Band 3
Inhaltsverzeichnis
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Beilage 7

Das Urteil von 1948 wegen Brandstiftung an der Synagoge

Im Anschluß folgt ein wörtlicher Auszug aus dem Urteil gegen die Feuchtwanger, die Schuld an dem Brandanschlag auf die Synagoge trugen. Da in Feuchtwangen immer wieder andere Versionen der Vorgänge entstehen, sollen die entsprechenden Passagen des rechtskräftigen Urteils endgültige Klarheit schaffen. Im Urteil sind sämtliche Namen abgekürzt. Klamrnerbemerkungen stammen vom Bearbeiter.
 
Das Urteil wird im Staatsarchiv Nürnberg verwahrt unter der Bezeichnung: "Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Ansbach. Vorläufige Nummer 756/1 (Abgabe 1986)".
 

Urteil
Im Namen des Gesetzes!
In der Strafsache gegen

 
1. L.
2. v. F.
3. Be.
4. Br.
...
(3 weitere Angeklagte folgen. Sie hatten jedoch mit der Brandstiftung nichts zu tun. Gegen sie wurde im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vom 20.12.1937 verhandelt.) große Strafkammer des Landgerichts Ansbach auf Grund der Hauptverhandlungen vom 15. und 17. Dezember 1948, an der teilgenommen haben:
I.  Es werden verurteilt: 
Der Angeklagte L. wegen eines Verbrechens der Brandstiftung zur 
                                                           Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, die Angeklagten v. F., Be. und Br. wegen je eines Verbrechens der Beihilfe zu einem Verbrechen der Brandstiftung und zwar 
v. F. zur Gefängnisstrafe von 10 Monaten, 
Be. zur Gefängnisstrafe von 5 Monaten, 
Br. zur Gefängnisstrafe von 3 Monaten; 
... (Das weitere bezieht sich auf die Vorkommnisse vom 20.12.1937.) 
sowie sämtliche Angeklagte zu den Kosten des Verfahrens. 
II.   (Das weitere bezieht sich wieder auf die Vorkommnisse vom 20.12.1937.) 
 
Gründe:
 
I. In der Nacht vom 9./10. November 1938 wurde auch in Feuchtwangen die Synagoge in Brand gesetzt und brannte aus. Die Synagoge war noch Eigentum der israelitischen Kultusgemeinde; jüdische Gottesdienste fanden in ihr aber nicht mehr statt, weil in Feuchtwangen keine Juden mehr wohnten; aus diesem Grunde waren auch die Kultgegenstände nach Verhandlungen mit dem Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in München aus der Synagoge entfernt und bereits am 7. Juni 1938 dem israelitischen Hauptlehrer B. (Simon Brückheimer) von Marktbreit übergeben worden. Die Synagoge stand im dicht bebauten Stadtgebiet von Feuchtwangen; unmittelbar an sie grenzten das Stadtmuseum und Wohnhäuser an. fjber den Hergang der Brandstiftung hat die Hauptverhandlung folgendes ergeben:
 
Der Angeklagte v. F. war hauptamtlicher Kreisgeschäftsführer der NSDAP. in Feuchtwangen; er wohnte bei der Hebamme B., die einen der wenigen Nachtfernsprechanschlüsse in Feuchtwangen hatte. Am 10. November 1938 morgens zwischen ½ 4 und 4 Uhr erhielt er einen fernmündlieben Anruf des SA-Standartenführers und Adjutanten des Gauleiters, K. (König). Dieser fragte ihn zunächst, ob er SA-Führer sei; als v. F. entgegnete, er sei Kreisgeschäftsführer, trug K. ihm auf, dem SA-Führer von Feuchtwangen folgenden Befehl zu überbringen: "Im Kreisgebiet sind die Synagogen abzubrennen. Befehl der SA-Führung. Bis 8 Uhr muß Vollzug gemeldet werden." Einwendungen des v. F. wies K. mit dem Bemerken zurück, der Befehl komme von höchster Stelle. v. F. rief daraufhin seinen Vorgesetzten, den Kreisleiter T., in Ansbach an und setzte ihn von dem Anruf des K. in Kenntnis. T. riet ihm, er solle seine Finger aus dieser Sache lassen, er solle den SA-Führer von Feuchtwangen verständigen und diesem die Sache überlassen. v. F. verständigte nun den SA-Führer von Feuchtwangen, den im Kriege gefallenen Sturmführer H. H. äusserte wegen der Lage der Synagoge mitten im Stadtgebiet Bedenken gegen die Brandstiftung und bat v.F., auch den Bürgermeister und Ortsgruppenleiter L. zu verständigen und auf die Polizeiwache im Rathaus zu bitten, wohin er - H. - in Kürze auch kommen werde. v. F. tat dies.  Auch der Angeklagte L. machte Bedenken gegen die Brandstiftung geltend, vor allem wegen der Brandgefahr für das an die Synagoge angrenzende Museum. Er ging mit v.F. auf die Polizeiwache im Rathaus, wo sich etwas später auch der Sturmführer H. einfand. Der Angeklagte L. befahl den auf der Polizeiwache anwesenden Sicherheitswächtern K. und V., den Feuerwehrführer Bo. und den städt. Vorarbeiter Be. auf die Polizeiwache zu holen; den Bezirksfeuerwehrführer F. und den Landrat Dr. H. bestellte er fernmündlich; ferner ließ er den Hausmeister des Rathauses, den Angeklagten Br. auf die Polizeiwache kommen. Als Bo., F. und Dr. H. erschienen, eröffnete ihnen L.: "In einer halben Stunde brennt die Synagoge" und schnitt ihre Einwendungen ab mit dem Bemerken "Befehl ist Befeh'l". Zu Bo. und F. sagte er, sie seien ihm verantwortlich, dass dem Museum nichts passiere. Beide lehnten jede Verantwortung ab und entfernten sich, um Vorbereitungen für die Brandbekämpfung zu treffen. Auch der Landrat Dr. H. entfernte sich. Ob v. F. bei dieser Besprechung auf der Polizeiwache anwesend war, konnte nicht festgestellt werden; er selbst bestreitet es und die Zeugen und Mitangeklagten konnten keine positiven Angaben in dieser Richtung machen.
 
