Wilhelm Funk - Feuchtwangen - Werden und Wachsen einer fränkischen Stadt
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Über Altwege und Altstraßen

Unsere Sprache bezeichnet die Verbindungen, die der Mensch im Laufe der Zeit von einer Örtlichkeit zu einer anderen geschaffen hat, mit ganz verschiedenen Worten. Sie spricht von Pfad und Trieb, von Steig und Fuhre, vor allem aber von Weg und Straße. Jedes dieser Worte bedeutet etwas anderes und weist auch in verschiedene geschichtliche Zeiten.

Das Wort Weg hängt mit Wagen zusammen. Erst die Erfindung des Wagens ließ den Weg entstehen, nämlich durch Befahren ein und derselben Strecke, so wie der Pfad und der Steig durch ständiges Betreten entstehen. Man fuhr "über Stock und Stein" und bahnte sich einen neuen Weg, wenn der alte ausgefahren war.

Ein Fahren auf recht ungebahnten Wegen war ein Wagnis voller Fährnisse und verlangte Wagemut. Es gibt noch mehr solcher Wortbildungen mit wagen und fahren. Sie zeigen, daß die Geschichte des Weges weit in die Vorgeschichte zurückgeht.

Die vorgeschichtlichen Wege verlangten keine baulichen Maßnahmen und erst recht keine Unterhaltungskosten. Man muß sie sich auch denkbar einfach vorstellen, etwa wie einen "Feldweg" von heute. Da es in dem damals nur wenig besiedelten Land noch keine klare Markungsgrenzen gab, konnte sich jeder den günstigsten Weg suchen, ohne einen Besitzer um Erlaubnis zu fragen. Wer den günstigsten Weg sucht, will möglichst trocken, gerade und eben dahinfahren. Deshalb mied man die nassen Täler und stieg auf die Höhen, da hier der Boden am längsten trocken und auch auf lange Strecken eben ist. Auf diese Weise kam man zu den Höhenwegen, die man bei uns meist "Hochstraßen" nennt, obwohl sie eigentlich gar keine "Straßen" sind.

Anders "die Straße"! Dieses Wort kommt aus dem Lateinischen, von via strata, und verrät damit, daß die Germanen das Straßenbauen erst von den Römern übernahmen. überall, wohin die römischen Legionen zogen, um das römische Weltreich auszubreiten und zu schützen, legten sie Straßen an und sicherten sie an wichtigen Geländepunkten durch besondere Befestigungen.

Umgekehrt mußte in der nachfränkischen Zeit das fränkische Straßennetz mehr und mehr verfallen, je zerrissener das Reich und je ohnmächtiger seine Herrscher wurden. Damit können wir uns bereits ein Bild machen, wie das Straßenwesen in den Epochen des Mittelalters beschaffen war. Wir dürfen daher annehmen, daß schon die Staufer kaum noch neue Straßen anlegten, sondern nur das schon vorhandene fränkische Netz weiter unterhielten oder stückweise verlegten.

Erst die absoluten Fürsten der Barockzeit bauten wieder Straßen, sogenannte "Chausseen". Sie wollten damit Handel und Commerz in ihrem Lande heben und zugleich mit ihren Nachbarn einen stillen und unblutigen Handelskrieg führen.

Der durchorganisierte Staat der Franken mit seiner Einteilung in Gaue und Zentenen (Hundertschaften) und der Einrichtung der Königshöfe schuf auch erstmals die verwaltungsmäßige Grundlage für ein gutes Straßenwesen. Die Gaugrafen hatten für den Bau und den Unterhalt der Straßen, wie für den Schutz der Reisenden zu sorgen.

Die Straße ist deshalb eine nach einem vorbedachten Plan angelegte Fernverbindung mit entfernten Räumen, die mit technischen Mitteln, mit festem Untergrund, mit Brücken und Dämmen "gebaut" wird und deshalb auch ständig unterhalten werden muß. Dazu sind viele Hände nötig, die aufzubringen und zu lenken sind.

Dies alles setzt einen festgefügten Staat voraus, der mit dem Bau von Straßen bestimmte machtpolitische Ziele verfolgt. Darum hat sich auch jeder Krieg, früher wie heute, mit der Straße und um die Straße abgespielt.

Den ersten germanischen Staat haben die Franken unter den Merowingern und Karolingern geschaffen. Nur sie konnten deshalb auch das erste Straßennetz in Deutschland außerhalb der römisch besetzten Gebiete angelegt haben.

