Friedrich Jacobi - Geschichte der Stadt ... |
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Zweite Periode.
Feuchtwangen
unter Burggräflich Nürnbergischer und Markgräflich Ansabachischer
Landeshoheit.
1376
- 1791.
V. Abschnitt.
Reformation in Feuchtwangen.
Die Geschichte der Reformation in Feuchtwangen läßt sich nicht besser einleiten und den Einwirkungen der großen Ereignisse des sechzehnten Jahrhunderts auf das Leben dieser Stadt kann keine genügendere Erklärung vorausgeschickt werden, als wenn man den innern Zustand des Stifts dem Blick des Beschauers öffnet, und das Stift schildert, wie es in der Zeit beschaffen war, welche der Umgestaltung der Kirche vorherging.
Wie schon im vierzehnten Jahrhundert das Stift durch die gewissenlose Verwaltung seiner Vorsteher und durch die üppige Lebensweise seiner Glieder in Schulden gestürzt worden war, und diese gehäufte Schuldenlast den Bischof zu Augsburg zur Pflegeübergabe an den Burggrafen zu Nürnberg bewogen hatte, wodurch die Selbstständigkeit des Stifts mehr und mehr verloren ging: so waren auch im fünfzehnten Jahrhundert Schulden für das Stift die Quelle mannichfacher Übel. Zwar vernarbten unter den Decanen Otto von Offingen, Ulrich Knorr und Heinrich Klapfheimer einigermassen die Wunden, welche dem Stift zur Befreiung von seinen Schulden durch Verkauf vieler Güter und Rechte bei der Pflege der Burggrafen geschlagen werden mußten, und es wurden viele der veräußerten Güter entweder zurückgekauft, oder gegen andere eingetauscht, und neue Güter auf Gült, Erbzins, Fastnachts- und Herbsthühner hinaus geliehen; allein noch in der spätern Zeit des Decanes Johann Hirn sank das Stift aufs Neue in Schulden, so daß selbst Decane öfters mit ihrem Nachlasse dem Gericht anheim fielen.
Kann dieß als das erste Grundübel des Stifts angesehen werden, so waren die ewigen Streitigkeiten desselben das zweite. Denn nicht genug, daß es mit der Stadt immerwährend in offenem Kampfe lag, und heimlich gegen den Landesherrn zu Felde zog, indem es ihn bei der Ausübung seines Präsentationsrechtes in stets sich erneuernde Händel mit dem Papst und dem Bischof zu verwickeln suchte (63): so war es auch in sich selbst zerfallen, und kehrte die Waffen gegen seine Eingeweide. Veranlassung dazu gaben vorzüglich die Theilungen der Stiftsgärten in der Stadt und des kleinen Zehnten auf dem Lande.
Es kamen nämlich die sieben ältern Chorherren mit dem Stiftsdecan Hirn im Jahr 1444 auf den Gedanken, sich in die Gärten und Felder des Stifts, welche innerhalb der Stadt lagen, zu theilen, ohne die vier jüngern Chorherren daran Antheil nehmen zu lassen; und sie führten dieß nicht nur aus, sondern nahmen unter demselben Decan Hirn im Jahre 1474 auch eine Theilung des kleinen Zehnten nach den Ortschaften vor, wobei der Decan für sich und den Kanoniker Klingler achtzehn der besten Ortschaften und Weiler auswählte, den übrigen sechs ältern Chorherren paartweise je dreizehn schlechtere Ortschaften, Weiler und Höfe bestimmte, und die jüngern Chorherren abermals durchfallen ließ. Dadurch war Stoff zu unaufhörlichen Streitigkeiten gegeben, so daß Feuchtwangen unter dem Namen des unruhigen Stifts im ganzen Schwabenlande verrufen wurde, und daß ernannte Pröpste sich weigerten, die Stelle anzunehmen, und im Amt stehende dasselbe niederlegten, wie Georg von Schaumberg 1489 und Georg von Kindsberg 1494.
