer betrieben, daß es scheinen möchte, als sei die Erwerbung der reichen Klostergüter ein höchst wünschenswerthes Supplement des religiösen Bewußtseins der Markgrafen gewesen, deren Haushalt periodenweise an etlicher Zerrüttung litt“. Stift und Stadt Feuchtwangen wurden noch im J. 1528 protestantisirt, das Stiftsvermögen unter landesfürstliche Verwaltung gestellt, später gänzlich eingezogen. Von der Stift Feuchtwangischen Pfarrei Ampfrach, von den Kloster Sulzischen Pfarreien Amelbruch und Dentlein, von den Pfarreien des Ansbacher St. Gumbertus-Stiftes Düren und Michelbach, wurden nach und nach die katholischen Pfarrer abgeschafft, ihre Stellen durch lutherische Prediger ersetzt. Dasselbe geschah bei den markgräflichen Pfarreien Dorf-Kemnaten, Illenswang, Breitenau und Veitsweiler. Am längsten, bis nach Abschluß des Passauer Vertrags von 1552, scheint sich die Protestantisirung von Simbrunn und Weidelbach verzögert zu haben, wahrscheinlich weil in ersterm Orte das Patronat des Domkapitels zu Augsburg, in letzterm das des deutschen Ordens entgegenstand.

In der Markgrafschaft Öttingen fand der Protestantismus festen Boden durch den Grafen Ludwig XVI., welcher im J. 1557 die Regierung der Grafschaft antrat und schon im folgenden Jahre die wirtembergische Kirchen-Ordnung in derselben einführte. Diese Maßnahme berührte in unserm Kapitel die Propstei Mönchs-Roth und einige Pfarreien. Kloster Mönchs-Roth wurde hienach im J. 1558 säcularisirt, die dortige Pfarrei wie die dem Kloster incorporirte Pfarrei Segringen, erhielt einen lutherischen Prediger. Dasselbe Schicksal hatten die Pfarreien Aufkirchen, Fürnheim und Schopfloch.

Die Reichsstadt Dinkelsbühel war in der Zeit der Religionsbewegung der Schauplatz eines unentschiedenen Schwankens, dabei aber erbitterter Kämpfe und tiefgehender Zerrissenheit. Die Bürgerschaft fiel von 1532 an in ihrer Mehrheit der neuen Lehre zu; der Rath in seiner Mehrheit blieb katholisch. Das Jahr 1548 brachte für die Stadt das Interim; weitere kaiserliche Verfügungen gaben ihr einen nur katholischen Rath, erhielten die Katholiken im Besitze der Hauptkirche S. Georgii, gestatteten aber auch den Protestanten freie Religionsübung, Kirche und Prediger. Der katholische Rath bewahrte auch seine Dörfer Wilburgstetten, Villersbrunn und halb Greiselbach bei der katholischen Religion. Auch Halsbach und Dürrwangen mit einigen kleinern Orten, unter katholischen Herrschaften stehend, blieben katholisch. Dagegen wurde der Markt Weiltingen, im Patronate und unter der Botmäßigkeit protestantischer Herren, gleichfalls dem Protestantismus zugeführt.

So waren der katholischen Kirche im Kapitel Dinkelsbühel nur noch vier katholische Pfarreien geblieben: Die St. Georgs-Pfarrei in Dinkelsbühel, und die Pfarreien Halsbach, Wilburgstetten und Villersbrunn. Der Kapitelsverband selbst schien wie aufgelöst, über das Kapitelvermögen stritten sich die abgefallenen Pfarrer mit den katholisch gebliebenen, die erstern vom Markgrafen von Onoldsbach, die letztern vom Rathe zu Dinkelsbühel unterstützt. Am 4. Jan. 1566 erschien im Kapitel Dinkelsbühel, vom Cardinal und Bischofe Otto gesandt, zwei geistliche Commissare, nämlich Cornelius Herlen, Gubernator der Universität Dilingen, und David Morenhaupt, bischöflicher Siegler zu Augsburg, mit der Aufgabe, das Kapitel zu renoviren und zu restituiren. Sie bestellten zu diesem Ende wieder einen Dekan und Kammerer, und ordneten und sicherten, was noch zu ordnen und zu sichern war.