In unserem Frankenland belegt dies ein außergewöhnliches Beispiel, nämlich der im Jahre 793 begonnene Karlsgraben, die fossa Carolina bei Weißenburg. Karl der Große wollte mit dieser Wasserstraße die Donau mit dem Main verbinden. Er konnte dieses freilich unvollendete Riesenwerk nur deshalb beginnen, weil er die entsprechend große Machtfülle in seiner Hand vereinigte.

Der fränkische König hatte alle Rechte an der Straße. So entrichteten die Kaufleute von Aachen an Karl den Großen ums Jahr 800 eine jährliche Abgabe für die Benutzung der Heerstraßen. Dieser übernahm dafür den Schutz der Reisenden. So entstanden das Zollrecht und das Geleitrecht.

Aus dem Straßenrecht leitet sich auch zum großen Teil das sog. Marktrecht ab; denn ohne Straßen kann sich kein Handel entwickeln und ohne Handel kein Gewerbe oder Handwerk. Ohne Handel und Gewerbe können aber auch keine Märkte und Städte entstehen, dazu keine Geldwirtschaft. Deshalb sind die seit dem 12. und 13. Jahrhundert in rascher Folge gegründeten deutschen Städte schließlich die Frucht des fränkischen Heerstraßennetzes.

Die Bauweise der fränkischen Straßen haben wir uns wesentlich einfacher als die Römerstraßen vorzustellen, zum Teil nur als Knüppelwege. Die Überquerung nasser Talgründe verlangte mindestens einen dammartigen Unterbau mit Knüppelauflage, eine sog. Specke. Bei steilen Steigen verraten alte Hohlwege und Dammanschüttungen gleichfalls die ordnende Hand des Staates.

Im Gegensatz zu den vorgeschichtlichen Höhenwegen verlaufen die fränkischen Straßen zumeist in den Tälern an der Grenze zwischen Wiese und Ackerland. Sie verbinden hier die Dörfer und bilden deren Hauptstraße. Die vorgeschichtlichen Wege hingegen mieden die Dörfer.

Beim Vorstoß in feindliche Länder mußten sich die Franken so lange an das bereits vorhandene vorgeschichtliche Straßennetz halten, bis sie ihre eigenen Straßen gebaut hatten. Auch späterhin ließ man die alten Höhenwege nicht auf, sondern benützte sie weiter, besonders wenn sie günstige Routen gaben. Auf diese Weise haben sich viele alte Hochstraßen bis in die Gegenwart erhalten, wenn auch die meisten zu bedeutungslosen Waldwegen herabsanken und manche auf große Strecken überackert wurden.

Da man früher nicht lange über die Anlage neuer Straßen verhandelte, sondern sie vom Sattel aus anordnete, darf man kaum Urkunden über den alten Straßenbau erwarten. Mit einiger Sicherheit lassen sich aber die vorgeschichtlichen Wege von den fränkischen Straßen unterscheiden. Die Franken benutzten nämlich zum Festlegen der Markungen ihrer Dörfer nicht nur Bäche und Höhenkämme als Grenzen, sondern auch vorfränkische Wege. Deshalb bildet mancher Höhenweg noch heute oft kilometerlang die Flurgrenze von Ortschaften.

In unserem fränkischen Raum lassen sich deshalb vier zeitliche Schichten von Verkehrswegen unterscheiden:

Jeder alte Weg und jede alte Straße passen sich deutlich mit zügiger und schwungvoller Linienführung dem Gelände an. Daran erkennt man sie schon auf der Karte. Spätere Ableitungen hingegen bilden Knicke und scharfe Kurven im ursprünglichen Verlauf. Umleitungen sind zudem länger, weil sie Kurve und Gegenkurve verlangen. Sie sind deshalb zumeist auch recht verkehrswidrig.

Derartige Umleitungen wurden oft bei der Anlage von Städten notwendig. So wurden oftmals ältere Wege durch den Bau von Stadtgraben und Stadtmauer durchschnitten und "geköpft". Andererseits wurde nach dem Einebnen alter Stadtbefestigungen manche Straße nachträglich in und durch die Stadt geleitet. In solchen Fällen zeigt die neue Linienführung meist besonders viele Kurven.

Bei Flußübergängen sammeln sich in der Regel verschiedene Wege aus allen Richtungen. Es ist nun wichtig zu erkennen, welcher dieser Wege der älteste ist. Da lehrt eine einfache Überlegung, daß dies jener sein muß, der in grader Linie auf die Furt oder Brücke zustrebt und somit den Fluß senkrecht überquert. Alle anderen Wege, die im Winkel an den Übergang heranfahren, müssen demnach Seitenwege von zweitrangiger Bedeutung sein.


Erstellt am 25.3.1999 durch Hans Ebert