Doch am Meisten wurde der Untergang des Stifts durch die Gottesvergessenheit und Entsittung herbeigeführt, die dasselbe in allen seinen Gliedern ergriffen hatte. Wenn man auch annimmt, daß in den Chroniken und Gedenkbüchern Manches übertrieben ist, weil sie entschiedene Gegner des Stiftes und seines Glaubens zu Verfassern haben; so bleibt doch so viel auch dem schonungsvollsten Beurtheiler übrig, daß das Stift am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in hohem Grade der Religion und Tugend entfremdet waren, und daß die Chorherren in Feuchtwangen kaum mehr den Schatten von jenem Bilde der Einfachheit und des ächtchristlichen Sinnes und Lebens an sich trugen, mit dem voranzuleuchten sie berufen waren. Gesiehen sie dieß doch selbst, ohne es zu wollen, indem sie in einer noch vorhandenen Beschwerdeschrift des Kapitels an Markgraf Friedrich IV. Vom Jahr 1504 klagen, daß das Volk keine Achtung mehr vor ihnen habe, daß man ihnen in der Kirche Spielkarten vorzeige, Tag und Nacht vor ihren Häusern und auf den Strassen Spottlieder singe und laut ausrufe: "Es thue kein gut, man schlage denn die Pfaffen todt!"
In einem solchen Zustand befand sich das Stift in Feuchtwangen, als Luthers Stimme von Wittenberg erschallte; und sie fand vor Allem Wiederhall im Markgrafthum Ansbach, und unter den Städten desselben fast am lautesten in Feuchtwangen. Man sprach von nichts, als von den angeschlagenen 95 Sätzen, die man begierig las und abschrieb, von dem Benehmen Tetzels und Wimpinas, von der Standhaftigkeit Luthers gegen den Cardinallegaten Cajetan, von der Gelehrsamkeit Melanchthons, von der Feinheit des päpstlichen Nuntius von Miltitz, von der Disputation in Leipzig, der Bannbulle und ihrer Verbrennung in Wittenberg. Und als vollends der Reichstag zu Worms den Verkündiger der neuen Lehre zum Glaubenshelden gemacht hatte, da traten auch im Ansbacher Land und in den benachbarten Reichsstädten Prediger und besonders Schulmänner auf, die ihm beistimmten, und das Volk für seine Lehre empfänglich zu machen bemüht waren. Martin Helfer, der sein Lehramt in Hof sogleich im Jahre 1517 niedergelegt hatte, um sich in Wittenberg von Neuem der Gottesgelahrtheit zu widmen, kehrte zurück. Johann Eck und Johann Steinmetz lehrten in Culmbach; Georg Schmalzing, Hans Brückner und Johann Leuthold in Bayreuth; Georg Peßler, Hector, Pöner und Wolfgang Volprecht in Nürnberg; Johann Rurer in Ansbach; Caspar Prechtel und sein Diaconus Lorenz Hiller in Dietenhofen; Caspar Löner, ein Schüler Luthers, in Nesselbach; Adam Weiß, der ebenfalls bei Luther und Melanchthon Kolegien gehört hatte, und als Doctor der Theologie zurückgekommen war, in Crailsheim; Konrad Abel in Dinkelsbühl (64); und auch Feuchtwangen erhielt im Jahr 1522 an Johann von Wald einen Apostel der neuen Lehre, und deutete den darauf erfolgten plötzlichen Einsturz der beiden Thürme an der Stiftskirche als ein Zeichen des Himmels, das den nahen Fall des Stifts voraus zu verkünden bestimmt sey.