Nachdem Kaiser Ferdinand II. am 6. März 1629 sein Restitutions-Edikt erlassen hatte, gemäß welchem alle seit dem Passauer Vertrage (1552) von den Protestanten eingezogenen geistlichen Güter den Katholiken zurückgestellt werden sollten, schritt Bischof Heinrich zum Vollzuge dieses Ediktes auch im Kapitel Dinkelsbühel. Dasselbe betraf in diesem Kapitel Stift Feuchtwangen und Kloster Mönchs-Roth, die Pfarreien Mönchs-Roth, Segringen, Simmbrunn und Weidelbach. Die Gefälle von Feuchtwangen sollten zum Theile für die Universität Dilingen verwendet werden; Mönchs-Roth wurde vom Papste auf zehn Jahre der bischöflichen Kammer von Augsburg einverleibt; die Pfarreien verloren ihre lutherischen Prediger und erhielten dafür katholische Pfarrer. Die Restitution gewann indeß unter dem Ungemache und den Schwankungen des schwedisch-deutschen Krieges keinen rechten Fortgang und zerfiel, als der Krieg zu Ende war, gänzlich, da der westfälische Friede von 1648 den beiderseitigen Besitzstand, wie er am 1. Jan. 1624 gewesen war, für die Ausgleichung zu Grunde legte. Hienach blieben dem Bisthume Augsburg im Kapitel Dinkelsbühel wieder nur die katholischen Pfarrei Dinkelsbühel mit der St. Georgs-Kirche, dem Kloster der Karmeliten und dem 1618 gegründeten Kapuziner-Kloster, die Pfarreien Halsbach und Wilburgstetten-Villersbrunn, sammt einem Beneficium in Dürrwangen. Die Stadt Dinkelsbühel erhielt Parität in Besetzung der Rathsstellen und in politischen Rechten.

Die Pfarrsprengel, katholische wie protestantische, blieben vom westfälischen Frieden an bis zum Uebergange des Landes an Bayern fest geschlossen, so daß die in einem protestantischen Pfarrsprengel wohnenden Katholiken die Pfarr-Rechte, nämlich Taufe, Trauung, Beerdigung, vom protestantischen Pfarrer dieses Sprengels zu nehmen hatten, und umgekehrt die Protestanten vom katholischen Pfarrer in den katholischen Sprengeln; denn nirgends duldeten, wenigstens anfangs, der Landesherr und Pfarrer einen Cultus-Akt des andern Bekenntnisses. Nachdem zu Dinkelsbühel Priester des Kapuziner-Ordens Fuß gefaßt hatten, machten es sich diese zur besondern Aufgabe, die in den protestantischen Pfarreien um Dinkelsbühel zerstreut lebenden Katholiken aufzusuchen und ihnen in Krankheiten und im Sterben die Tröstungen ihrer Religion, Beichte, Wegzehrung und heil. Oelung, zu bringen. Dieses geschah besonders in den Pfarreien Simbrunn, Segringen, Wildenstein, Larrieden, Weidelbach, Schopfloch, Dentlein und einem Theile von Möchs-Roth. In den nahe bei Dinkelsbühel gelegenen Orten wurden die Katholiken häufig auch von den Dinkelsbühler Pfarrgeistlichen providirt. Die Spendung der Sterb-Sakramente durch Kapuziner und Weltgeistliche innerhalb protestantischer Pfarreien wurde aber von protestantischen Herrschaften nur aus Gnade zugelassen, durfte nur in der Stille geschehen, und es mußte in jedem einzelnen Falle vom katholischen Priester beim protestantischen Pfarrer hiezu die Erlaubniß erholt werden. So schreibt am 18. Mai 1705 die Brandenburgische Regierung zu Onoldsbach an den Rath zu Dinkelsbühel: „Sie habe an das Brandenburgische Oberamt Crailsheim die reichsconstitutionsmäßige Verordnung bereits ergehen lassen, daß den römisch-katholischen Religionsverwandten das Auslaufen und die Besuchung ihres Gottesdienstes in fremden katholischen Orten allerdings freigelassen und sie daran nit gehindert, hingegen auch diejenigen katholische Leut, welche in die Brandenburgischen Pfarren eingepfarret, reichsüblicher Massen schuldig und gehalten sein sollen, ihre Hochzeiten und dero proclamationes, wie auch die Kindstaufen, Leichen und andere Kirchen actus in erstgedachten Pfarren zu halten und verrichten zu lassen. Was aber die Zulassung des Providirens bei kranken Leuten betreffe, so wolle man aus Gnaden, jedoch ohne Präjudiz und zu keiner Consequenz, auch wofern denen ihn katholischen Orten wohnenden evangelischen Religionsverwandten dergleichen gestattet und zugelassen werde, geschehen lassen, daß in Krankheiten und zumalen in Sterbensnöthen den katholischen Inwohnern gestattet werde, von katholischen Geistlichen sich besuchen und nach ihrer Art in der Still sich providiren zu lassen, jedoch daß zuvor bei dem negsten Brandenburgischen Ambt oder dem evangelischen Pfarrer, wohin sie oder ihre Güter eingepfarrt, darumb ordentlich münd- oder schriftliche Ansuchung gethan werde“. Ueberdieß mußte der katholische Geistliche in solchen Fällen dem protestantischen Pfarrer gewöhnlich auch einen Revers darüber ausstellen, daß der verrichtete Akt den protestantischen Pfarr-Rechten nicht präjudicirlich sein und katholischer Seits gegen protestantische Pfarrer in dergleichen Verfallenheiten Reciprocität beobachtet werden solle.