Der Angeklagte L. gab nun den Angeklagten Be. und Br. den Befehl, die Synagoge in Brand zu setzen. Er trug dem Be. auf, bei dem neben der Synagoge wohnenden Landwirt G. 15 Bund Stroh zu holen und auf den Dachboden der Synagoge zu bringen; Br. sollte eine Kanne Petroleum holen und damit das Stroh übergießen; dann sollten sie das Stroh anzünden. Auf Vorstellungen des Angeklagten Br., es könne bei dieser Brandstiftung doch ein ganzes Stadtviertel in Flammen aufgehen, entgegnete L., es müsse brennen. Der Angeklagte Be. holte von dem Landwirt G. etwa 7 Bund Stroh und brachte sie auf den Dachboden der Synagoge; der Angeklagte Br. übergoß dort das Stroh mit Petroleum worauf Be. das Stroh entzündete. Das Feuer ergriff schnell die Synagoge. Ein Übergreifen des Brandes auf die benachbarten Gebäude wurde durch die inzwischen alarmierte Feuerwehr verhindert.
 
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Bo., E., F., G. und V., des umfassenden Geständnisses des Angeklagten Br. sowie der Teilgeständnisse des Angeklagten Be. und v. F.
...
 
(Der Rest von 1. wägt die Aussagen der verschiedenen Angeklagten gegeneinander ab.
 
Absatz II. berichtet über den 20.12.1937, sowie über das Verhalten einiger Angeklagter und Zeugen bei den Vorkommnissen an diesem Tag.
 
Absatz III. gibt die Überlegungen des Gerichts bezüglich des Strafmaßes wieder.)
 
Auflösung der Abkürzungen von Personennamen:
 
1.  Angeklagte: 
Be.  Georg Beckler, Arbeiter, früherer NS-Zellenleiter und Scharführer, geboren 1880 Archshofen, 1948 wohnhaft Feuchtwangen, gestorben 1949 Feuchtwangen 
Br.  Ernst Bretzner, Kraftfahrer, geboren 1913 Petersaurach, 1948 wohnhaft Nabburg, gestorben 1960 Nabburg 
v. F.  Karl (Carl) von Furtenbach, Kaufmann, geboren 1911 Bechhofen an der Heide, 1948 wohnhaft Bechhofen, gestorben 1957 Haunstetten (heute zu Augsburg) 
L.   Karl Ludwig, ehemaliger Bürgermeister und Ortsgruppenleiter, geboren 1895 Feuchtwangen, 1948 wohnhaft Feuchtwangen, gestorben 1970 Feuchtwangen 

2. 

Weitere Erwähnte 
T.  Trommsdorff, Kreisleiter 
H.  Ludwig Habelt, Sturmführer, SA-Führer von Feuchtwangen, im Krieg gefallen 
K.  Karl Kern, Sicherheitswächter 
V.  Georg Veitengruber, Sicherheitswächter 
Bo.  August Bortschy, Feuerwehrführer 
F.  Friedrich Fuchs, Bezirksfeuerwehrführer 
Dr. H.  Dr. Richard Heinz, Landrat von Feuchtwangen 
G.  Ernst Gögelein, Landwirt 
B.  Anna Bögelein, Hebamme 

Erstellt: 1991 durch Dietrich Weiß - letzte Änderung am 6.2.2000 durch Hans Ebert
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