Jedoch hatte sich die Regierung noch keineswegs für die Lehren der Reformatoren erklärt, und dieß verzögerte ihre Verbreitung in den Fürstenthümern und auch in Feuchtwangen. Zwar waren die Abgeordneten der Städt auf dem zu Ansbach im Jahr 1524 von Casimir gehaltenen Landtag öffentlich für dieselbe aufgetreten, und hatten am 30ten September eine Widerlegung der von den Prälaten, Stiftern und Klöstern in Religionssachen eingereichten Petition übergeben, die so abgefaßt war, daß Luther, Justus Jonas, Bugenhaten und Melanchthon sie billigen, und sich freuten, "daß anderswo solche Leute seyen, denen die recht Wahrheit so ernstlich und treulich zu Herzen gehe (65);" allein ihre Zahl war gegen die der Prälaten und des Hofadels gering, und Markgraf Casimir war selbst in seinem Herzen der alten Lehre ergeben. Daher stellte er in der Entschließung vom 31ten October nur scheinbar die Anforderung der städtischen Abgeordneten zufrieden, indem er die lautere und reine Predigt des Evangeliums gebot; im Wesentlichen aber war die Entschließung der katholischen Partei günstig, indem sie einen Ausfall auf aufrührische Prediger und den Beisatz erhielt: "daß man Nichts Neues fürhehmen sollte, bis Seiner fürstlichen Gnaden fernere Meinung erfordert würde (66)." Dasselbe zeigte sich auch, als die Städte Kitzingen, Schwabach, Bayreuth, Gunzenhausen und Ansbach, am Anfang des Jahres 1525, um Ertheilung der versprochenenen weitern Entschließung, und um Anstellung etlicher angezogener Mißbräuche baten, und abermals zur Geduld ermahnt wurden.
Daher konnte auch das Stift Feuchtwangen die Entfernung des evangelisch gesinnten Predigers Johann von Wald, der inzwischen sein Ordenskleid abgelegt, und sich zu gleicher Zeit, als die Prediger von Nördlingen und Dinkelsbühl, verehlicht hatte, bei dem Ansbacher Hof auswirken; und die Angabe der Stiftsherren, daß Wald vwollüstig, und der Hunger und Durst der Feuchtwanger nicht nach dem Worte Gottes, sondern nach Aufruhr gerichtet sey, konnte kaum durch den kräftigen Bericht des Vogtes, des Raths und der Gemeinde widerlegt werden, worin die Stadt Feuchtwangen ihre Anhänglichkeit an das Fürstenhaus betheuerte, und durch Thatsachen nachwies, wie wenig Ursache die Chorherren hatten, einen verheuratheten Prieser Unkeuschheit vorzuwerfen (67).
Auch Wald's Nachfolger und Glaubensverwandter, Johannes von Langer, der später als Superintendent in Coburg starb, wurde auf Betrieb des Stifts, von Feuchtwangen entfernt; und vielleicht wären auch die andern Apostel aus dem Fürstenthum vertrieben, oder wenigstens, wie Diaconus Hiller von Dietenhofen, in Ansbach eingesperrt worden, wenn nicht Casimirs Bruder und Mitregent, Markgraf Georg, nach dem Tode des Königs von Ungarn von da zurückgekommen wäre, und sich entschieden für die Kirchen-Reformation erklärt, ja sogar evangelische Prediger verschrieben hätte, da das Benehmen des Ungarischen Gegenkönigs Johann gegen ihn und seine Güter, und Ferdinands Streitigmachung seiner Schlesischen Besitzungen jetzt nicht mehr eine staatskluge Rücksichtnahme gebot. Allein ein neues, allgemeines Ereigniß hinderte den Fortgang der Reformation in den Fürstenthümern und auch in Feuchtwangen.