Im J. 1787 war die Zahl der zerstreut lebenden Katholiken, welche durch die Kapuziner von Dinkelsbühel mit der Seelsorge versehen wurden, nach einer von diesen gefertigten Aufschreibung folgende: in der Pfarrei Segringen 816 Seelen (darunter 436 Katholiken in Unter-Deufstetten), Pf. Weidelbach 216 (darunter 158 in Lauterbach), Pf. Simbrunn 85, Wildenstein 57, Schopfloch 40, Larrieden 18, Dentlein c. 20 – 30, die Bürschel-Höfe in der Pf. Möchs-Roth 16, im Ganzen gegen 1270 Seelen. Die Kapuziner durften die Eheverbindungen jener katholischen Brautpaare aus diesen Pfarreien, welche dem Pfarrzwange gemäß sich von ihrem protestantischen Pfarrer hatten müssen trauen lassen, in ihrer Kirche nach noch nach katholischen Ritus einsegnen; doch nahm das bischöfliche Ordinariat im J. 1789 die Vollmacht, welche es dem Kapuzinern hiezu früher gegeben hatte, zurück, und wies die betheiligten Brautleute an die ihnen zunächst gelegenen katholischen Pfarrer in Dinkelsbühel und Ellenberg. Zu Unter-Deufstetten hielt seit 1768 ein Kapuziner an den Sonntagen, und zwar im Winter in einer Stube, im Sommer in einer Scheune, Kinderlehre für die katholischen Kinder aus diesem und aus andern nahe gelegenen Orten.*

Die Aufhebung des Kapuziner-Klosters zu Dinkelsbühel im J. 1802 war ein schwerer Schlag für diese Katholiken in der Diaspora; denn sie waren nun lange Zeit eine Heerde ohne Hirten. Ihre pastorellen Verhältnisse wurden aber unter den neuen Landesherren allmählich geordnet, theils durch Aufhebung des Pfarrzwanges und Einpfarrung in die nächst gelegene katholische Pfarrei, theils durch Gründung neuer katholischer Seelsorge-Stellen. Es erhielt nämlich Unter-Deufstetten, welches an Wirtemberg gefallen war, einen eigenen katholischen Pfarrer, und im bayerischen Antheile des Kapitels wurde im Jahre 1833 das Beneficium zu Dürrwangen in eine Pfarrstelle umgewandelt, im J. 1854 aber eine Pfarr-Curatie in Groß-Orenbrunn, und im J. 1862 eine Pfarr-Curatie in Feuchtwangen errichtet.

Das Kapitel Dinkelsbühel zählt hienach gegenwärtig sechs katholische Seelsorge-Stellen, nämlich:

1. Pf. Dinkelsbühel,

2. Pf. Dürrwangen,

3. Pf. Cur. Feuchtwangen,

4. Pf. Cur. Groß-Orenbrunn,

5. Pf. Halsbach,

6. Pf. Wilburgstetten.

In den Sprengeln dieser sechs Seelsorge-Stellen wohnen 4877 Katholiken.



*  Handschriftliche Anm. des Besitzer dieses Buches Ende 19. Jh.: „Gleiches geschah in der Kapelle zu Ohrenbrunn durch einen Einf. (?).

Erstellt am 6. Februar 2004 durch Hans Ebert
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