Arbeitsgemeinschaft für Heimatgeschichte Feuchtwangen
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KARLSTAG am 1. Februar 2004


Die von Fritz Wünschenmeyer 1990 angeregte Wiedereinführung des Gedenktages der Chorherren des Stiftes Feuchtwangen an Kaiser Karl den Großen - anlässlich des Todestages des sagenhaften Gründers des ehemaligen Benediktinerklosters Feuchtwangen - hat für die Stadt einen nunmehr weiteren traditionellen Festtag im Jahr, den Karlstag, geschaffen.



FEUCHTWANGEN (aa) Im Mittelpunkt des diesjährigen Karlstags, zu dem die Arbeitsgemeinschaft für Heimatgeschichte im Verein für Volkskunst und Volkskunde eingeladen hatte, stand ein Vortrag des ehemaligen Feuchtwanger Dekans Dr. Klaus Leder über den Uhrturm der Stiftskirche. Dieser krönt bereits seit 324 Jahren den gotischen Ostchor des Gotteshauses.
Der Tradition der Chorherren des Stifts Feuchtwangen folgend, um des 814 verstorbenen sagenhaften Klostergründers Karls des Großen zu gedenken, trafen sich jetzt die heimathistorisch Interessierten zu einen "festlichen Mahl". Diese von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Heimatgeschichte ins Leben gerufene Zelebration des Karlstags jährt sich bereits zum 14. Mal und ist mittlerweile zur festen Institution geworden.

Bereits unter den Ägyptern, so der Referent, seien Glocken vor über 3000 Jahren erklungen. Während im Römischen Reich der Glockenklang vor allem die Öffnungszeiten der öffentlichen Bäder und der Märkte sowie die Arbeitszeiten der Sklaven reguliert habe, sei das europäische Tagesgeschehen erst seit dem sechsten Jahrhundert von der Glocke "rhythmisiert und chronologisiert" worden.

Für die Verbreitung unter anderm in Deutschland sorgten die Benediktiner, deren strenge Klosterregeln über Jahrhunderte auch in Feuchtwangen ihre Gültigkeit gehabt hätten. Unter ihnen sei das "Läuteamt" hochgehalten worden. Nur der Abt selbst habe damals am Glockenstrang ziehen dürfen. Viermal tagsüber und dreimal des Nachts sei das Geläut für die "uhrlosen" Bürger das erste hörbare Zeitmaß gewesen.

Habe es sich bis zu jener Zeit meist um geschmiedete Eisenglocken gehandelt, seien die um 800 aufgekommenen gegossenen Glocken aus Bronze auf die Begeisterung des "Klosterpatrons" Karls des Großen gestoßen. Es werde vermutet, dass Glocken seit 768 auch in Feuchtwangen das Zeitmaß gesetzt hätten. Während des Mittelalters, erklärte Dr. Leder, habe für die Stiftskirche die Berechtigung bestanden, über drei eigene Glocken zu verfügen, "die St.-Johannis-Kirche lediglich über zwei".

Sechs Glocken hätten damals nur dem Bischofsdom zugestanden. Mit der Aufhebung des Stifts und dem damit verbundenen Wegfall des Stundengebetes im Jahre 1563 seien auch die vertrauten Zeitsignale verstummt. Da das Bedürfnis nach einem hör- und sichtbaren Zeitmaß unter der Bürgerschaft jedoch weiterhin bestanden habe, sei schließlich der in seiner damaligen Form bis ins 20. Jahrhundert erhalten gebliebene viereckige Turm mit Uhr und gut ablesbarem Ziffernblatt angebracht worden.

Seither erklängen auch zwei Glocken in diesem Turm. Im Zuge der 1913 begonnenen Baumaßnahmen an der Stiftskirche, die sich durch den Ersten Weltkrieg verzögert hätten, sei aus dem damals baufälligen viereckigen Turm ein Achteck (Oktogon) geworden. Mit kuppelförmiger Prismen-Schalotte und daraus erwachsender Laterne, auf welcher nach Turmmütze und -kugel das Kreuz die Krönung bilde, biete dieser Turm fast zu wenig Platz für die beiden darin beherbergten Glocken.

Als wertvollstes Stück des Uhrturms bezeichnete Dr. Leder die 1175 gegossene schmucklose und über 200 Kilogramm schwere Stundenschlagglocke, die wohl älteste täglich noch klingende in Bayern. Sie bestehe aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn und habe einen Durchmesser von 63 Zentimetern. Ihre "Zwillingsschwester" befinde sich heute in der St.-Johannis-Kirche. Die zweite Glocke mit einem Viertel-Stunden-Schlag, deren Entstehung in einer Nürnberger Gießhütte der Referent auf das Jahr 1475 datierte, sei von ebenso großem historischen Wert. Den beengten, kaum zugänglichen Verhältnissen im Uhrturm sei es zu verdanken, dass die Glocken den Widrigkeiten der jüngsten Geschichte getrotzt hätten. Zwar sei ein "volles Ausläuten" unter diesen Gegebenheiten nicht möglich, ihre "babylonische Gefangenschaft" habe sie dennoch vor den massenhaften Einschmelzaktionen während der beiden Weltkriege zum Zwecke der Dekcung des Munitionsbedarfs beziehungsweise aus ideologischen Gründen bewahrt.

Die bereits seit über sieben Jahren durch den Freistaat Bayern genehmigte Instandsetzung des Uhrturms inklusive der Glocken und Ziffernblätter werde, so hoffte der ehemalige Dekan, bald in Angriff genommen, "damit sie auch unseren Urenkeln erhalten bleiben". Mit Abschluss der Sanierungsarbeiten - laut Dr. Leder könnte dies 2006 der Fall sein - hätte die Stiftskirche ein "kathedrales Geläut" von neun Glocken.

Alle Glocken der Stiftskirche und die vier der St.-Johannis-Kirche würden heute zusammen ein Gesamtalter von 5489 Jahren erreichen. Gemäß der Läutordnung würden sie jedoch nie gemeinsam erklingen. Dennoch "lehren sie den Liebhabern das Staunen und laden zum Gottesdienst ein", schloss Dr. Leder seine Ausführungen.

 

Der Uhrturm krönt den gotischen Ostchor der Feuchtwanger Stiftskirche.                                Foto: Ahmadi

Bericht der FLZ vom 03.02.2004