Der Bauernkrieg, den der Druck der Verhältnisse und die Übertragung der kirchlichen Freiheit auf die bürgerliche geboren hatte, war von dem südlichsten Ende schwabens, wo sich die Bauern gegen den Abt von Kempten empörten, wie ein Lauffeuer durch Schwaben und Franken geeilt, und hatte zu gleicher Zeit mit dem Aufstand im Odenwald auch in der Umgegend von Rothenburg einen Heerhaufen versammelt, so daß das wilde Geschrei des Aufruhrs auch an den friedlichen Ufern der Sulzach ertönte. Schon waren die Odenwälder verheerend durch die Hohenlohischen Lande gezogen; schon hatten die Rothenburger das nahe Schloß Schillingsfürst niedergebrannt, und Kloster Sulz stand in Flammen - als plötzlich die Nachricht in Feuchtwangen eintraf: auch auf der großen Wiese bei Dinkelsbühl hätten sich Unzufriedene gelagert, und von Larrieden, Brettheim, Breitenthann, Dorfgütingen und dem Sulzer-Amt strömten ihnen bewaffnete Bauern zu. Da gedachten die Chorherren in Feuchtwangen der Stimmung des Volkes, alte Drohungen erfüllten sie mit Grausen, und sie ergriffen eilends die Flucht. Der Weg gieng über Herrieden nach Augsburg, und so in Masse, daß von allen Gliedern des Stifts nur Einer den Muth hatte, zurückzubleiben - der Vicarius Georg Vogther. Ihm übertrug der Chorherr Johann Dietrich fliehend die Verwesung der Pfarrei an der Johannis- oder Stadtkirche, die neben der Stiftskirche erbaut, stets von dem Stift mit einem Chorherrn als Stadtpfarrer besetzt wurde. Allein Vogther war von ganzer Seele der evangelischen Lehre ergeben. Kaum hatten daher die Chorherren die Stadt verlassen, so predigte er mit Begeisterung die Lehre der Reformatoren (68), und fieng selbst an, kirchliche Veränderungen vorzunehmen. Die Messe las er teutsch, dem Salz und Wasser versagte er die Weihe, das Abendmahl theilte er unter zwei Gestalten aus, und die Ohrenbeichte schaffte er ganz ab. Übrigens that er Alles, um die Stadt vor Aufruhr zu bewahren. Er las wöchentlich dreimal nach der Messe zwei Capitel aus der heil. Schrift teutsch vor, erklärte sie, und ermahnte in seinen Predigten zur Buße, zur Feier des heiligen Abendmahls und zum Gehorsam gegen die Obrigkeit; so da man es vorzugsweise seinen Anstrengungen zu verdanken hat, daß die Stadt nicht mit den benachbarten Bauern gemeinsame Sache machte, die ihre Boten überall hin aussandten, und von denen schon Einer in dem Schlößlein zu fein eine entflammende Rede gehalten hatte.
Inzwischen war das Heer der Odenwalder Bauern, das sich nach der ersten Verbindung mit den Rothenburgern von ihnen getrennt, und einige Wochen, in Gemeinschaft mit zwölfhundert Schwäbischen Bauern, die Gegenden des Odenwaldes und des untern Mains durchstreift hatte, zum zweiten Mal zur Vereinigung mit den Rothenburgern nach Ochsenfurt heraufgerückt, und hatte den großen Anschlag gefaßt, gemeinschaftlich Würzburg zu erobern. Schon war ihr Lager, bei Heidingsfeld aufgeschlagen, der Sage nach, auf zwanzigtausend Mann angewachsen: da ließ Markgraf Casimir den Amtmännern der beiden Fürstenthümer, und somit auch dem zu Feuchtwangen, den Befehl ertheilen, alle Dörfer aufzubieten, um ein Heer zusammenzubringen, mit welchem er die Bauern bei Heidingsfeld schlagen, oder bis zur Ankunft des in Schwaben beschäftigen Bundesheeres der Fürsten beobachten könnte. Dieses Aufgebot bezweckte aber das Gegentheil. Die Ansbacher Bauern, welche bisher glaubten, ihre Treue hinlänglich zu erproben, wenn sie an dem Aufruhr keinen Antheil nähmen, wurden aufgebracht, als man sie zur Unterdrückung anderer Bauern gebrauchen wollte. Sie fürchteten die Rache dieser, und dachten: wenn es doch einmal geschlagen und gestorben seyn sollte, so wollten sie lieber mit den Bauern schlagen und sterben. Und alsobald zogen ganze