Band 3
Inhaltsverzeichnis
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Beilage 3

Die Einweihung der Synagoge 1833

Es folgt ein vollständiger Abdruck des Programms, das 1833 zur Einweihung der Feuchtwanger Synagoge herausgegeben wurde. Es gibt detailliert über die Feierlichkeiten und den dazugehörigen Gottesdienst Auskunft. Der Abdruck der im Staatsarchiv Nürnberg, Bestand Landratsamt Feuchtwangen Nr. 1601, verwahrten Archivalie ist buchstabengetreu.
 

Programm
zur
feyerlichen Einweihung
der
Synagoge in Feuchtwang
den 30.ten August 1833

Die Synagoge zu Feuchtwang, welche vor ohngefähr 200. Jahren von einer ledigen elternlosen Frauensperson gestiftet wurde, diente der hiesigen israelitischen Gemeinde einer langen Reihe von Jahren zur Ausübung des Gottesdienstes.
 
Trotz der vor 30. Jahren vorgenommenen Reparatur an derselben konnte dieselbe wegen Baufälligkeit und sehr beschränkten Raumes nicht langer zu diesem Zwecke verwendet werden.
 
Eine allerhöchste - für die israelitischen Glaubensbekenner sehr angemeßene landesväterliche Verordnung, welche vortheilhafte Einrichtungen von Schulen wie nicht minder eine dergleichen über Einrichtung zweckmäßiger - und der Gesundheit angemessener Quellenbäder für israelitische Frauen anordnet, erregte schon vor 6. Jahren in den Herzen mehrerer wohlmeinenden israelitischen Gemeindeglieder den Wunsch eine neue Synagoge verbunden mit einem wohleingerichteten Lehrlokale und Quellenbad-Anstallt, zu erbauen.
 
Dieses Vorhaben wurde von dem hiesig k. Landgerichte nicht nur gebilligt, sondern auf jede gesetzliche Art kräftigst unterstützt. Sowohl dieser hohen Behörde als auch der höchsten Kreis Regierung, und dem königlichen allerhöchsten Staatsministerium des Innern welches uns die Erlaubnis zur Ausführung dieses Vorhabens allergnädigst ertheilte, verdankt die hiesige israelitische Gemeinde die Herstellung dieses neuen Tempels in seiner ietzigen Gestallt, deßen feyerliche Weihe sie mit dem Hochgefühle des innigsten Dankes gegen die Allgüte des weisen Herrschers der Welten beginnen, und nachstehende Anordnungen mögen der Würde dieses Festes angemessen erscheinen.
 
Der 30.te August ist als der Tag der Einweihung bestimmt und an demselben wird eine freywillige Allmosensammlung veranstaltet, deren Ertrag dem hiesigen Armenpflegschafts-Rathe übergeben und von demselben zweckdienlich an die Ortsarmen vertheilt wird.
 
Nachmittags 3 Uhr haben sich sämtliche Individuen, welche den Zug bilden sollen, festlich gekleidet, im Springerschen Hause, in welchem bisher der Gottesdienst verrichtet wurde, einzufinden.
 
Die Frauen gleichfalls in festlicher Kleidung versammlen sich im Holzingerschen Hause zur nemlichen Stunde. Im erstern Lokale wird der letzte Gottesdienst mit dem gewöhnlichen Vesper Gebet abgehalten und einige Worte des Trostes u. der Ermahnung in Bezug auf das zu vorlassende Bethaus gesprochen. Nach Vollendung derselben setzt sich der Zug vom Springerschen Hause, über einen Theil der Herrngasse und den Markt in Bewegung und bildet sich wie folgt
 
  1) Die Schuljugend von ihrem Lehrer geführt u. zwar
      a) die Knaben paarweise,
      b) die Mädchen in der Landesfarbe gekleidet in gleicher Ordnung.
  2) Ein Musik-Chor
  3) Der Vorsänger mit seinen Gehilfen.
  4) Die Chuppa (Traghimmel) von 6. Unverheirateten hiesigen Orts getragen und unter
      derselben die Thorot (Gesetzesrollen) von ihren Eigenthümern oder hiezu gewählten
      Männern getragen, an deren Spitze der Rabbiner mit dem Cultus Vorstand u. Pfleger gehen.
  5) Die Gemeindebevollmächtigten.
  6) Die Baukommißion
  7) Die Baumeister des neuerbauten Gotteshauses mit ihren Gesellen.
  8) Die übrigen Hausväter der israelitischen Gemeinde nach dem Alter.
  9) Die erwachsenen Individuen männlicher Seite.
10) Die Frauen der Cultus Verwaltung und Baukommißion
11) Die übrigen Frauen gleichfalls nach dem Alter
 
