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Die Landesordnung von 1310 des Siegfried von Feuchtwangen
Die Landesordnung Siegfrieds
von Feuchtwangen ist im Wortlaut der Arbeit von Caspar Schütz, Historia
rerum Prussicarum, S. 54 - 55, von 1592 entnommen, wie sie auch Brackenhausen
1726 übernommen hat, da Schütz als zuverlässiger Historiker
gilt. Sie umfaßt offensichtlich nicht alle Artikel dieser Landesordnung,
die einigen Historikern zufolge angeblich 40 Artikel enthalten haben soll.
Voigt bringt in seiner Geschichte Preußens um 1830 insgesamt 30 Artikel
zusammen, die er Simon Grunau entnommen hat; er bezweifelt jedoch selbst
die Echtheit einiger Artikel dieser Landesordnung.
Büste
Siegfrieds von Feuchtwangen aus der von Reinhold Begas 1900 angefertigten
Fürstengruppe Markgraf Waldemar von Brandenburg für die Siegesallee
in Berlin. Heute im Lapidarium von West-Berlin. Foto: Schindler, Berlin
Diese Landesordnung soll auf dem Kapitel im Frühjahr 1310 auf der Marienburg unter vorheriger Beratung mit den Versammelten, unter denen sich auch der Adel und vornehme Bürger aus den Städten befunden haben, verabschiedet worden sein. Das Hauptgewicht dieser Verordnungen liegt jedoch bei der einheimischen Bevölkerung, die damit einen gewissen Schutz gegen die Willkür ihrer Grundherren erhält. Für die Ordensbrüder galten nach wie vor die Ordensstatuten. Aus dieser Landesordnung geht auch deutlich die Abgrenzung zwischen den Preußen und den Siedlern hervor. Die Preußen durften wohl Ackerbau und Viehwirtschaft betreiben, aber sie hatten keine Chance, irgendein Amt zu übernehmen. Sie wurden angehalten, in die Kirche zu gehen und die deutsche Sprache zu erlernen. Das Gesinde erhielt zwar einen gewissen Entlohnungsschutz, konnte aber nicht frei über den Arbeitsplatz entscheiden. Der Begriff "Eindeutschen" besteht hier zu Recht, und wer sich fügte, konnte mitunter gewisse Freiheiten erreichen. Dies betraf vor allem den Adel der Preußen. Die Landesordnung enthielt ein gut durchdachtes Kolonisationsprogramm: Sicherung der Landwirtschaft, Christianisierung und Eindeutschen der Preußen, Regelung des Handels und Handwerkes sowie Sicherung der Führungspositionen in allen Ämtern.
So wie die Ordensbrüder
und der Untergebene in der Ordensgemeinschaft durch bestimmte Regeln einheitlich
in der Lebenshaltung geführt wurden, so mußte nunmehr auch die
Gemeinschaft der Bürger, Siedler und Preußen in eine einheitliche
Linie gebracht werden. Gewiß galt das Kulmer Recht, die Kulmer Handfeste,
für die Rechtssprechung im größten Teil des werdenden Ordensstaates.
Sie war aber keine Richtschnur für das allgemeine Verhalten in dieser
Lebensgemeinschaft. So schuf Siegfried von Feuchtwangen mit seiner Landesordnung
den Anfang einer Verfassung für den Ordensstaat. Dieses gesellschaftliche
Über- und Unterordnungsverhältnis mit einer gewissen Sicherung
gegen Übergriffe für die Bevölkerung kann selbstverständlich
nicht mit den späteren Landesordnungen verglichen werden. Wichtig
hierbei ist die Herbeiführung eines in Preußen geordneten Zustandes
unter Zustimmung der Vertretung einiger Bevölkerungsgruppen.
Die Landesordnung
1. Er verordente vnnd setzte/ das kein Jude/ Zauberer/ Gauckler oder Vnchrist im des Ordens Landen geduldet/ viel weniger für Bürger/ oder einwohnen in den Städten auffgenommen werden sollen. 124
2. Item/ Wer Preussisch Hausgesinde hette/ der sollte sie darzu halten/ alle Feyertage fleissig im die Kirche zu gehen/ vnd solte nicht viel Preussisch mit ihnen reden/ sondern so viel immer möglichl sie zu der Deutschen Sprache gewehnen.