Ortschaften dem Lager der Bauern zu, und selbst das treue Feuchtwangen ließ sich verleiten, einer Markgräflichen Reiterabtheilung von vierhundert Mann die Einquartierung zu verweigern. Jedoch erleichterten bekanntlich die Bauern selbst durch Theilung ihres Heeres in drei Haufen dem Feinde die Besiegung. Die zweite Heeresabtheilung, welche ein gewisser Kaiser aus Mainbernheim befehligte, schlug Casimir zwei Tage nach der Trennung, am 28ten Mai 1525 bei Neustadt a.d.A.; der erste Heerhaufen unter Götz von Berlichingen wurde von dem heranrückenden Bundesheer der Fürsten am 2ten Juni mit Verlust von sechstausend Mann geschlagen, und ebenso am 4ten der Rest des zweiten Corps, das nach dem Verlust bei Neustadt auf das Ochsenfurter Gay zur Vereinigung mit Götz von Berlichingen gezogen war; worauf dem dritten Corps, das Würzburg belagerte, nichts übrig blieb, als abzuziehen (69). Bei den darauf von Caismir über die Aufrührer und ihre Theilnehmer verhängten Strafen, wurde auch Feuchtwangen für die verweigerte Einquartierung nicht vergessen; und obwohl es sich damit entschuldigte, daß es sich den beiden kriegführenden Parteien durch eine gewisse Neutralität habe entziehen wollen; so wurde die Stadt doch um zwey Hundert und funfzig Gulden Geldbuße gestraft; mußte alle Rathsglieder, welche gegen die Einquartierung gestimmt hatte, aus dem Rath entfernen; und hatte Mühe, durch funfzig Fußknechte, welche sie ausrüstete und der Regierung zu Gebote stellte, den erzürnten Markgrafen zu besänftigen, der mit solcher Strenge strafte, daß er wohl fünf Hundert Menschen in beiden Fürstenthümern den Scharfrichtern überlieferte, wenn man die achtundfunfzig mitrechnet, welchen er in Kitzingen die Augen ausstechen ließ; der keine Untersuchung ohne Folter begann und schloß; der ganze Reihen von Dörfern in Flammen aufgehen ließ; und für den die, von dem Bunde ausgesprochene, allgemeine Strafe des dreißigsten Pfennigs von dem Vermögen eines jeden Unterthanen, nur einen kleinen Theil der Geldstrafen und Brandschatzungen ausmachte, die er schonungslos beitreiben ließ.
Wie sehr man übrigens geneigt war, den ganzen Bauernkrieg, dem doch Jahrzehnte vorher ähnliche Bauern-Empörungen am Rhein, im Breisgau, im Elsaß, in Schwaben, Kärnthen, Krain, in der Windischen Mark, in Holland und Ungarn vorausgegangen ware, dem Protestantismus zur Last zu legen, davon hatte auch Feuchtwangen und das Markgräflich-Ansbachische Land überhaupt einen Beweis. Es erschien nämlich nicht nur am 31. August 1525 ein Edict, des Inhaltes: "Weil der Aufruhr durch ungelehrte und ungeschickte Prediger entstanden, so wolle er (der Markgraf) jetzt den Predigern befehlen, wie sie künftig predigen sollten;" sondern es wurden auch die protestantisch gesinnten Prediger an manchen Orten verbannt oder wenigstens abgesetzt. Dieses Loos traf auch den wackern Vogther, der durch seine Anhänglichkeit an die Landesregierung und durch sein kluges und ächtchristliches Verhalten während des Aufruhrs die ganze Stadt und Umgegend von Feuchtwangen an der Beobachtung der Unterthanenpflicht festgehalten hatte: als der entflohene Decan mit vier Chroherren und fünf Vicarien in das verlassene Stift zurückkehrte, und mit Ärgerniß die inzwischen statt gefundene Verheurathung Vogthers mit seiner bisherigen Freundin und Haushälterin Agnes vernahm. Zwar verwendete sich die Gemeinde auf das Angelegentlichste für Vogther, und bat wenigstens, daß man denselben so lange predigen lassen möchte, bis Markgraf Georg, von dem sie ein günstigeres Urtheil erwartete, von seiner Reise nach Speier zurückkommen würde; allein die Stadt Feuchtwangen war selbst bei dem Markgrafen Casimir halb und halb in Ungnade gefallen, und so blieb ihre Fürsprache unberücksichtigt.