Der ganze Zug ist paarweise geordnet u. mit andachtsvoller Ruhe und Stille wird, während sich derselbe durch die bezeichnete Strasse bis vor den Eingang der neuen Synagoge begiebt, der Vorsänger mit dem Sängerchor den lllten Psalm absingen, wobei die Sänger und Schuljugend bei jedem geschlossenen Vers das Hallelujah wiederholen. Die Pausen werden vom Musikchor mit Märschen ausgefüllt. Der Einzug in das neue Gotteshaus erfolgt nun in nachstehender Ordnung u. feyerlichen Ceremonie:
 
Die Musik bleibt vor dem Hauptportale stehen u. die Theilnehmer des Zuges männlicher Seite begeben sich in die Synagoge auf die ihnen angewiesenen Plätze, indem jeder Eintretende das Gebet Ma tobu andächtig für sich betet. Die Frauen und weibliche Schuljugend nehmen ihre Sitze auf der Gallerie ein u. werden von dem Gemeindediener zu diesem Behufe empfangen. Das Musikchor verfügt sich gleichfalls auf seinen bestimmten Platz und die Thorot-Träger stellen sich gleich bei ihrem Eintritt auf der Biemah (der Ort worauf die Tora gelesen wird) auf, allwo sie gleich den übrigen Anwesenden auf ihren Plätzen ihre Stellung zu behalten haben.
 
Nach gehaltenen Einzug in die Synagoge werden die k. Herren Beamten u. übrigen resp. Honoratioren, welche hiezu eingeladen, erscheinen, von den Vorstehern der israelitischen Cultus-Gemeinde an der Treppe empfangen werden. Nachdem dieselben auf die ihnen angewiesenen Plätze sich werden begeben haben, beginnt der

die hiebei statt habenden Ceremonien.
 

I.

Sobald die ganze Gemeinde die Plätze eingenommen hat u. die, bei religiösen Handlungen erforderliche Stille herrscht, betritt der Rabbiner die Stufen der heiligen Lade (Aron Hakodesch) mit der Tora in der Hand und verrichtet folgende Gebete:
 
a) Das Dankgebet,

Hatob wehametib.

Gelobt seyst Du, Ewiger unser Gott, König der Welt! allgütiger Wohlthaeter,
 
(Die Gemeinde Amen!)

b)  Das Dankgebet,
Schehechiana.

Gelobt seyst Du, Ewiger unser Gott, König der Welt! daß Du uns erhalten hast und uns diese Zeit erleben und erreichen hast laßen.
 
(Die Gemeinde) Amen!

II.

Unmittelbar hierauf stellen sich die Thoroth-Träger an den Fuß der heiligen Lade hin, und der sänger begiebt sich mit dem Sängerchor auf die Biemah und betet mit feyerlicher Andacht folgende 3. Psalmen, nemlich Psalm:
30. 84. u. 24.
wobei die Gemeinde jeden Vers wiederholt.
Am Anfang des 24. Psalms öffnet der Gemeindediener die heilige Lade u. am Schluße desselben, werden die Gesetzesrollen hineingestellt, die Lade geschlossen, u. die Gemeinde verrichtet das zu dieser Handlung gewöhnliche Gebet: ubnochoh jomar.
 

III.

Nach der Hachnasa (das Hineinstellen der Toroth in die Lade) stimmt der Saengerchor das beim Eintritt in die Synagoge übliche Gebet Ma tobu unter Begleitung der Musik an:
 