3. Item/ Das kein Preusse in ihr keinem Gebiete/ Stadt/ Schloß oder Dorff/ zu ihr keinem Ampt verstattet werdenl auch keinen Krahm noch Krug treiben/ sondern alle dieselben zum Ackerbaw oder Viehzucht gehalten werden sollten.
4. Item das ein gesetztes Lohn auff Knechte vnd Mägde sollte geordnit seyn.
5. Das auch dem Herrn frey stünde/ seinen entlauffenen Knecht an allen orten zuverfolgen/ vnnd wo er jhn antreffe/ das er demselben mit einem Pfriemen durch die Ohren stechen/ vnd mit sich anheim fuhren möchte.
6. Item/ Das der Herr schuldig sein soltel seinem Knechte oder Magd/ die er für bestimpter zeit/ ohn ihr verschulden von sich gelassen/ oder aufgejaget/ ihr volles lohn zu entrichten.
7. Item/ das Müssiggänger vnd Bettler nirgend solten geduldet geheget/ oder gelitten werden.
8. Item/ Das alle Wahren vnd Esselspeise in offenen Marck solten gebracht werden/ vnd alle winckel und Vorkäuffe gesetzlich verboten sein.
9. Item/ Das alle Handwecker jhre Arbeit oder Werck mit einem sonderlichen Abzeichen mercken sollten/ darnach man sich zu richten/ wann böse oder falsche arbeit bey jemanden befunden würde.
10. Item/ Das die Brüchen 125 vnd Bussen/ so in den Wercken genommen/ nicht auf Fressen/ oder sauffen gewand/ sondern darfür/ Harnisch/ Bogen/ vnd Kriegsrüstung gezeuget werden sollten.
11. Item/ Das man an Feyer vnd gebundenen Tagen keine Weltliche Contract solten geschlossen/ auch keine Keuffe öffentlich oder heimlich gehalten werde/ sondern alle von Vnkrefften sein.
12. Das weder Edelleute noch Bawern sollten Kauffschlagen/ auch nicht Bier brawen vnnd verkaufen sondern das solte der Städte Nahrung sein.
13. Das niemand verlaufen Gesind vnd Bawren auffhalten/ hegen vnd fretzen solte.
14. Das das Vieh zum Ackerbaw gehörig/ vmb keinerlei schuld/ noch an derer vrsachen willen/ solte angehalten gepfendet/ oder weggenommen werden.
15. Das niemand solte einen Wald verhawen/ das Holtz zu verkauffen/ er rodete denn/ den außgehawenen ort zum Acker.
16. Das einem jeden frey sein sollte/ wegen zugefügten schadens auff dem Lande/ an Viehe/ oder dergleichen von jederm Richter sich an entschiedes Leute/ oder zum erkentnis guter Männer zu beruffen.
17. Das alle Jahr die Grentzen durch die Schultzen beritten/ vnd was vnkentlichl oder mangelhaft vernewet werden solte. 126
18. Das niemand mit Karten oder Würffel vmb Geld/ wie geringe es auch were/ spielen noch in seinem Hause oder gewarsam zu spielen/ verstauen solte.
19. Das ein jeder Schultze zu benanter zeit den Zehenden, 127 dem Pfarrherrn einfordern vnd manen/ vnd die ungehorsamen mit ernst oder Pfanden straffen solte.
20. Das die Bischoffe alle drey Jahr einmal ausziehen sollten/ die benachbarten Heyden vnd Vngleubigen zu bekehren/ die Kirchen zu visitiren/ vnd derselben stand zu erhalten.
21.
Endlich/ Das diese vnd andere Gesetze Ordinantien alle Jahr in Städten/
vnnd Dörffern Publiciret/ vnd öffentlich abgelesen sollte/ damit
sich niemand der Vnwissenheit zu entschuldigen haben möchte.