Im Gegentheil suchte Casimir seit dem Bauernaufruhr mehr als vorher der evangelischen Lehre entgegen zu arbeiten, und der Abschied des im October 1526 zu Ansbach versammelten Landtages mußte alle Zweifel über seine wahre Gesinnung heben. Denn obwohl derselbe von dem Haupte der protestantischen Partei und der Opposition überhaupt, dem Vicekanzler Vogler, einen Liebling und Anhänger Georg, entworden war, und Casimir ihn, schlau berechnet, selbst damit beauftragt hatte: so wurde doch der Landtagsabschied von seiner Feder so abgeändert, daß er die vollkommenste Bestätigung der alten Kirchenverfassung enthielt, und daß Vogler kaum mehr den Schatten seines Werkes darin zu erkennen vermochte. Zwar vermied der Abschied absichtlich den Ausdruck: "Katholisch", und sprach sogar von der reinen und lautern Predigt des heiligen Evangeliums; allein es wurden in demselben nicht nur die Ausdrücke: "Lutherisch und Ketzerisch" nebeneinander gestellt, sondern er enthielt auch den Befehl, das Hochamt und die lateinische Messe beizubehalten, das heilige Abendmahl nur unter Einer Gestalt zu empfangen, ebendemselben bei Leibes- und Lebensstrafe in der Kirche und auf der Straße alle Ehrerbietung zu erweisen, das Frohnleichnamsfest zu feiern, und die Ehelosigkeit der Priester, wie die Verwandlung, die Ohrenbeichte und das gebotene Fasten für heilige Gesetzt der Kirche zu halten (70). So war der Verbreitung der evangelischen Lehre ein Damm entgegengesetzt, und die Gegensprache des abweisenden Mitregenten Georgs, der in seinen Briefen ohne Rückhalt sein Mißfallen über das einseitige und willkührliche Verfahren seines Bruders äußerte, wurde dadurch abgefertigt, daß Casimir kurz antwortete: "Er wisse am besten, was die Kaiserliche Majestät von allen diesen Sachen denke, was das Ende davon seyn werde, und wie er sich dabei zu verhalten habe."