Ma tobu
 1) Wie schön sind deine Zelte Jakob, 
     Deine Wohnungen Israel! 
Ma tobu chalecha Jacob misch, 
kenothecha Israel! 
2) Ich, durch Größe Deiner Gnade betrete 
    Dein Haus, bücke mich vor dem Tempel 
    Deiner Heiligkeit in Gottesfurcht. 
Wani berob chasdecha abo 
betecha, eschtachawe el hechal 
kodschecha bejirathecha 
3) Ewiger! ich liebe die Wohnung Deines 
    Hauses, den Ort der Wohnung Deiner 
    Ehre. 
Adonai achabti meon belecha 
umekom mischkan kebodecha 
4) Ich bücke mich, knie nieder, beuge  mich 
    vor Gott, meinem Schöpfer. 
Wani eschtachawe weechreah 
ebrechah lifne adonai osi 
5) Ich richte mein Gebet zu Dir Ewiger 
    zur Zeit der Bewilligung. Gott, 
    durch Größe Deiner Gnade erhoere 
    mich durch Treue Deiner Hilfe 
Wani tefilathi lecha adonai 
ehth razon elchim berob chas- 
decha aneni beemeth jisch- 
echa 

IV.

Deutsche Rede.
(gehalten vom Herrn Distrikts Rabbiner H. Selz
aus Mkt. Uehlfeld)

V.

Hierauf wird das Lied 207. aus Johlsohs Gesangbuch vom Sängerchor abgesungen.
 

VI.

Dann wird vom Herrn Distrikts Rabiner das Gebet für den König, die Koenigin u. das königliche Haus in deutscher Sprache verrichtet.
 
Hanothen teschuah.

Er, der den Königen Heil u. den Fürsten Regierung verleihst, er, deßen Reich aller Welten Reich ist, der seinen Knecht David von der Bosheit Schwerdt errettete; der einen Weg durchs Weltmeer, durch mächtige Fluthen bahnt; segne, behüte u. beschütze unsern allergnädigsten Landesherrn
 
Ludwig

Koenig von Bayern

seine glorreiche Herrschaft hebe sich hoch empor.
(Die Gemeinde) Amen!
König aller Könige mit Deiner großen Gnade schau von Deinem heiligen Wohnsitze auf Ihn herab, erhalte u. bewahre Ihn vor jedem Übel und Leiden. Möge Er noch unzählige Jahre Sein erhabenes Zepter führen, u. in allen Unternehmungen glücklich seyn!
(Die Gemeinde) Amen!
Segne und beschütze der Frauen Würdigste, unsere erhabene Landesmutter und Koenigin
Therese Charlotte Luise
(Die Gemeinde) Amen!
Die Fülle Deiner hohen Güte ströme über unsern huldreichen Kronprinzen
Maximilian
(Die Gemeinde) Amen!
Sende Dein Heil dem ganzen erleuchten Koenigs-Hause u. setze es zum ewigen Segen ein.
(Die Gemeinde) Amen!
Allgütiger! Durch Deine Allbarmherzigkeit verbreite Deinen himmlischen Schutz über alle Bewohner Bayerns. Friede und Gerechtigkeit blühe im Lande, u. ewige Eintracht und Zufriedenheit beglücke alle Erdenbewohner. Möge auch Israel Gunst und Wohlwollen bei allen Völkern finden, u. stets glücklich leben! So sey Dein heiliger Wille!
(Die Gemeinde) Amen!
Nach diesem Gebet singt der Vorsänger mit dem Sängerchor das Volkslied:
Heil, unserm König Heil
dann derselbe mit Chor das Einweihungslied Nro. 208. aus Johlsons Gesangbuche (nach Psalm 84.)
 

VII.

Hierauf verrichtet der Vorsänger mit Chor ein Gebet (Psalm 72) für das Wohl des Königs Otto I. dem Beherrscher Griechenlands.
 

VIII.

Schluß-Chor
Halleluja
150. Psalm.

IX.

Hierauf wird zur Verrichtung des gewöhnlichen Sabbath-Gottesdienstes geschritten u. nach dem Gebete Leohu nerannena und dem Sabbathweihe Lied Lecha dodi welches mit Musik Begleitung im Chor gesungen wird mit dem gewöhnlichen Abendgebet u. der hebräischen Hymne: Jigdal die gleichfalls im Chor gesungen u. mit Musik begleitet wird, die festliche Einweihung der neuen Synagoge beschlossen.


Die gütige Vorsehung wolle diesen neuen Tempel in Schutz nehmen, u. die Gebete, die in demselben zum Himmel emporsteigen, mögen stets erhört und in Erfüllung gebracht werden.

Erstellt: 1991 durch Dietrich Weiß - letzte Änderung am 6.2.2000 durch Hans Ebert
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