Alsobald empfand auch Feuchtwangen die Wirkung dieses Landtags-Abschiedes. Es hoben die Chorherren des Stifts wieder ihr Haupt empor; behaupteten, daß es des Kaisers und des Markgrafen Wille sey, daß Alles in Kirchensachen bei dem Alten bliebe; und besetzten die Predigerstelle an der Johannis- oder Stadtkirche nur mit solchen Geistlichen, welche dem bisher herrschenden Glauben unbedingt ergeben ware. Dagegen verließen die Einwohner die Kirche, suchten in den benachbarten Orten Prediger auf, die ihnen zusagten, und brachten es dahin, daß der ernannte Pfarrer an der Stadtkirche, Hans Bayer, bald nach seiner Einsetzung selbst wieder fortzog, und die Pfarrei eine Zeitlang unbesetzt blieb. Aufgebracht über diesen Geist des Widerspruchs, erließ Markgraf Casimir im Frühjahr 1527, kurz vor seinem zweiten Zug nach Ungarn, folgenden Befehl:
"Würdige vnd andächtige liebe getreue. Nachdem wir vergangener Weil ein Abschied und Meynung ausgeen lassen haben, wie es in unserm Fürstenthumb vnd landen der strittigen Leer halben gehalten werden soll, und euch vergangener tag zu vns hieher beschicket und befohlen, vnsern Abschied eures theils auch nachzukommen. Nun werden wir aber glaublich berichtet, daß ihr angezeigter unser Meinung bis auf heutigen Tag nit nachkumben seid, das vns dann von euch zu merklichen Mißfallen reicht, vnd ist darauf vnser ernstlich Beweich, Ir wollet sammtlich mit einander verfügen, damit demselben unsern Abschied on Verzug gelebet, und nichts, das dawider ist, gehandelt werde, und ob sich etlich unter euch dasselbige zu vollziehen widersetzten, daß ihr denn uns dieselben auch anzeicht, sollen sie von vns nit ungestraft bleiben. Wir werden auch bericht, daß jetzo kein Pfarrer noch Caplan zu Feuchtwangen sei, befehlen wir euch, ihr wollet von Stund an, einen andern und gelehrten Pfarrherrn oder Caplan gen Feuchtwangen verordnen, die die Pfarr, wie sich unser Abschied nach gebürt, mit Fleiß versehen, denn wo er solches unverzogenlich nicht tut, werden wir verursacht, selbs einen Pfarrherrn zu ordnen, und die Pfarr versehen zu lassen."
Auf diesen Befehlt gestützt, berief das Stift den Vicarius von Herrieden und Pfarrer zu Heydeck, Erhard scheurer, an die Stadtkirche; allein, nachdem er einmal gepredigt hatte, wanderte er wieder weiter. Magister Hans Neuhäuser aus Ingolstadt, sein Nachfolger wurde, obwohl er ein gelehrter und frommer Mann war, doch wegen seines Glaubens von den Bürgern so angefeindet und verfolgt, daß er gerne nach München zog; und Magister Veit Seßler, der an seine Stelle kam, ward ebenfalls unsichtbar, als man verlangte, er solle sich vorher zu Ansbach einem Examen unterwerfen.
Während so ein Feuchtwangen das Neue mit dem Alten kämpfte, traf die Nachricht ein: Markgraf Casimir sei am 21. September 1527 in der, von eihm als Kaiserlichen Feldherrn, eroberten Stadt Ofen an der Ruhr gestorben und somit war der Sieg der evangelischen Partei in den beiden Fürstenthümern entschieden.
Denn nachdem Georg seinem alten Vater, der noch immer auf der Plassenburg schmachtete, die Freiheit geschenkt, und ihm einen kleinen Hofstaat an seiner Residenz gestattet hatte; rief er die Stände auf den 2. März 1528 nach Ansbach, um mit ihnen die Angelegenheiten des Landes und besonders der Kirche zu berathen, und versicherte dabei zwar der sich darüber beschwerenden katholischen Partei der Stände, daß der Entschließung Casimirs auf den 1524 von ihnen eingereichten Rathschlag, so wie dem Landtagsabschied von 1526 kein Genüge geleistet, und nirgends das wiederwärtige Lehren und Predigen abgestellt werde: "er wolle die Mandate erneuern, und gedenke gleichfalls, keine widerwärtigen Prediger zu leiden"; der evangelischen Partei der Stände aber, die aus den Abgeordneten der Städte und des Bauernstandes bestand, und bei denen auch die Feuchtwanger Deputirten waren, erklärte er: "der Hauptgrundsatz in dem Casimirischen Mandat von 1526 sei: das Evangelium lauter und rein zu predigen. Er versehe sich, das bedürfe keiner Erklärung. Jedoch sollen diejenigen Artikel, die in den Mandaten auf eine gütliche Bitte gesteltl seien, nicht als ein Gebot gehandhabt werden. Was die Ceremonien belange, welche die heilige christliche Kirche ausgesetzt, so sollen darunter nur die verstanden wrden, die aus Gottes Wort geboten, und darauf gegründet seien." Somit war der Damm wieder niedergerissen, welchen der Landtagsabschied von 1526 gegen die Ausbreitung der evangelischen Lehre in den beiden Fürstenthümern aufgeworfen hatte, und alsobald erklärten sich alle Städte derselben, ein großer Theil des platten Landes und sehr Viele vom Adel für die Reformation. Während nun zur Verbreitung und Erstarkung derselben im Lande überhaupt der mächtige Landhofmeister oder erste Minister, Johann von Schwarzenberg, der gewandte und rastlose Vicekanzler Vogler und die gelehrte Ansbacher Theologen Althammer und Rurer thätig ware,: faßte Stadtpfarrer Weiß in Crailsheim vorzüglich die Städte Feuchtwangen und Dinkelsbühl in das Auge, und knüpfte eben deßhalb mit dem berühmten Theologen Osiander und dem staatsklugen und feinen Spengler in Nürnberg einen Briefwechsel an, um mehr Einheit, Gleichmäßigkeit und Kraft in die Unternehmungen zu bringen.
Am meisten geschah dieß
durch die auf demselben Landtag 1528 beschlossene Kirchenvisitation, wozu
Spengler dem Vicekanzler Vogler die Anregung, und das Churfürstenthum
Sachsen das Beispiel gab, und welche, wie der neueste Geschichtsschreiber
über die beiden Fürstenthümer sagt: "als eigentliche Execution
der Reformation und Organisation der Geistlichkeit anzusehen ist", da alle
Geistliche zur Verpflichtung auf die neue Lehrform und Lithurgie entweder
nach Ansbach beschieden, oder ihnen Visitations-Commissarien zugesendet
wurden. Vergebens beriefen sich die wenigen noch katholischgesinnten Geistlichen
auf ihre Bischöfe oder auf ein abzuwartendes allgemeines Cocilium;
sie mußten ihre Stellen niederlegen oder sich zur neuen Lehrweise
verpflichten lassen; und auch der Stiftsdecan Jacob Jäger in Feuchtwangen
wurde in dieser Absicht nach Ansbach geladen. Hatte es ihm bisher schon
einen harten Kampf mit sich selbst gekostet, die Austheilung des Abendmahls
unter beiden Gestalten in der Stadtkirche zu gestatten; und hatte er mit
Widerwillen besehen, wie seine Stiftskirche immer leerer wurde, ja wie
sogar Manche, welche sich darin das Abendmahl Vormittags unter Einer Gestalt
hatten reichen lassen, dasselbe Nachmittags in der Statkirche unter beiden
Gestalten genossen: so zerriß jetzt seine Geduld vollends, als er
die neue Glaubens- und Lehrweise förmlich anerkennen sollte. Er verließ
unwillig mit den ältern Chorherrn das Stift, und vollendete eben dadurch,
wider seinen Willen, die Reformation in Feuchtwangen. Es war nämlich
um diese Zeit der Befehl ergangen, daß keine Pfründe mehr ohne
landesfürstliche Genehmigung verliehen werden sollte, und da nun so
viele Präbenden auf einmal in Feuchtwangen erledigt waren, so erhielten
die zurückgebliebenen Chorherren von dem Landesfürsten die Weisung:
die erledigte Stelle eines Stiftspredigers in Feuchtwangen dem, nach dem
Bauernaufruhr abgesetzten Georg Vogther wieder zu verleihen, der sich mitlerweilen
durch Handarbeiten mühselig ernährt hatte, und der von dem Rath,
wie von dem einflußreichen Stadtpfarrer Weiß in Crailsheim
auf das Wärmste empfohlen worden war. Somit war die Reformation in
Feuchtwangen entschieden, und die Zeit ihrer Geburt ist das Jahr 1528.